Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2009 > SGB II
Der Bund will weniger für Wohn- und Heizkosten von Hartz-IV-Empfängern zahlen. © dpa-Report / Collage: Za
Der Plan der Bundesregierung, die Zuschüsse des Bundes zu den Unterbringungskosten von Hartz-IV-Empfängern zu senken, ist in der ersten Beratung im Plenum am Donnerstag, 26. November 2009, kontrovers diskutiert worden. Während die SPD Zustimmung zum Gesetzesvorhaben der Regierung signalisierte, übten Redner von Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke in der 30-minütigen Aussprache deutliche Kritik: Sie verwiesen auf die angespannte finanzielle Situation der Kommunen sowie die erneut gestiegenen Mehrkosten und forderten, die Bundesbeteiligung nicht zu senken. Die Linksfraktion plädierte zudem in einem Gegenantrag (17/75) dafür, die Berechnungsgrundlage der Zuschüsse zu ändern.
Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, begründete für die Bundesregierung die Gesetzesinitiative (17/41), nach der vorgesehen ist, die Bundesbeteiligung an den Wohn- und Heizkosten von Hartz-IV-Empfängern für 2010 neu festzusetzen.
Diese Anpassung sei notwendig geworden, sagte Fuchtel, weil die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, die für die Berechnung der Höhe der Bundeszuschüsse relevant ist, zwischen Juli 2008 und Juli 2009 um mehr als 0,5 Prozent gesunken sei. Deshalb beabsichtige die Regierung, die Bundesbeteiligung ab 2010 auf bundesdurchschnittlich 23,6 Prozent festzusetzen. Das entspreche 3,7 Milliarden Euro, erklärte der Unionspolitiker.
Somit komme der Bund seiner gesetzlichen Pflicht nach, die Kommunen jährlich um 2,5 Milliarden Euro bei den Unterbringungskosten von Arbeitslosen zu entlasten. Der Intervention des Bundesrates, der gefordert hatte, die Anpassungsformel so zu ändern, dass die Bundeszuschüsse sich künftig an den Ausgaben der Kommunen und nicht an der Zahl der Bedarfsgemeinschaften orientiert, erteilte Fuchtel eine Absage: "Die Bundesregierung gedenkt nicht, dem nachzukommen."
Unterstützung für diese Haltung bekam Fuchtel von der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller (SPD). Die Sozialdemokratin sagte, der Streit um die Bundeszuschüsse erinnere an das Weihnachtslied "Alle Jahre wieder". So bekannt wie seine Strophen seien auch die Argumente, die Bund und Länder "alle Jahre wieder austauschten". Dabei sei doch die Berechnung der Bundeszuschüsse nach der geltenden Anpassungsformel ein Kompromiss, der mit Zustimmung der Länder 2006 gefunden wurde.
Bund und Länder hätten damals lange miteinander gerungen, sogar "Basartechniken" seien zum Einsatz gekommen, bis man zu einer Einigung gefunden habe. Der Linksfraktion, die fordert, die Berechnungsgrundlage an den tatsächlichen Ausgaben der Kommunen auszurichten, entgegnete Lösekrug-Möller: "Eine solche Änderung der Formel ist nicht zielführend." Allerdings könne man über eine Modifikation der jetzigen Anpassungsformel nachdenken.
Kritisch äußerte sich Lösekrug-Möller hingegen zum "Kurswechsel" von Schwarz-Gelb in der Arbeitsmarktpolitik. Diese "mache einen Niedriglohnsektor auf und treibe die Menschen in die Leistungen des SGB II".
Pascal Kober (FDP) bekräftigte, seine Fraktion stehe trotz früherer Kritik an der jetzigen Berechnungsgrundlage zu dem gefundenen Kompromiss und werde den Gesetzentwurf unterstützen. "Die Kommunen sollen Planungssicherheit bekommen." Für die Zukunft aber wolle er, dass sich etwas ändere. Die Art, wie die Zuschüsse des Bundes zu den Wohn- und Unterbringungskosten von Arbeitslosen berechnet würden, sei so komplex, dass die Menschen im Land dies nicht mehr verstehen könnten, kritisierte der Liberale.
Es sei aber auch eine Frage des Respekts, dass die Menschen dies verstünden – und gerade diejenigen, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen seien. Die FDP fordere daher eine Vereinfachung und Entflechtung der Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Katja Kipping (Die Linke), Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, erinnerte daran, dass der Bund seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 den Kommunen Entlastungen versprochen habe. Seitdem aber "stehle er sich Jahr für Jahr aus dieser Verantwortung". Die Bundeszuschüsse seien mehrfach gesunken, nun von 31,2 auf 26,3 Prozent. Mehrlasten würden einfach auf die Kommunen "abgewälzt", kritisierte Kipping.
Schon jetzt fehle in Städten und Gemeinden das Geld, die erneute Senkung des Bundesanteils werde die Situation noch verschärfen. Aus diesem Grund fordere die Linksfraktion, die Berechnungsgrundlage für die Bundeszuschüsse zu ändern. "Die Größe Bezugsgemeinschaft sagt nur bedingt etwas über die Gesamtkosten aus", argumentierte die Abgeordnete und wies darauf hin, dass auch die Liberalen einmal diese Auffassung vertreten hätten: "’Die tatsächlichen Kosten müssen der Maßstab sein’, das ist das Zitat des FDP-Abgeordneten Haustein." Städte und Gemeinden dürften nicht länger im Regen stehen gelassen werden, forderte Kipping.
Dieser Meinung schloss sich auch Britta Haßelmann an (Bündnis 90/Die Grünen) an: Die finanzielle Situation der Kommunen sei so angespannt, dass sie bald schon nicht mehr ihre "Daseinsvorsorge" treffen könnten. Gerade jetzt, in der Zeit der Krise, in der die Gewerbesteuer bereits massiv eingebrochen sei und die Kommunen durch das von der Koalition geplante Wachstumsbeschleunigungsgesetz weitere Mindereinnahmen sowie erhöhte Mehrwertsteuerausgaben zu erwarten hätten, könne die Senkung der Bundeszuschüsse zu den Wohn- und Heizkosten doch nicht "der Ernst" der Regierung sein, monierte Haßelmann.
Die Kommunen müssten stattdessen unbedingt entlastet werden. Andernfalls würden diese bei den "so genannten freiwilligen Leistungen" derartig kürzen, "dass uns noch die Augen tränen werden".
Karl Schiewerling (CDU/CSU) wies die Vorwürfe der Grünen und der Linken zurück: Der Bund sei ein "verlässlicher Partner"; für 2010 stelle er insgesamt 3,7 Milliarden Euro als Bundesbeteiligung zu den Unterbringungskosten zur Verfügung. Die Berechnungsgrundlage auf die Ausgaben als Bezugsgröße umzustellen, so wie vom Bundesrat und der Linksfraktion gefordert, lehnte er ab. Bund und Länder hätten sich nach "langen Diskussionen" auf die geltende Anpassungsformel geeinigt.
Zu der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller gewandt, betonte der Unionpolitiker, dass nicht nur in der SPD, sondern auch in seiner Fraktion über mögliche Anpassungen der geltenden Formel diskutiert werde. Jetzt aber die Berechnungsgrundlage grundsätzlich zu verwerfen, sei nicht zu verantworten: "Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln – wenn wir das machen, bekommen wir nur ein noch größeres Finanzdurcheinander." Und das könne man weder den Betroffenen noch den Kommunen zumuten.