Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > November 2012 > Stoiber verlangt mehr Tempo beim Bürokratieabbau
Ein entscheidender Aspekt beim Bürokratieabbau sei seine „politische Dimension in der gegenwärtigen Akzeptanzkrise Europas“, sagte Stoiber in seinem Bericht. Nach den Währungsfragen sei der nach wie vor zunehmende Regelungsdruck eine wichtige Ursache für diese negative Entwicklung. 43 Prozent der Bundesbürger würden mit der EU vor allem Bürokratie verbinden. Allerdings sei das Verhalten der Bürger und auch der Unternehmen widersprüchlich: Auf der einen Seite werde Bürokratie beklagt, und auf der anderen Seite würden besonders nach Katastrophen und Krisen „neue Regelungen zur Verbesserung des Lebens geradezu eingefordert“. Im Verbraucherschutz, bei der Lebensmittelsicherheit oder im Umweltrecht sei nicht mehr der mündige Bürger das Leitbild, sondern der vor sich selbst zu schützende Bürger: „Dieser möchte Entscheidungen möglichst abgenommen bekommen oder zumindest ganz einfache Hilfen haben, wie die sogenannte Ampel im Lebensmittelbereich bei der Frage, was gesund für ihn ist.“ Stoiber appellierte deshalb: „Wir müssen deutlich machen, dass Europa nicht der Moloch Bürokratie ist.“
Der Bürokratieabbau ist aber nach Angaben von Stoiber auch aus einem anderen Grund wichtig. Viele kleine Unternehmen würden sich von der Fülle der Vorschriften überfordert fühlen. Die von ihm geleitete „High Level Group“ zum Bürokratieabbau habe seit 2008 weit über 300 Vorschläge mit einem Einsparvolumen von rund 41 Milliarden Euro gemacht. Maßnahmen mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro seien bereits auf EU-Ebene beschlossen worden. Stoiber verwies auf die Ersetzung von Mehrwertsteuerrechnungen in Papierform durch elektronische Rechnungen, was allein 18,4 Milliarden Euro spare. Außerdem bringe die Befreiung kleiner Unternehmen von den europäischen Bilanzierungsvorschriften ein europaweites Entlastungspotenzial von drei Milliarden. Mit den noch offenen Vorschlägen in Höhe von zehn Milliarden Euro werde die EU-Kommission ihr Abbau-Ziel von 25 Prozent nicht nur erreichen, sondern sogar übertreffen, erklärte Stoiber.
Als weiteres wichtiges Betätigungsfeld seiner Arbeitsgruppe nannte Stoiber die Umsetzung europäischer Vorschriften in das jeweilige nationale Recht. Er kritisierte, dass es in Brüssel keine zentralen Übersichten (zum Beispiel Datenbanken) gebe, wie Richtlinien in den einzelnen Ländern umgesetzt würden. Auch der grenzüberschreitende Erfahrungsaustausch sei zu gering. So habe zum Beispiel das Bundesverkehrsministerium keine Erkenntnisse darüber, wie im Ausland Großprojekte wie der Bahnhofsneubau „Stuttgart 21“umgesetzt würden.
Der Vorsitzende des deutschen Normenkontrollrates, Johannes Ludewig, würdigte die „hilfreiche Arbeit“ der Stoiber-Kommission, weil Bürokratiekosten bei der Brüsseler Gesetzgebung früher kein Thema gewesen seien. Nach Ludewigs Angaben sind 50 Prozent der Bürokratie in Deutschland „brüsselbedingt“. Der Unternehmensberater Roland Berger erinnerte daran, dass die Frage nicht heißen dürfe, Bürokratie ja oder nein, sondern wie hoch das Maß der Bürokratie sei.
Die CDU/CSU-Fraktion verwies auf Fortschritte. Es werde heute nicht mehr nur über Bürokratieabbau geredet, sondern über die Gestaltung von schlanker und besserer Rechtssetzung. Es gebe einen „Bedarf an Bürokratie, aber nicht an überbordender Bürokratie“, erklärte der Sprecher, der nach deutschem Vorbild die Einrichtung eines Normenkontrollrates in Brüssel forderte.
Auch die SPD-Fraktion bekräftigte das Ziel, überflüssige Bürokratie abzubauen. In Europa und auch in Deutschland gebe es großen Bedarf, Verwaltungshandeln zu vereinfachen und Transparenz herzustellen. Manchmal gebe es aber auch Probleme wegen fehlender Verwaltung, wie etwa in Griechenland. Darauf verwies auch die Fraktion Bündnis 90/die grünen. Es gebe Länder, die mehr Staatlichkeit brauchen würden.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangte zudem Planungssicherheit und durchschaubarkeit für Großprojekte. Die Linksfraktion kritisierte in Stoibers Bericht eine unzureichende Wahrnehmung der Realität in Europa. So gehe es zwar ausführlich um die Probleme der Unternehmer, aber auf andere Berufe wie Ärzte und Altenpfleger sei nicht geachtet worden. Außerdem gebe es in einigen Bereichen sicher zu wenig Regulation. Als Beispiel nannte der Sprecher der Linksfraktion die Finanzmärkte, wo in den vergangenen zehn Jahren viel zu viel Regulation abgebaut worden sei.
Die FDP-Fraktion stellte fest, zu den bisherigen staatlichen Ebenen Bund, Länder und Kommunen sei durch die europäische Integration eine weitere hinzugekommen. Man werde nicht umhinkommen, sich über den Wegfall einer Ebene unterhalten zu müssen. Das werde nicht die kommunale Ebene sein, sagte der Sprecher der FDP-Fraktion mit Blick auf die Bundesländer.
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