Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2009 > Bundeswehr in Afghanistan
Wenige Tage nach der Verlängerung des ISAF-Mandats der Bundeswehr hat sich der Bundestag erneut mit dem Einsatz der deutschen Streitkräfte in Afghanistan beschäftigt. Auf Antrag der Koalitionsfraktionen wurde am Mittwoch, 16. Dezember 2009, in einer Aktuellen Stunde über das Thema beraten. Im Mittelpunkt der emotional aufgeladenen Debatte stand der vom Bundeswehr-Oberst Georg Klein angeordnete Luftschlag gegen zwei von Taliban entführte Tanklastwagen, bei dem am 4. September bis zu 142 Menschen getötet wurden. Während die Opposition im Handeln der Bundesregierung eine Verschleierungstaktik erkannte, warf die Regierung vor allem der SPD vor, sich aus der Verantwortung stehlen zu wollen.
Dies sei ein Grund für die Beantragung der Aktuellen Stunde durch die Koalition gewesen, erklärte Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Die deutsche Öffentlichkeit müsse erfahren, dass sich die Opposition aus ihrer Verantwortung in Sachen Afghanistan stehlen wolle. „Das diskreditiert die Arbeit der Soldaten“, mahnte er. Jüngste Äußerungen aus den Reihen der SPD diffamierten die Soldaten und schürten Misstrauen gegen sie, sagte Schockenhoff weiter.
Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) betonte dagegen, die SPD stehe weiterhin zu ihrer Verantwortung und zur Bundeswehr. Er monierte, dass es von Seiten des Verteidigungsministers Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU/CSU) keine klaren Antworten auf Fragen zur Kundus-Affäre gegeben habe. Im Kern müsse es bei der ganzen Debatte vordergründig darum gehen, ob dem Parlament die Wahrheit gesagt wurde oder nicht, sagte er.
Daneben interessiert sich Steinmeier für den "Sinneswandel“ zu Guttenbergs. Der Verteidigungsminister hatte den Luftschlag zunächst als"„militärisch angemessen“ bezeichnet, diese Einschätzung mit dem Hinweis auf ihm vorenthaltene Informationen später aber revidiert. Steinmeier glaubt nicht, dass vorenthaltene Informationen zu der Neueinschätzung führten.
"Um der Truppe zu gefallen, haben Sie den Angriff als angemessen bezeichnet und sich dafür Lob in der Öffentlichkeit abgeholt“, sagte er an zu Guttenberg gewandt, "als sich aber die Berichterstattung über Kundus drehte, drehten Sie sich mit!"
Elke Hoff (FDP) rief die Abgeordneten dazu auf, die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses zu Kundus abzuwarten, bevor man endgültig über die Angelegenheit urteile oder den Afghanistan-Einsatz infrage stelle. „Schließlich haben wir erst vor wenigen Tagen das Mandat verlängert“, sagte sie.
Gegen das Mandat stimmte damals Die Linke, die sich durch die jüngsten Enthüllungen zu dem Luftanschlag bestätigt sieht. Jan van Aken (Die Linke) forderte, das Mandat aufzuheben und vermutete gar, in Kundus sei es nie um Tanklaster gegangen, "sondern darum, Menschen zu töten.“ Dies gehe aus den Funkgesprächen zwischen den Piloten und der Bundeswehr hervor. "Der Angriff war illegal“, urteilte er.
Alle Fraktionen außer der Linksfraktion „haben Deutschland in einen Krieg getrieben, von dem sie nie die Wahrheit gesagt haben“, sagte van Aken. An zu Guttenberg gerichtet rief er:"„Sie haben nicht die Lizenz zum Töten.“
Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, selbst die NATO hae festgestellt, dass bei dem Angriff auf die Tanklastwagen essenzielle Regeln verletzt worden seien. Von zu Guttenberg wollte Trittin wissen, wie er jemals zu der Erkenntnis habe kommen können, dass der Angriff angemessen gewesen sei.
Verteidigungsminister Dr. Karl Theodor zu Guttenberg (CDU/CSU) selbst warf der Opposition vor, innenpolitische Gefechte auszutragen, und beharrte darauf, dass ihm Informationen "unbestritten vorenthalten wurden“.
Den Untersuchungsausschuss habe er „von Anfang an befürwortet“. Außerdem habe er dem Parlament alle Dokumente, die er hatte, zur Verfügung gestellt und selbst als geheim eingestufte Papiere - wenn es in seiner Macht stand - herabgesetzt und so zugänglich gemacht.
Zu Guttenberg berichtete, dass ihn eine Aufforderung der SPD erreicht habe, die von ihm einen Bericht zur Kundus-Affäre verlangte, den er dem Verteidigungsausschuss vorlegen sollte. Damit habe die man den Untersuchungsausschuss schon im Vorfeld abgewertet, sagte er. Dies sei "nahe am politischen Klamauk“.
Rainer Arnold (SPD) nannte zu Guttenberg einen "Minister für Selbstverteidigung“. "Wer es wirklich gut mit der Bundeswehr meint, sorgt für eine korrekte und lückenlose Information der Öffentlichkeit und des Parlaments über die Arbeit der Soldaten“, erklärte er.
Zu Guttenberg stelle sich dagegen nicht vor die Soldaten, sondern verstecke sich hinter ihnen. Arnold kritisierte, der Verteidigungsminister habe die Verantwortung für seine Fehleinschätzung nicht selbst übernommen, sondern mit der Entlassung des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, und des Staatssekretärs Peter Wichert andere geopfert.
Zu Guttenberg selbst hatte in seiner Rede darauf hingewiesen, dass Schneiderhan ihn selbst in einem Brief gebeten habe, von seinen Aufgaben entbunden zu werden. Auch dies werde Gegenstand des Untersuchungsausschusses sein, der sich am 16. Dezember konstituierte und im Januar seine Arbeit aufnehmen soll.