Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Januar 2012 > Öffentliches Fachgespräch: Effekt von Studiengebühren auf Studienbereitschaft umstritten
Die Frage der Studienfinanzierung spiele bei der Entscheidung für oder gegen ein Studium eine wichtige Rolle, sagte Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund. So sagten 69 Prozent derer, die auf ein Studium verzichteten, dass die Finanzierung ein entscheidendes Kriterium gewesen sei. Auch Christoph Heine vom HIS Hochschul-Informations-System betonte, dass die Kosten einen hohen Einfluss auf die Studienentscheidung hätten. Zwei unterschiedlichen Studien des HIS zufolge sei die Studierbereitschaft aufgrund von Gebühren gesunken. Es habe eine „länderübergreifende Verunsicherung“ gegeben – und zwar auch dort, wo keine Gebühren eingeführt worden seien.
Dagegen sagte Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Studiengebühren hätten keinen Einfluss auf die Studienneigung. Wie eine entsprechende Studie des WZB ergeben habe, gilt das auch für nicht-akademische Haushalte. Jedoch sei festzustellen, dass sich mit Erhöhung der Kosten die Ertragserwartungen der Studenten an ihr Studium erhöht hätten.
Studiengebühren wirkten abschreckend und seien sozial selektiv, widersprach Bernhard Börsel, Referatsleiter Studienfinanzierung und Bildungspolitische Fragen beim Deutschen Studentenwerk. Dieser Meinung schloss sich Erik Marquardt vom „Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften“ an. Bildung sei ein Menschenrecht, das der Staat sicherstellen müsse, forderte er.
Zwar hätten Studiengebühren lediglich Einfluss auf einen niedrigen Prozentsatz der breiten Masse von Studienberechtigten, meinte Michael Hartmann, Professor für Elite- und Organisationssoziologie an der Technischen Universität Darmstadt. Jedoch läge der Einfluss im kleinen Segment – etwa bei Frauen aus Arbeiterfamilien – im hohen zweistelligen Prozentbereich. Zudem wirkten Studiengebühren in Höhe von 500 Euro nicht unbedingt abschreckend, jedoch bestehe immer die Gefahr einer Erhöhung. Als Beispiel nannte Hartmann Großbritannien: Hier seien die Studiengebühren von anfangs 1000 Pfund auf durchschnittlich 8000 Pfund gestiegen.
Bayern sei trotz Studiengebühren weiterhin ein Zuzugsland für Studenten, betonte Wolfgang Heubisch (FDP), bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Zudem seien die Studiengebühren sozial verträglich: Rund ein Drittel der Studierenden ist laut Heubisch von den Gebühren befreit, darüber hinaus gebe es das Modell der nachgelagerten Studienbeiträge. Hierbei hätten die Studierende die Möglichkeit, die Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie nach dem Studium einen Arbeitsplatz und eine bestimmte Einkommensgrenze erreicht haben.
Wie Andreas Schleicher von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sagte, haben sich nachgelagerte Studiengebühren im europäischen Vergleich positiv ausgewirkt. Jedoch reichten nachgelagerte und einkommensabhängige Darlehen allein nicht aus. Daneben müsse es nach sozialen Kriterien differenzierte, nicht zurückzuzahlende Leistungen geben.
Nicht die Studiengebühren an sich seien das Problem, sondern der „Block der Studienfinanzierung insgesamt“, meinte Christiane Konegen-Grenier vom Institut der deutschen Wirtschaft. Das aktuelle System unterstütze Studierende aus hochschulfernen und einkommensschwachen Schichten nicht ausreichend. Als Lösung nannte sie gezieltere Förderung statt kostenfreies Studium. Mathias Winde vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft betonte die Wichtigkeit von Studiengebühren: Das Geld werde an den Hochschulen benötigt.
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