Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2011 > Heimkinder
Bis Ende 2011 soll der Entschädigungsfonds für ehemalige Heimkinder in Höhe von 120 Millionen Euro eingerichtet sein. In dieser Zielstellung waren sich anlässlich der Übergabe des Abschlussberichts des Runden Tisches Heimerziehung durch die Vorsitzende Antje Vollmer an den Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert am Mittwoch, 19. Januar 2010, Abgeordnete aller Bundestagsfraktionen, die Vertreter der Länder am Runden Tisch sowie die beiden großen Kirchen Deutschlands einig.
Der Fonds soll zu jeweils einem Drittel durch den Bund, die Länder sowie die katholische und evangelische Kirche gespeist werden. Aus dem Fonds sollen frühere Heimkinder, die zwischen 1949 und 1975 in kirchlichen, staatlichen oder privaten Heimen unter Demütigungen, brutalen Erziehungsmethoden, Gewalt oder Arbeitszwang gelitten haben, Unterstützungen und Rentennachzahlungen erhalten. Der Runde Tisch war vor zwei Jahren eingerichtet worden.
Die im Abschlussbericht enthaltenen Empfehlungen sollten zügig und ohne bürokratische Hürden umgesetzt werden, forderte der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche Deutschlands, Hans Ulrich Anke. Er hoffe sehr, dass auch die anderen Partner zu dieser Lösung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen stehen, fügte er hinzu.
Johannes Stücker-Brüning von der Deutschen Bischofskonferenz forderte ebenfalls eine schnelle Umsetzung. In besonderen Notfällen würden die Kirchen - wie auch schon während des Rundes Tische praktiziert - konkrete Hilfen leisten.
Abgeordnete aller Fraktionen kündigten an, sich fraktionsübergreifend für eine schnelle Umsetzung durch den Bund einzusetzen. Georg Gorrissen, Vertreter der Länder am Runden Tisch, sprach von einem "ehrgeizigen Zeitfahrplan", der aber umsetzbar sei. Die Länder würden sich erstmalig im Februar treffen und diese Frage erörtern.
Anlässlich der Übergabe des Abschlussberichts hatte Bundestagspräsident Lammert die "verdienstvolle" Arbeit des Runden Tisches unter Vorsitz der ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer gelobt. Diese sei mit der Übergabe dieses "bemerkenswerten Berichtes" nicht erledigt und dürfe auch nicht folgenlos bleiben, sagte Lammert.
Alle Beteiligten hätten sich in einer "wechselseitig strapaziösen Annäherung" auf einen einmütig gefundenen Lösungsweg verständigt. "Dass dies bei diesem Thema gelingen würde, hätte wohl kaum jemand als sichere Prognose zu Beginn formulieren wollen", sagte der Bundestagspräsident.
Kersten Steinke (Die Linke), Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestages, erinnerte daran, dass es der Mut der Betroffenen gewesen sei, sich mit einer Petition an den Ausschuss zu wenden.
Dieser habe sich schließlich einstimmig dafür entschieden, einen Runden Tisch einzurichten.
Eine der Besonderheit des Runden Tisches sei es gewesen, dass sechs Betroffene an ihm teilgenommen hätten, sagte die Vorsitzende Antje Vollmer. Es sei gelungen, öffentlich deutlich zu machen, dass den Heimkindern vielfaches Unrecht geschehen sei.
Das in dem Abschlussbericht enthaltene Ergebnis habe man "Seite für Seite" miteinander abgestimmt. Nun müsse es zügig umgesetzt werden, forderte sie. Besonders dringend benötigt würden Übergangsregelungen und regionale Anlaufstellen für die Opfer, da der Runde Tisch Ende Februar auslaufe.
Dazu sagte Lutz Stroppe, Leiter der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe im Bundesfamilienministerium, man habe sich mit den Ländern schon darauf verständigt, bis zum 1. März derartige Anlaufstellen zu schaffen.
Kritik am finanziellen Umfang der geplanten Stiftung gab es von Rolf Breitfeld, als ehemaliges Heimkind am Runden Tisch beteiligt. Die Summe von 120 Millionen Euro sei angesichts einer geschätzten Zahl an Berechtigten von 30.000 "erbärmlich", sagte er und urteilte: "Der Topf ist unterfinanziert.
Sonja Djurovic, Betroffene und stimmberechtigtes Mitglied am Runden Tisch, sagte, sie habe zwar dem Abschlussbericht zugestimmt, müsse aber ebenfalls feststellen, dass angesichts einer Summe von 120 Millionen Euro für die meisten keine angemessene Entschädigung möglich sei. "Für viele bietet sich damit ein neues Unrecht", kritisierte sie. (hau)