Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010 > Leerverkäufe
Wenn der Bundestag am Freitag, 2. Juli 2010, dem von CDU/CSU und FDP vorgelegten Gesetzentwurf zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivatgeschäfte (17/1952) zustimmen sollte, wird gesetzlich fixiert, was derzeit in Deutschland ohnehin schon gilt. Seit dem 18. Mai nämlich sind durch eine Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ungedeckte Leerverkäufe von Schuldtiteln von Staaten der Eurozone, die an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, untersagt. Gleiches gilt auch für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS), soweit die Referenzverbindlichkeit zumindest auch eine Verbindlichkeit eines Staates der Eurozone ist und sie nicht der Absicherung von Ausfallrisiken dienen. Die Debatte beginnt um 9 Uhr soll eine Stunde dauern.
Grund dafür ist, dass die Bundesregierung das ungebremste Agieren von Spekulanten an den Finanzmärkten als einen der Gründe für die derzeitige weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ausgemacht hat. So etwa die Spekulationen mit Kreditausfallversicherungen, bei denen auf den Verfall der Kreditwürdigkeit eines Schuldners gewettet wird.
Als ebenso problematisch gelten die so genannten ungedeckten Leerverkäufe. Dabei veräußern Banken oder Investmentfonds Aktien oder Staatsanleihen, die sie gar nicht besitzen, mit dem Ziel, den Börsenkurs zu drücken und die Papiere dann günstig einzukaufen.
Der Finanzausschuss hat am Montag, 28. Juni, dem Gesetzentwurf zugestimmt. CDU/CSU- und FDP-Fraktion stimmten dem Entwurf zu, während die SPD-Fraktion ablehnte. Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke enthielten sich.
Allerdings setzten die Koalitionsfraktionen mit ihrer Mehrheit noch einige Veränderungen an dem Gesetzentwurf durch. So fällt die geplante Ermächtigung für das Bundesfinanzministerium weg, bestimmte schädliche Finanzinstrumente per Verordnung verbieten zu können.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht soll Finanzinstrumente längstens für ein Jahr verbieten können. Sollte eine Verlängerung notwendig werden, müsse der Bundestag eingeschaltet werden, erläuterte die Unionsfraktion, die den Wegfall des "Blankoschecks“ für das Finanzministerium begrüßte.
Außerdem wurde mit den Änderungsanträgen klargestellt, dass so genannte Intraday-Geschäfte von dem Leerverkaufsverbot ausgenommen werden. Damit folge man einer Anregung aus der öffentlichen Anhörung, legte die Unionsfraktion dar.
Die Unionsfraktion bezeichnete den Entwurf insgesamt als "Zeichen in die Märkte und auch nach Europa hinein“. Der G20- Gipfel in Edmonton zeige, wie schwierig Einigungen seien, wenn kein Land in Vorleistung trete. Wenn eine europäische Lösung zur Leerverkaufsproblematik gefunden werde, werde die nationale Regelung natürlich angepasst, versicherte die Unionsfraktion.
Die SPD-Fraktion erinnerte an ihre frühere Forderung, das Verbot von Leerverkäufen müsse im Notfall im nationalen Alleingang erfolgen. Dieser Notfall sei jedoch nicht gegeben. Die unabgestimmte Maßnahme sei im Ausland auf helle Empörung gestoßen. Die Anhörung habe zudem gezeigt, dass es sich beim dem Gesetzentwurf um ein Placebo handele. Die Koalition habe "schlecht und schlampig“ gearbeitet und betreibe reine Symbolpolitik.
Die FDP-Fraktion widersprach energisch Behauptungen der SPD, die Koalition stehe in der Frage der Regulierung der Finanzmärkte "nackt da“. Man habe es mit dem Gesetzentwurf geschafft, den Erfordernissen der Realwirtschaft Rechnung zu tragen. Deutschland übernehme jetzt eine Vorreiterrolle. Sollte keine weiteren Länder folgen und sollte es zu Nachteilen für den Finanzplatz Deutschland kommen, werde das Gesetz aber in dieser Legislaturperiode noch einmal angefasst, versicherte die FDP-Fraktion.
Nach Ansicht der Linksfraktion geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung, betrifft aber nur ein Element der Spekulation. Die Fraktion sprach sich für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer aus, weil sich der Einsatz vieler spekulativer Elemente dann nicht mehr lohne.
Bündnis 90/Die Grünen begrüßten es, an die Leerverkäufe heranzugehen, äußerten aber Zweifel, ob dieser Gesetzentwurf das richtige Instrument sei. Kritisch beurteilte die Fraktion eine geplante Bußgeldregelung. Wenn man mit höherem Gewinn aus einem Geschäft herausgehe als Bußgeld drohe, sei das keine Sanktionierung.
Der Finanzausschuss lehnte außerdem einen Antrag der Linksfraktion zur stärkeren Regulierung der Banken (17/1151) mit den Stimmen von Koalitionsfraktionen und von Bündnis 90/Die Grünen ab. Die SPD-Fraktion enthielt sich. Die Linksfraktion hatte gefordert, Banken Eigenhandelsgeschäfts auf eigenes Risiko zu untersagen. Ebenso sollte ihnen die Beteiligung an Hedge- und Equity-Fonds untersagt werden.
Keine Mehrheit fand ein weiterer Antrag der Linken (17/1733), Kreditausfallversicherungen und deren Handel vollständig zu verbieten. Die Ablehnung hatte der Finanzausschuss empfohlen (17/2097).
Aus Sicht des Bundesfinanzministers Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) ist die "Wette auf ungewisse Ereignisse“ - wie sie bei den ungedeckten Leerverkäufen erfolge - "nicht zwingend negativ zu beurteilen“. Wenn aber, so Schäuble während der ersten Lesung des Gesetzentwurfes am 10. Juni, "der Wettteilnehmer eine Einflussmöglichkeit auf den Ausgang der Wette hat, würde man im Fußball von einem Wettskandal reden“.
Genau dies habe man bei der missbräuchlichen Benutzung der Instrumente feststellen müssen. Daher müsse das "Krisenverschärfungspotenzial“ an den Finanzmärkten entschärft werden, forderte er. Mit der Verhängung des Handelsverbotes im Mai war Deutschland vorangeprescht. Kritik an einem "nationalen Alleingang“, der die EU-Partner irritiert habe, wies Schäuble jedoch zurück: "Wir sind Vorreiter, nicht Spalter in Europa“, sagte er.