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Wenn das neue Kräfteverhältnis im Parlament feststeht, wird der Plenarsaal umgebaut. © DBT/Nowak-Katz
Das Volk entscheidet in der Regel alle vier Jahre über die Zusammensetzung des Bundestages. Das Grundgesetz bestimmt, dass die Abgeordneten in "allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl" gewählt werden. "Allgemein" bedeutet, dass alle Staatsbürgerinnen und -bürger mit Vollendung des 18. Lebensjahres wählen dürfen. "Unmittelbar" sind die Wahlen deswegen, weil die Abgeordneten direkt und ohne zwischengeschaltete Wahlmänner von den Bürgern bestimmt werden.
Unter "freien" Wahlen versteht man, dass kein irgendwie gearteter Druck auf die Wähler ausgeübt werden darf. "Gleich" bedeutet, dass jede abgegebene Stimme das gleiche Gewicht für die Zusammensetzung des Bundestages hat. "Geheim" besagt, dass jeder so wählen können muss, dass andere nicht erfahren, was er gewählt hat.
Bei der Bundestagswahl kann jeder Wähler zwei Stimmen abgeben. Die eine Hälfte der Bundestagsmandate wird direkt über die 299 Wahlkreise vergeben, die andere Hälfte über die Landeslisten der Parteien. Entsprechend hat jeder Wähler und jede Wählerin bei der Bundestagswahl zwei Stimmen. Über die Entsendung von Abgeordneten aus den Wahlkreisen entscheidet die Erststimme. Der Wähler wählt damit also seinen regionalen Vertreter im Bundestag.
Mit der Zweitstimme wird eine Partei gewählt. Die Zweitstimme entscheidet darüber, in welchem Kräfteverhältnis die Parteien im Bundestag vertreten sind. Insgesamt werden so mindestens 598 Abgeordnete des Bundestages gewählt. Hinzu kommen unter Umständen noch Überhang- und Ausgleichsmandate, die sich bei der Verteilung der Sitze ergeben können.
Die 598 Sitze werden unter den Parteien verteilt, die mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen oder mindestens drei Direktmandate errungen haben. Jede dieser Parteien erhält im Verhältnis zu ihren errungenen Wählerstimmen Sitze im Bundestag. Bei der Berechnung wurde vor 2009 das Hare/Niemeyer-Verfahren angewendet, das auch die kleineren Parteien möglichst proportional zu ihrer Stärke berücksichtigt. Erstmals zur Bundestagswahl 2009 wurde jedoch das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers angewendet. Dies hatte der Bundestag am 17. März 2008 beschlossen, als er einer Änderung des Bundeswahlgesetzes zustimmte.
Aufgrund von Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundestag das Bundeswahlgesetz am 21. Februar 2013 erneut geändert und ein neues Verfahren zur Berechnung der Sitzverteilung eingeführt. Beibehalten wird das Wahlsystem der personalisierten Verhältniswahl, in dem die Personenwahl im Wahlkreis (Erststimme) nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl mit der Verhältniswahl nach Landeslisten der Parteien (Zweitstimmen) kombiniert wird. Geändert wurde hingegen die Umrechnung der Wählerstimmen in Mandate.
Die Wählerstimmen werden nun in zwei Verteilungsstufen mit je zwei Rechenschritten in Mandate umgerechnet, und zwar mittels des Verfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers. Im ersten Schritt wird das Sitzkontingent für jedes Bundesland in Abhängigkeit von der deutschen Bevölkerung dieses Landes bestimmt. Man teilt die Anzahl der Deutschen durch einen geeigneten Wert ("Divisor"), sodass die Sitzkontingente der Bundesländer zusammen genau 598 Sitze ergeben. Für die Bundestagswahl 2013 war dieser Divisor 124.050. Zum Beispiel wurde die Zahl von 2.154.202 in Thüringen lebenden Deutschen durch 124.050 geteilt. Gerundet ergibt dies 17 Sitze, die auf die Landeslisten der in diesem Land angetretenen Parteien verteilt werden.
Die so ermittelten Sitzkontingente der einzelnen Länder werden nun auf die Landeslisten der jeweiligen Parteien aufgeteilt. Dafür kommt es auf die Zweitstimmen an. Um die Zahl der Sitze einer Landesliste zu ermitteln, teilt man die Zweitstimmen dieser Landesliste durch einen weiteren Divisor, der wiederum nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren ermittelt wird. Für Thüringen beträgt dieser Divisor 60.000. Beispielsweise hat die CDU in Thüringen 477.283 Zweitstimmen erhalten. Geteilt durch 60.000 ergibt dies – gerundet – acht Sitze.
Anschließend wird die bundesweite Mindestsitzzahl für jede Partei ermittelt. Dafür wird für jede Landesliste einer Partei der größere von folgenden beiden Werte festgestellt: der direkt gewonnenen Wahlkreise nach Erststimmen und der ermittelten Sitzzahl nach Zweitstimmen. Dieser jeweils größere Wert ist die Mindestsitzzahl einer Partei im jeweiligen Land. Die Summe der Mindestsitzzahlen der Partei in allen Ländern ergibt die garantierte Mindestsitzzahl auf Bundesebene.
Beispiel Thüringen: Hier reichen die Zweitstimmen der CDU für acht Sitze. Gleichzeitig hat sie neun Wahlkreise direkt gewonnen. Berücksichtigt wird der höhere Wert, also neun Sitze. Der neunte Sitz ist ein sogenanntes Überhandmandat. Bundesweit ergibt sich für die CDU eine Mindestsitzzahl von 242. Die Summe der garantierten Mindestsitzzahlen aller Parteien führt zu einer Größe des Bundestages von 602 Sitzen. Das sind vier mehr als die Mindestgröße des Bundestages – 598 Sitze – vorgibt. Es sind also vier sogenannte Überhangmandate (für die CDU) entstanden. Doch es folgen noch zwei weitere Rechenschritte.
Zunächst muss der Bundestag in der Regel größer werden, damit jede Partei bei der Verteilung nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren ihre garantierte Mindestsitzzahl erhält. Gleichzeitig werden die Sitze im Verhältnis der bundesweit errungenen Zweitstimmen der Parteien verteilt. Würde man 602 Sitze nach diesem Verfahren im Verhältnis zu den jeweiligen Zweitstimmen auf die Parteien verteilen, erhielte nicht jede Partei ihre garantierte Mindestsitzzahl. Erst bei einer Gesamtzzahl von 631 Sitzen entfällt auf alle Parteien die jeweils garantierte Mindestsitzzahl.
Der geeignete Divisor ist in diesem Fall 58.420. Beispiel: Die CDU bekommt bei 14.921.877 Zweitstimmen geteilt durch 58.420 – gerundet – 255 Sitze, also 13 Sitze mehr als ihre Mindestsitzzahl von 242. Da die CSU nach diesem Verfahren 56 Sitze erhält (exakt die Mindestsitzzahl), stehen der Fraktion von CDU und CSU zusammen 311 Sitze zu. Die 13 zusätzlichen Sitze der CDU sind sogenannte Ausgleichsmandate, die erforderlich sind, um die Verteilung der Sitze im Verhältnis der Zweitstimmen zu gewährleisten und die garantierte Mindestsitzzahl für jede Partei zu wahren. Die Ausgleichsmandate sind erforderlich, damit jede Partei pro Sitze in etwa die gleiche Anzahl Zweitstimmen benötigt.
Nachdem für jede Partei die ihr bundesweit zustehende Anzahl der Sitze bekannt ist, werden diese auf die jeweiligen Landeslisten verteilt, und zwar erneut durch Teilung der Zweitstimmen durch einen Divisor. Für jede Partei wird ein eigener Divisor ermittelt. Für die Ermittlung des Divisors gilt, dass sich zum einen in der Summe genau die geforderte Sitzzahl einer Partei ergeben muss, zum anderen aber jede Landesliste mindestens so viele Sitze erhält, wie die Partei Wahlkreise gewonnen hat.
Für die CDU liegt dieser Divisor bei 59.500. Beispielsweise hat die CDU in Hessen 17 Wahlkreise direkt gewonnen und 1.232.994 Zweitstimmen erhalten. Über die Zweitstimmen stehen ihr bei Teilung durch 59.500 – gerundet – 21 Sitze zu, vier mehr, als sie Wahlkreise gewonnen hat.
Die Zahl von 631 Mandaten setzt sich also aus der generellen Mindestsitzzahl im Parlament von 598 Mandaten, vier Überhangmandaten (für die CDU), die zu einer Mindestsitzzahl bei der Wahl 2013 von 602 Mandaten führen, und 29 Ausgleichsmandaten zusammen. Von den Ausgleichsmandaten entfallen 13 auf die CDU, zehn auf die SPD, vier auf Die Linke und zwei auf Bündnis 90/Die Grünen. Lediglich die CSU bleibt ohne Ausgleichsmandat.
Das Ergebnis der Bundestagswahl bestimmt über das Kräfteverhältnis im Bundestag und damit über die Möglichkeiten der Regierungsbildung. Es können nur die Parteien die Regierung bilden, die allein oder zusammen mit anderen die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich haben. Deshalb kommt es häufig nach der Wahl zu Verhandlungen der Parteien über die Bildung einer Koalition (Quelle: www.bundeswahlleiter.de). (vom/11.10.2013)