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Er gilt als „grünes Gewissen" der CSU: Jahrzehnte lang stritt Josef Göppel für Umweltschutz und gegen Atomkraft und war damit in seiner Partei ziemlich allein. Als Mitglied des Bundestages, dem er seit 2002 angehört, stimmte er als einziger CSU-Abgeordneter 2010 gegen die von der christlich-liberalen Regierung angestrebte Verlängerung der Kraftwerkslaufzeiten. Dass das Parlament nach der Katastrophe von Fukushima im Juni 2011 dann doch mit großer Mehrheit beschloss, alle deutschen Meiler bis 2022 abzuschalten, erleichtert den 61-Jährigen. Die politische Mission des Försters ist trotzdem noch nicht erfüllt: Göppel kämpft weiter für eine Energiewende, die das Monopolsystem der Energieriesen beendet und die Stromversorgung dezentralisiert.
Josef Göppel, 1950 geboren, wuchs als Ältester von vier Söhnen auf einem landwirtschaftlichen Anwesen nahe dem mittelfränkischen Dorf Rauenzell auf. Der Vater war Bauarbeiter bei einer Pflasterfirma und bewirtschaftete nebenbei den sieben Hektar großen Hof zusammen mit seiner Frau.
Sein Sohn Josef entwickelte früh eine große Verbundenheit mit der Natur. „Schon als Neunjähriger habe ich gern im Wald oder auf dem Feld übernachtet", erinnert sich Göppel. Angst, allein draußen zu sein, kannte er nicht. Nur die Mutter sorgte sich manchmal um den Jungen, doch morgens war er stets rechtzeitig zum Füttern der drei Kühe, vier jungen Rinder und vier Schweine zurück.
Seine Liebe zu Tieren, zum Wald, zur Natur – Göppel beschreibt es als „angeborene Neigung". „Es war für mich einfach selbstverständlich." Genauso selbstverständlich, wie den Beruf des Försters zu ergreifen: Mit 16 Jahren begann er die Ausbildung zum Waldfacharbeiter, lernte Bäume zu pflanzen und umzuschneiden.
Anschließend absolvierte er ein forstwirtschaftliches Fachhochschulstudium, das er 1972 mit Diplom und einer Prüfung zum Revierförster beendete. Zwanzig Jahre, von 1973 bis 1994, arbeitete Göppel daraufhin in seiner Heimatstadt Herrieden als Förster. Seit 1977 ist er verheiratet und hat vier Kinder.
Doch in der Natur zu arbeiten, reichte Göppel nicht aus: Er wollte sich auch politisch für den Umweltschutz engagieren. 1970 – es war das Europäische Jahr des Naturschutzes – trat der junge Förster Göppel dem Bund Naturschutz und der CSU bei. „Es herrschte damals eine enorme Aufbruchstimmung", erinnert er sich. „Ich wollte politisch arbeiten, und die CSU war für mich das Nächstliegende."
1972 wurde Göppel in den Rat seiner Heimatstadt Herrieden gewählt, dem er ohne Unterbrechung bis 2004 – 18 Jahre davon als Fraktionsvorsitzender – angehörte. 20 Jahre, von 1974 bis 1994 war Göppel zudem Mitglied des Bezirkstags Mittelfranken. Hier setzte er sich unter anderem gegen eine weitere Überbauung von Flächen ein, für den Wasserschutz und den Rückbau von Flüssen.
Zu Beginn der achtziger Jahre beunruhigte ihn aber besonders das Waldsterben. Ein Jahr bevor die Grünen mit einer ähnlichen Aktion in den Bundestag einzogen, fällte Göppel 1982 eine kranke Fichte und transportierte sie auf dem Dach seines VW-Käfers zu einer Landesversammlung der Jungen Union. „Da waren etwa 400 Leute, vorwiegend Jura-Studenten; denen habe ich dann anhand der Fichte das Problem gezeigt", erzählt Göppel mit blitzenden Augen.
„Man hat da sehr gut gesehen, wie alles anfängt: die Ausdünnung der Nadeln und die Verfärbungen. Zuerst hat es viele Stimmen gegeben, die meinten, das sei alles doch theoretisch ganz anders und gar nicht so schlimm. Doch immer wieder ist einer hin und hat sich die Nadeln angeschaut – das waren Leute, die hatten im Leben noch keine Fichte angefasst."
Göppels Demonstration verfehlte nicht ihre Wirkung: Als 1982 Helmut Kohl Kanzler wurde, habe sich die Junge Union vehement dafür eingesetzt, dass etwas gegen das Waldsterben getan werde, sagt Göppel.
„Für mich ist das heute noch ein kleines Wunder, dass das Thema sogar in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, und später Entschwefelungs- und Entstickungsanlagen in die Kraftwerke eingebaut wurden."
Aber es gab noch ein anderes Thema, das den Förster und Lokalpolitiker Göppel damals bewegte: die Atomkraft. Es habe kein Erweckungserlebnis gebraucht, um ein Gegner zu werden, sagte er später einmal.
„Meine Ablehnung hat sich vor allem auf die unsichere Endlagerung gerichtet. Mich versetzte die Vorstellung in Angst, dass der Müll Jahrtausende lang strahlen würde. An Unfälle habe ich eigentlich nicht in erster Linie gedacht. Das Bewusstsein für das Risiko kam erst richtig nach Tschernobyl."
Göppel war jedoch bald klar, dass es eine andere, sicherere Energieform braucht. 1986 initiierte er als Mitglied des Bezirkstags Mittelfranken ein Solarenergie-Projekt in einem landwirtschaftlichen Ausbildungszentrum.
Eine visionäres Vorhaben zu dieser Zeit: „Da gab es Leute, die ganz vorsichtig ihren Finger auf die Solarzelle gelegt haben und nicht wussten, ob sie gleich einen elektrischen Schlag bekommen. Die Technik war eben noch völlig neu", erinnert sich Göppel schmunzelnd.
Auch mit einer weiteren Idee war er seiner Zeit voraus: Ebenfalls 1986 gründete Göppel den Landschaftspflegeverband Mittelfranken. Dessen Ziel war, angesichts intensiver Landwirtschaft ein Netzwerk von Biotopen aufzubauen, in denen wildlebende Tiere und Pflanzen ihren Lebensraum behalten sollen. Dazu mussten jedoch Naturschützer und Landwirte an einen Tisch gebracht, ihre gegensätzlichen Interessen überbrückt werden, das war Göppel bewusst. Doch wie?
„Die Idee kam mir – natürlich – im Wald. Plötzlich wusste ich, dass ich die Politik dazuholen musste. Durch eine Drittelparität im Verein – Landwirte, Naturschützer und Kommunalpolitiker – entsteht eine Gruppendynamik, die nicht einfach in Gegnerschaft enden kann, sondern Kompromisse fördert", erläutert Göppel. Er behielt Recht. Und: Die Idee setzte sich durch. Heute gibt es in Deutschland mehr als 150 Landschaftspflegeverbände, die sich nach dem Vorbild des von Göppel ins Leben gerufenen Vereins gegründet haben.
Doch so erfolgreich er mit solchen Ideen war, in seiner Partei wurde der Naturschützer und Atomkraftgegner lange eher mit Argwohn beäugt oder belächelt. „Es war schon eine Ausgrenzung", gibt Göppel offen zu. „So oft habe ich diese Formulierung gehört: ‚Die Meinung eines Einzelnen' – und gemeint war eigentlich ‚dieser Trottel'."
Entmutigen lässt er sich nicht. Auch Zweifel, auf dem richtigen Weg zu sein, habe er nie gehabt, so der Abgeordnete im Rückblick. „Nein, ich hatte die Förster, meine Kollegen, die mich immer bestärkt oder mit Argumenten versorgt haben. Ich war so etwas wie ihr politischer Arm."
Aber auch an der Parteibasis kam Göppels betonte Umweltpolitik an. 1991 kandidierte er für den Vorsitz des CSU-Arbeitskreises „Umweltsicherung und Landesentwicklung".
Zwei andere, eher die klassische Parteilinie vertretende Kandidaten traten auch an. Doch der Gewinner hieß letztlich Göppel: „Die Basis wollte jemanden, der klare Kante zeigt – und das ist mir irgendwie auf den Leib geschnitten."
Klare Kante für Umweltschutz und Energiewende zeigen, das ist den darauffolgenden Jahren sein Motto geblieben: 1994 zog Göppel für den Wahlkreis Ansbach-Süd in den Bayerischen Landtag ein. Acht Jahre war er dort Mitglied in den Ausschüssen für Landesentwicklung und Umweltfragen sowie Landwirtschaft und Forsten. Von 1999 bis 2002 arbeitete er zudem in der Enquete-Kommission „Neue Energiepolitik" mit.
2002 kandidierte Göppel dann für den Bundestag. Mit Erfolg: Er erhielt 56,4 Prozent der Stimmen im mittelfränkischen Wahlkreis Ansbach-Weißenburg-Gunzenhausen und konnte als Direktkandidat ins Parlament einziehen – wie auch später bei den Bundestagswahlen 2005 und 2009.
In Berlin war Göppel sich und seinen umwelt- und energiepolitischen Zielen treu – auch wenn das mitunter bedeutete, gegen die eigene Fraktion zu stimmen. 2004 etwa unterstützte er als Einziger in der CSU das Erneuerbare-Energien-Gesetz der rot-grünen Koalition. 2010 war er einer von nur fünf Unionsabgeordneten, die gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke votierten.
Doch: „Ich war mir sicher, dass die Verlängerung nicht lange hält." Göppel behielt Recht: Nur ein halbes Jahr später, im März 2011, bebte in Japan die Erde und im Atomkraftwerk Fukushima kam es zur Kernschmelze. Eine Katastrophe, die die Regierung in Deutschland zur Kehrtwende in der Ausstiegsfrage veranlasste: Im Juni 2011 beschloss der Bundestag mit der Mehrheit aller Fraktionen bis auf die Stimmen der Linken bis 2022 alle Meiler abzuschalten.
Eine Entscheidung, die Göppel froh macht. Schließlich waren Atomausstieg und Energiewende sein großes Ziel, seine politische Mission – der Grund, weshalb er überhaupt vor fast vierzig Jahren begonnen hatte, sich zu engagieren.
„Ich wollte höchstens zehn Jahre Politik machen. Ich dachte, wenn die Umweltgedanken von alleine laufen und auf breiter Ebene verankert sind, dann geh ich wieder als Förster zurück in den Wald. Aber ich habe gemerkt, dass es länger dauert."
Und seine Mission ist noch immer nicht erfüllt: Die Energiewende, die das Monopolsystem der Energieriesen beende und die Stromversorgung dezentralisiere, sei längst noch nicht sicher, so der CSU-Politiker.
„Es kann passieren, dass sich die alten zentralistischen Großstrukturen unter dem Mantel der erneuerbaren Energien wieder verfestigen", warnt er. Noch sei es längst kein „Allgemeingut, dass wir in Zukunft 20 Millionen Kraftwerke haben werden und nicht acht". Josef Göppel wird wohl noch ein Weilchen in der Politik bleiben müssen. (sas)