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In wenigen Wochen jährt sich der Fall der Berliner Mauer zum 20. Mal. Viele heutige Bundestagsabgeordnete erinnern sich noch lebhaft an den 9. November 1989. Ulla Jelpke (Die Linke) hatte gemischte Gefühle beim Anblick der Fernsehbilder. Ulla Jelpke, damals Mitglied der Grünen Alternativen Liste (GAL) in Hamburg, war zu Hause an jenem Abend: "Ich war unglücklich verliebt und lag im Bett. Mit irgendeinem Fernsehprogramm wollte ich mich ablenken. Da sah ich die Bilder aus Berlin. Ich konnte es nicht fassen und dachte: In welchem Land bin ich gelandet?
Zur DDR stand ich immer kritisch solidarisch. Ich war ab und zu zum Bücherkaufen in Ost-Berlin und fand es sehr trist dort. Positiv war, dass einem nicht von jeder Litfasssäule Reklame entgegensprang.
Aber trotzdem ein Land, in dem ich nicht leben wollte, wo man für das Benutzen der falschen Toilette ein Bußgeld zahlen musste. Ich war mal auf einem Transit-Stopp auf der Lkw- statt der Pkw-Toilette. Was war das für eine Verblendung! Auch dass die Atomkraftwerke besonders 'sozialistisch sicher' seien.
Ich habe zwar vorher die Flüchtlinge und die Demonstrationen gesehen, aber die Maueröffnung kam für mich völlig überraschend. Aber es war gleich auch eine Skepsis da, was jetzt passieren würde.Einerseits konnte ich nachvollziehen, dass sich die Menschen freuten und sich wieder begegnen konnten.
Von meinem freiheitlichen Denken her empfand ich es natürlich auch gut, dass die starre Mauer, die ja kein freudiges Ereignis war, nun auf war. Damit ist aber auch eine Illusion kaputtgegangen: der reale Sozialismus als Alternative.
Gleichzeitig fürchtete ich um soziale Standards. Bislang saß bei Tarifverhandlungen in der BRD immer die DDR als unsichtbarer Dritter mit am Tisch. Dieses Gegengewicht zum Kapitalismus drohte nun wegzubrechen. Ich sah den Zusammenbruch der DDR also gleich mit gemischten Gefühlen.
Das ungute Gefühl verstärkte sich in den darauffolgenden Tagen. Der Mauerfall war an einem Donnerstag. Am Wochenende kamen dann schon die Trabis in Richtung Reeperbahn, in deren Verlängerung ich wohnte.
Dort waren Szenen zu beobachten, die total erschreckend waren. Ich sah, wie die Wessis den Ossis durch die Autofenster Bananen verteilten. Die Wessis behandelten die DDR-Bürger wie Menschen zweiter Klasse.
Meine ersten richtigen menschlichen Begegnungen mit DDR-Bürgern hatte ich, als ich für meine Vordiplomarbeit recherchierte. Ich suchte gerade ein Thema und entschloss mich, über die SED und ihren Weg zur PDS zu schreiben. So hat es mich immer wieder in die Noch-DDR verschlagen, ich traf Leute, machte Interviews, war auf vielen Kongressen, auf denen diskutiert wurde, wie es weitergehen soll, denn das war noch völlig unklar Anfang 1990.
Mein Bild von der DDR und ihrem politischen System wurde viel differenzierter. Ich erkannte, dass es viele verteidigenswerte soziale Errungenschaften gab, aber auch ebenso viele bürokratische Hemmnisse, die die Masse der Bevölkerung von ihrem Staat entfremdet hatte. Insofern hat der Mauerfall meinen weiteren politischen Weg bestimmt. Niemals wollte ich in den Bundestag, ich war in Hamburg glücklich.
Dann habe ich zusammen mit anderen mit einer Verfassungsklage erreicht, dass es für die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl im Dezember 1990 getrennte Sperrklauseln für Ost und West gab. Ich lernte auch Gregor Gysi kennen, er fragte mich: Willst du jetzt für uns im Westen kandidieren?
So bin ich in Nordrhein-Westfalen für ein Mandat im Bundestag angetreten und wurde die erste und einzige gewählte Westdeutsche auf einer westdeutschen Liste der Ostpartei.