Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Dezember 2012 > Scharfe Kritik an Thüringer Sicherheitsbehörden
Laut Schäfer wusste das LKA etwa aufgrund von Observationen sowie Auto- und Hausdurchsuchungen schon seit Mitte der neunziger Jahre von der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Jenaer Gruppe. Die nach deren Verschwinden beauftragten Zielfahnder des LKA hätten das rechtsextreme Milieu, in dem sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bewegten, nicht gekannt. Observationen oder die rechtsstaatlich teils fragwürdigen Telephonüberwachungen seien „ungeordnet“ verlaufen, bemängelte Schäfer. Nach seinen Angaben sprachen sich Richter und Staatsanwälte 2001 angesichts der dünnen Beweislage gegen das Trio im Zusammenhang mit der Suche nach den Verantwortlichen für drei in Thüringen aufgetauchte „zündfähige, aber nicht zündfertige“ Bomben gegen weitere Maßnahmen aus.
Wache warf der Polizei handwerkliche Fehler bei der Durchsuchung von drei Garagen Ende Januar 1998 in Jena vor, die eventuell als Herstellungsort der Bomben in Frage kamen und die teils von Böhnhardt, teils von Zschäpe angemietet waren. Die Inspizierung jener Garage, in der schließlich TNT-Sprengstoff entdeckt wurde, verzögerte sich um mehrere Stunden, weil die Polizisten erst bei der Feuerwehr das nötige Gerät zum komplizierten Öffnen der Tür besorgen mussten. Zuvor durfte sich der anwesende Uwe Böhnhardt mit Zustimmung der Beamten entfernen, was er mit seinen Kumpanen zum Untertauchen nutzte. Schäfer betonte, dass es vor dem Auffinden des Bombenmaterials „keinen Rechtsgrund“ für eine Festnahme Böhnhardts gegeben habe.
Scharf kritisierte Schäfer das LfV. Der Geheimdienst habe von seinen Quellen mehrfach Hinweise auf den Aufenthaltsort des Trios nach dessen Abtauchen erhalten. Auch habe man erfahren, dass sich die Gruppe in der rechtsextremen Szene um Hilfe bei der Suche nach Waffen bemüht habe und dass sich die Zelle mit geborgten Ausweispapieren anderer Leute habe ausstatten wollen. Das LfV habe zudem gewusst, dass das Trio lange Zeit im rechtsextremen Milieu über Geldmangel geklagt, eines Tages indes Spenden abgelehnt habe, „weil die jetzt ihre eigene Sache machen“, wie es in der Szene hieß – aus Schäfers Sicht hätte man mit diesem Wissen eine Brücke zu diversen Banküberfällen, die inzwischen dem NSU zugerechnet werden, schlagen können. Überdies habe der Militärische Abschirmdienst herausgefunden, dass sich die Gruppe auf der Ebene des Rechtsterrorismus bewege. Der im LfV zuständige Auswerter habe jedoch viele dieser Meldungen gar nicht erhalten, und das, „was der bekam, hat er nicht ausgewertet“, klagte Schäfer. Fast alle Informationen seien „im SchoÓ des LfV geblieben, an das LKA sei gar nichts, an das Bundesamt für Verfassungsschutz wenig weitergeleitet worden.
Vor der Anhörung Schäfers, Waches und Meiborgs traf sich der Ausschuss mit der Bund-Länder-Kommission, die Vorschläge für eine Reform der Sicherheitsarchitektur erarbeitet. Auf der Basis eines Zwischenberichts kündigten der Hamburger Ex-Innensenator Heino Vahldieck, der frühere Mainzer Innenminister Karl Peter Bruch, der Münchner Rechtsanwalt Eckhart Müller und der ehemalige Bundesanwalt Bruno Jost an, dass nach ihren Vorstellungen der Generalbundesanwalts mehr Möglichkeiten erhalten solle, in Fällen, die der NSU-Affäre ähnlich seien, die Ermittlungen an sich zu ziehen. Der Quellenschutz bei V-Leuten soll künftig nicht mehr absolut, sondern nur noch in abgestufter Form greifen. Die föderale Struktur des Verfassungsschutzes will die Kommission erhalten, doch müsse es einen besseren Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden geben.
Für Freitag dieser Woche hat der Ausschuss Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Zeugen geladen, der von 2005 bis 2009 Bundesinnenminister war.
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