26. November 2012
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Der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" soll in der kommenden Legislaturperiode ein gleichnamiger ständiger Ausschuss folgen. Bei dieser Forderung, die in den Handlungsempfehlungen der Projektgruppe "Demokratie und Staat" enthalten ist, herrschte unter den Mitgliedern der Enquete-Kommission während der Sitzung unter Vorsitz von Axel E. Fischer (CDU/CSU) am Montag, 26. November 2012, Einigkeit.
"Wir brauchen den Ausschuss"
Es gehe darum, das Thema weiter zu bündeln und sichtbar zu machen, "dass sich der Bundestag damit strukturell auseinandersetzt", sagte Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender der Projektgruppe, zur Begründung. "Wir brauchen den Ausschuss, damit die Empfehlungen der Enquete-Kommission in die Tagespolitik umgesetzt werden", ergänzte Jimmy Schulz (FDP), der zugleich das Arbeitsklima der Projektgruppe lobte und dabei den "Zug zum Konsens" hervorhob.
Diesem Lob schloss sich auch Ansgar Heveling (CDU/CSU) an. Die Arbeit sei "auf den Konsens orientiert gewesen", sagt er. Dass es dennoch unterschiedliche Schlussfolgerungen gebe, sei ganz natürlich. Halina Wawzyniak (Die Linke) stellte fest, dass auch für Außenstehende der Stand der Arbeit bei der Projektgruppe "gut nachvollziehbar" gewesen sei.
Anonymität oder Pseudonyme sind essenziell
Projektgruppenleiter von Notz zeigte sich besonders erfreut darüber, dass man sich auch in der Frage der Anonymität auf ein gemeinsames Fazit habe einigen können. In der Bestandsaufnahme wird darauf verwiesen, dass die anonyme oder pseudonyme Nutzung des Internets "essenziell" für die freie Meinungsäußerung in einer digital vernetzten Demokratie sei. "Das ist eine wegweisende Feststellung", urteilte der Abgeordnete der Grünen.
Neben den Übereinstimmungen bei der Bestandsaufnahme, dem Bericht zur Bürgerbeteiligung und weiten Teilen der Handlungsempfehlungen habe es aber auch Bereiche gegeben, in denen es keine Einigung innerhalb der Projektgruppe gegeben habe, sagte von Notz. Das gelte vor allem für die Bereiche Informationsfreiheit und Open Data. Im Falle der Informationsfreiheit bestehe der Dissens in der Frage, ob die Nichtveröffentlichung durch Behörden begründet werden müsse oder die Forderung nach Veröffentlichung durch die Bürger.
Paradigmenwechsel zur Veröffentlichungspflicht gefordert
In den mit der Koalitionsmehrheit verabschiedeten Empfehlungen wird dafür plädiert, "vorliegende Vorschläge für Verbesserungen sorgfältig zu prüfen und auszuwerten". Die Opposition will in dieser Frage weiter gehen. "Wir sprechen uns hier für einen Paradigmenwechsel hin zu einer proaktiven Veröffentlichungspflicht aus", stellte von Notz klar. Zugleich sollten seiner Ansicht nach Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages nach Ablauf von sechs Monaten unter freie Lizenz gestellt werden.
Die Forderung der Grünen, der Informationsfreiheit Verfassungsrang zuzubilligen, stieß bei dem Sachverständigen Prof. Wolfgang Schulz auf Bedenken. Zwar teile er grundsätzlich das Anliegen. "Das Ganze sollte aber vorher nochmal in die Prüfschleife", befand Schulz. Für den Paradigmenwechsel bei der Informationsfreiheit sprach sich auch Gerold Reichenbach (SPD) aus. Es dürfe nicht an dem alten "obrigkeitsstaatlichen Grundsatz" festgehalten werden, dass begründet werden muss, "wenn man dem Bürger etwas mitteilt, statt wenn man ihm etwas nicht mitteilt".
Der Zwischenbericht der Projektgruppe Demokratie und Staat, dessen erster Teil bereits am 25. Juni 2012 beschlossen worden war, ist nun vollständig beraten.
Gutachten zum Thema "Green IT - Nachhaltigkeit"
Im zweiten Teil der Sitzung ging es um die Ergebnisse der Projektgruppe Wirtschaft, Arbeit, Green IT. Zunächst stellten Prof. Dr. Klaus Fichter und Dr. Ralph Hintemann vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit das durch die Projektgruppe in Auftrag gegebene Gutachten zum Thema "Green IT - Nachhaltigkeit" vor. Ihre Empfehlungen umfassen den Aufbau eines nationalen Green IT-Monitorings und den Start einer gemeinsam von Bundesregierung, IKT-Wirtschaft sowie großen Rechenzentrumsbetreibern getragene Initiative "Klimaneutrale Rechenzentren für Deutschland". Das Ziel der Initiative sollte es sein, zumindest die rund 500 mittleren und großen Rechenzentren in Deutschland, die rund 40 Prozent aller Server betreiben, bis 2015 klimaneutral zu stellen. Außerdem wird die Ausweitung der Forschung zu so genannten Reboundeffekten der IKT, die Förderung von IKT-Bereichen mit geringer Reboundgefahr und die Festlegung konkreter Reduktionsziele für Deutschland für die einzelnen "Green durch IT"-Felder empfohlen.
Beratung des Zwischenberichts Wirtschaft, Arbeit und Green IT
Im Anschluss berieten die Enquete-Mitglieder den Zwischenbericht der Projektgruppe. Dieser ist in die drei Teile Wirtschaft, Arbeit und Green IT gegliedert. Entsprechend der üblichen Verfahrensweise berieten auch hier die Mitglieder zunächst jeweils die Bestandsaufnahme, dann die Handlungsempfehlungen, sowie erst die konsensualen Teile, dann streitig gestellte Passagen.
Förderung von Gründungswilligen und Selbstständigen
Im Bereich Wirtschaft sprach sich die Kommission einhellig dafür aus, die Rahmenbedingungen für Innovationsfähigkeit zu verbessern und eine steuerliche Forschungsförderung einführen. Diese sei "aus Sicht der Enquete-Kommission unverzichtbar und sollte in Deutschland ergänzend zur bestehenden Forschungsförderung rasch umgesetzt werden." Neben Unternehmen sollen auch Gründerinnen und Gründer gefördert werden. Bestehende Förderinstrumente sollen erhalten bleiben beziehungsweise ausgeweitet sowie Schwellen auf dem Weg in die Selbstständigkeit abgebaut werden. Beispielweise sollen auch staatliche Fördermaßnahmen mit internationaler Ausrichtung weiter fortgeführt werden, etwa ein Programm, mit dem deutsche Unternehmen auf dem US-Markt in der Startphase begleitet werden, um dort Partner, Kunden, Wagniskapital oder weitere Erfahrungswerte für den internationalen Wettbewerb zu sammeln.
Gegen Fachkräftemangel in IT-Berufen
Im Bereich Arbeit sprachen sich die Mitglieder unter anderem dafür aus, durch mehr Transparenz bei der Beschreibung konkreter Tätigkeitsfelder, durch die Gestaltung attraktiver Ausbildungsbedingungen und -inhalte den Anteil von Frauen gerade in den MINT-Fächern zu erhöhen. Neben stärkeren Bemühungen, eigene Fachkräfte in diesem Bereich auszubilden, könne auch die Entwicklung noch attraktiverer Lohn- und Arbeitsbedingungen zu einer Verminderung des Fachkräftemangels beitragen. Zur Eindämmung des Fachkräftemangels in der deutschen Wirtschaft sollen die Abbrecherquoten an Hochschulen durch die Verbesserung der Studierendenbetreuung und die Qualität der Lehre gesenkt werden. Zudem sprach man sich dafür aus, die Durchlässigkeit zwischen der beruflichen und der hochschulischen Bildung zu verbessern.
Für ein "Recht auf Nichterreichbarkeit und Nicht-Reaktion"
Die Enquetemitglieder folgten auch der Empfehlung der Projektgruppe, den selbstverantwortlichen Umgang mit den neuen Freiheiten orts- und zeitflexibler Arbeit als wichtiges Element digitaler Medienkompetenz zu betrachten. Sie soll "zum Gegenstand verstärkter Qualifikationsbemühungen in der schulischen, universitären und beruflichen Aus- bzw. Weiterbildung werden". Sofern diese Anstrengungen nicht zum Erfolg führen, so empfiehlt die Enquete weiter, soll der Gesetzgeber prüfen, ob ein "Recht auf Nichterreichbarkeit und Nicht-Reaktion" im Arbeitszeitgesetz verankert werden sollte. Es soll dann einsetzen, wenn Höchstarbeitszeiten überschritten sind oder die Voraussetzungen für Ruhepausen und -zeiten vorliegen.
Keine gemeinsame Handlungsempfehlung zum Breitbandausbau
Auf keine gemeinsame Empfehlung konnte sich die Enquete hingegen zum Thema Breitbandausbau einigen. Unter der Überschrift "Eine zukunftsfähige Infrastruktur schaffen" lagen drei Alternativtexte vor, von denen in der Abstimmung keiner eine Mehrheit erzielen konnte. Die drei Entwürfe gehen nun voraussichtlich als so genannte Sondervoten in den Bericht ein. Das betrifft auch gemeinsame Anträge der Oppositionsfraktionen zu betrieblicher Mitbestimmung in virtuellen Strukturen und zum Beschäftigtendatenschutz.
Siebter und achter Zwischenbericht
Bei den Zwischenberichten Demokratie und Staat beziehungsweise Wirtschaft, Arbeit, Green IT handelt es sich um den siebten und achten Zwischenbericht. Sechs weitere Berichte werden noch folgen. (hau/kfo)
Die Aufzeichnung der 18. Sitzung der Enquete-Kommission steht als Video und zum Download zur Verfügung.