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Die Koalition will Wachstumshemmnisse beseitigen und den wirtschaftlichen Aufschwung ankurbeln. Die Opposition spricht dagegen von „Klientelpolitik“ und fürchtet, die „Schere zwischen Arm und Reich“ werde sich vergrößern. Am Freitag, 4. Dezember 2009, entschied der Bundestag nach 90-minütiger Debatte in namentlicher Abstimmung (Ergebnisse) über das umstrittene Wachstumsbeschleunigungsgesetz (17/138, 17/142, 17/147), das die CDU/CSU und FDP gemeinsam vorgelegt haben. SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen hatten bereits angekündigt, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Gegenantrag der Grünen. Änderungsanträge der Linksfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen (17/149, 17/154, 17/155, 17/158, 17/159) fanden keine Mehrheit. Abgelehnt wurde auch ein Änderungsantrag der SPD (17/148), die Altersteilzeit-Regelung, die Ende 2009 ausläuft, bis Ende 2014 zu verlängern.
Ziel der Initiative der Koalition ist es, „den Einbruch des wirtschaftlichen Wachstums so schnell wie möglich zu überwinden und neue Impulse für einen stabilen und dynamischen Aufschwung zu setzen“, heißt es im Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (17/15). Mit einem Bündel steuerlicher Maßnahmen soll nach dem Willen von Union und FDP Wachstumshemmnisse schnell und effektiv beseitigt werden.
Dazu sieht der Entwurf zum einen eine Entlastung von Familien mit Kindern vor, zum anderen sind Korrekturen an der Unternehmen- und Erbschaftsteuerreform geplant. Zur steuerlichen Entlastung und Förderung von Familien mit Kindern soll der Freibetrag für Kinder ab 2010 für jedes Kind von derzeit 6.024 Euro auf 7.008 Euro angehoben werden.
Damit auch Familien in unteren und mittleren Einkommensbereichen profitieren, soll zudem das Kindergeld ab 2010 für jedes Kind um 20 Euro ansteigen.
Auch die erst in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete Erbschaftsteuerreform soll in Teilen korrigiert werden. So ist geplant, die Steuersätze für erbende Geschwister und Neffen, die bisher in der Steuerklasse II je nach Höhe der Erbschaft von 30 bis 50 Prozent reichten und damit genauso hoch waren wie für Nicht-Verwandte in der Steuerklasse III, deutlich zu senken.
CDU/CSU und FDP schlagen jetzt Steuersätze von 15 bis 43 Prozent vor. Bei der Erbschaftsteuer im Unternehmensbereich ist geplant, dass Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten - bisher waren es zehn - nicht mehr der Lohnsummenregelung der Erbschaftsteuer unterliegen. Auch der „Behaltenszeitraum“, also die Zeitspanne, in der ein Betrieb weitergeführt werden muss, um von der Erbschaftsteuer verschont zu werden, wird von sieben auf fünf Jahre herabgesetzt.
Unternehmen sollen zudem ab 2010 bessere Abschreibungsregeln erhalten. So wäre künftig eine Sofortabschreibung von Wirtschaftsgütern bis 410 Euro möglich. Schon im Jahr der Anschaffung könnten Unternehmen damit von der Anschaffung steuerlich profitieren.
Darüber hinaus ist vorgesehen, die so genannte Zinsschranke, mit der verhindert werden sollte, dass Konzerne in Deutschland gemachte Gewinne ins Ausland verlagern, abzuschwächen. Die Freigrenze soll dauerhaft von ein auf drei Millionen Euro erhöht werden, um Unternehmen zu entlasten. Die mit einer Befristung eingeführten Verlustvorträge bei Sanierungen von Unternehmen sollen jetzt unbefristet gelten.
Auch bei Grundstücksübergängen im Zusammenhang mit Umstrukturierungen von Unternehmen sind Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer geplant. Außerdem soll auf die im Energiesteuergesetz vorgesehene Reduzierung der steuerlichen Entlastungssätze für reine Biokraftstoffe verzichtet werden.
Ein weiterer Kernpunkt des geplanten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ist eine Mehrwertsteuersenkung für das Hotelgewerbe: Um den Tourismus zu fördern, ist vorgesehen, die Mehrwertsteuersätze für Übernachtungen von 19 auf sieben Prozent zu reduzieren. Dieses Vorhaben ist aber insbesondere bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Skepsis gestoßen: Die Fraktionen bezweifeln, dass die Mehrwertsteuersenkung zu einer Konjunkturbeleben führen könnte.
Die Grünen fordern deshalb, darauf zu verzichten und stattdessen die Regelsätze für Kinder von Hartz-IV-Empfängern um 20 Euro anzuheben. In einem eigenen Antrag“ (17/16), über den der Bundestag ebenfalls am Freitag abstimmen wird, kritisiert die Fraktion grundsätzlich das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und die darin geplanten „Steuerentlastungen auf Pump“. Statt Steuergeschenken plädieren die Bündnisgrünen für Investitionen in den Klimaschutz, in Bildung und soziale Gerechtigkeit.
Auch die Fraktion Die Linke kritisiert das Gesetzesvorhaben. Sie moniert vor allem, dass die damit geplante Kindergelderhöhung nicht den Familien von Hartz-IV-Empfängern zugute kommen werde und verlangt, zumindest teilweise auf die Anrechnung des erhöhten Kindergeldes auf Hartz-IV-Leistungen zu verzichten.
Kritisch sieht sie auch die vorgesehene Erhöhung des Kinderfreibetrags: Besserverdienende profitierten davon stärker als Normalverdiener, so die Fraktion.
Widerstand kommt auch von Seiten der Länder. Angesichts der durch das Gesetz zu erwartenden Mindereinnahmen von 6,092 Milliarden Euro - wovon auf den Bund 3,869 Milliarden, auf die Länder 1,358 Milliarden und die Gemeinden 865 Millionen Euro zukommen - wächst selbst unter unionsgeführten Ländern die Kritik.
Nach Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und dem saarländischen Ministerpräsident Peter Müller haben auch Thüringens Landeschefin Christine Lieberknecht und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer ihre Ablehnung des geplanten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes deutlich gemacht.
Trotz der angekündigten Blockadehaltung der Länder hält die Bundesregierung an ihrem Zeitplan fest: Sollte der Bundestag am Freitag, dem 4. Dezember, dem Gesetz zustimmen, soll es am 18. Dezember im Bundesrat verabschiedet werden. Ziel ist ein Inkrafttreten bereits zum 1. Januar 2010.
Der Finanzausschuss des Bundestages hat am Mittwoch, 2. Dezember, nach einer Expertenanhörung am 30. November das Wachstumsbeschleunigungsgesetz abschließend beraten und empfohlen, die Vorlage bei der Abstimmung im Plenum am Freitag anzunehmen.
Für das Gesetz stimmten im Ausschuss die Koalitionsfraktionen, dagegen die Opposition. Zuvor beschloss der Ausschuss eine Reihe von Änderungen der Gesetzesvorlage. So soll der ermäßigte Steuersatz sowohl für Umsätze des klassischen Hotelgewerbes als auch für kurzfristige Beherbergungen in Pensionen, Fremdenzimmern oder auch auf Campingplätzen gelten. Für Verpflegung, Telefon- oder Internetkosten oder Wellnessangebote gilt der ermäßigte Steuersatz hingegen nicht.
Änderungsanträge der Linksfraktion und der SPD lehnte die Koalitionsmehrheit im Ausschuss ebenso ab wie den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen.