Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Oktober 2011 > Nanotechnologie in der Diskussion
Die Verbraucher nur unzureichend geschützt sah Monika Büning von der Verbraucherzentrale Bundesverband: „Das ist ein Problem, weil das Recht auf Wahlfreiheit durch fehlende Kennzeichnung nicht gewährleistet wird.“ Den pauschalen Vorwurf, dass der Bundesverband ein zentrales Register für alle in Umlauf gebrachten Produkte auf Basis der Nanotechnologie fordere, weil die Verbraucher davor gewarnt werden sollen, wies Büning zurück. „Es geht lediglich um Informationen.“ In Frage stellte Monika Büning den sorglosen Einsatz von Nanosilber, der Auswirkung auf die Umwelt und damit unter Umständen auf die Gesundheit der Verbraucher habe. „Als Desinfektionsmittel in Krankenhäusern ist es nötig, aber nicht in jeder Socke oder in Spülmitteln.“
Jurek Vengels vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland forderte eine eigenständige Risikobewertung für Nanoprodukte, die über partielle Betrachtungen hinausgehen müsse. „Die fehlt bisher“, sagte Vengels. Bestehende Gesetze wären zwar geeignet, mit Nanotechnologie versehene Produkte zu bewerten. Aber es würden spezifische Vorgaben fehlen, wie Nanomaterialen zu erfassen seien. Produkte, bei denen es Zweifel gebe, sollten daher unter Umständen wieder vom Markt genommen werden, solange der Verbraucher keine Wahlfreiheit habe. Auch Vengels forderte wie seine Vorrednerin ein Produktregister und kritisierte, dass „versprochene Durchbrüche“ bisher ausgeblieben seien. Entsprechende Forschungsmittel wären nur zu einem kleinen Teil in für die Gesellschaft nützliche Bereiche - zum Beispiel gegen den Klimawandel - geflossen.
Dr. Hans-Jürgen Klockner vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) erläuterte, dass industriell feinteilige Stoffe seit Mitte des 19. Jahrhunderts hergestellt werden. Auch natürliche Phänomene wie der Lotuseffekt würden auf Nanobasis beruhen. „Die Testung auf gefährliche Eigenschaften muss einzelfallbezogen sein“, sagte Klockner, „denn Nano ist nicht per se gefährlich.“ So würden zum Beispiel in der Kosmetik ohnehin besondere Vorschriften gelten, die Verschärfungen bestehender Gesetze und Verordnungen oder gar ein eignes Nano-Gesetz nicht erforderlich machen würden. Ein „sektorenübergreifendes Register“ lehnte der VCI ab, weil dadurch eine Botschaft der Gefahr gesendet würde. „Außerdem gibt es bereits genügend Informationswege“, so Klockner.
„Neunzig Prozent der denkbaren Anwendungsfelder der Nanotechnologie befinden sich noch in der Grundlagenforschung“, sagte Wolf-Michael Catenhusen, Mitglied im Deutschen Ethikrat. Er machte deutlich, dass eine Risikoforschung betrieben werden müsse, „die auf Fakten und Erkenntnissen beruht, nicht auf Vermutungen“. „Verbrauchernahe Produktgruppen werden ohnehin kennzeichnungspflichtig sein“, meinte Catenhusen. Produkte, die unmittelbar in Berührung mit den Menschen kommen, würden entsprechend ausgewiesen werden müssen.
Die Toxikologin Prof. Dr. Heidi Foth Institut für Umwelttoxikologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sprach sich dafür aus, dass eine Bewertung von Fall zu Fall vorgenommen werden müsse. „Das Neue der Materialien ist ihre Größendimension“, sagte sie. Diese Stoffe müssen nicht mehr gelöst sein, um in den menschlichen Körper gelangen zu können. Die Nanopartikel würden abgesehen von der Größe auch neue Eigenschaften erwerben, zum Beispiel in der Farbgebung. Für gefährlich schätzte Foth jene Materialien ein, die ungeplant aufgenommen werden könnten.
Für Birgit Huber vom Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW) stellt die Nanotechnologie kein neues Thema dar. Nach einer seit 2009 geltenden EU-Regelung werde die Anwendung nach Vorschrift umgesetzt. So werde die Sicherheit kosmetischer Fertigprodukte ab 2013 bei Zulassungsverfahren für Stoffe „notifiziert“, die als Nanopartikel gelten. Ohnehin müssten alle Inhaltsstoffe in kosmetischen Mitteln aufgelistet werden. „Stoffe mit Nanopartikeln werden mit Nano extra gekennzeichnet.“ Nanosilber werde von der Kosmetikindustrie nicht eingesetzt, versicherte sie.
„Aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft ist die Nanotechnologie ein in die Zukunft gerichtetes Thema“, bewerte Dr. Sieglinde Stähle vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde das Potenzial der Nanotechnologie. Nach ihrer Aussage sei die Anwendung im Bereich der Verpackungsmaterialien von Bedeutung: „Zum Beispiel das Titannitrid als Komponente der Pet-Flaschen.“ Als Zusatzstoffe von Lebensmitteln gebe es Anwendungen, „nur in geringem Maße“. Stähle erklärte, dass die Lebensmittelsicherheit immer unabdingbare Voraussetzung sei. So gelte für die Anwendung der Nanotechnologie ein grundsätzliches Verbot, wenn nicht in einem Verfahren nach behördlicher Prüfung eine Erlaubnis erteilt würde. „Nanozutaten müssen im Lebensmittelbereich mit der Vorsilbe Nano gekennzeichnet werden“, sagte Stähle.
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