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Selbstkritische Untertöne im Blick auf die eigene Politik in der Vergangenheit gegenüber autokratischen Regierungen in der arabischen Welt und der richtige Umgang mit den revolutionären Umwälzungen haben die vereinbarte Debatte im Deutschen Bundestag über die Entwicklung in Ägypten geprägt. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP unterstützten am Mittwoch, 9. Februar 2011, den von der Bundesregierung eingeschlagenen und von Außenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) vorgestellten Weg im Umgang mit diesem Prozess. Kritische Einwürfe kamen hingegen von den Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen.
Außenminister Westerwelle sprach von einer Zeitenwende, einer historischen Zäsur: "Wir wissen nicht, wie die Entwicklung weitergeht, aber nichts wird danach so sein, wie es vorher gewesen ist.“ Die Bundesregierung stehe an der Seite der Demokraten und derjenigen, die für Menschenrechte eintreten.
Wer Ägypten regieren werde, sei aber Sache des ägyptischen Volkes selbst. Die Regierung habe ihre Erwartungen an die ägyptische Seite formuliert, den Ausnahmezustand aufzuheben, die Einschüchterung von Demonstranten und Medien zu beenden, politische Gefangene freizulassen und die Verfassungsreform umzusetzen.
Westerwelle sagte, man erlebe eine Globalisierung der Aufklärung, von Werten und Haltungen. Es gehe nicht um Stabilität ohne Demokratie, sondern um stabile Demokratie. "Wir müssen einen Prozess in die richtige Richtung bewegen und unterstützen.“ Den guten Worten müssten nun Taten folgen.
Man sei im Gespräch mit in Ägypten tätigen deutschen politischen Stiftungen, um die ägyptische Zivilgesellschaft zu stärken. Jeder Wandel brauche ordentliche Strukturen, sonst gebe keine fairen Wahlen, sagte Westerwelle. Der Minister dankte allen Mitarbeitern der deutschen Botschaft und der Konsulate für ihren Einsatz unter "Gefahr für Leib und Leben“.
"Viele von uns haben diese Entwicklung so nicht vorhergesehen“, begann der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dr. Rolf Mützenich und schloss sich dabei selbst mit ein. "Das Bild, das wir von islamischen Gesellschaften gezeichnet haben, ist falsch. Sie sind nicht rückständig.“
Die Haltung der Bundesregierung kritisierte Mützenich als unentschlossen, missverständlich und folgenlos. Was aus Berlin gekommen sei, sei "halbherzig“ gewesen. Der türkische Präsident habe größere Kritik an der ägyptischen Regierung geäußert als die Bundesregierung.
Der Bundeskanzlerin hielt Mützenich vor, sie könne nicht nur über Diplomatie und Vertraulichkeiten etwas schaffen. Nur eine Öffentlichkeit hätte den Demonstranten die Solidarität gezeigt, die sie notwendig gehabt hätten, betonte er. "Wir brauchen einen Dialog mit den Demonstranten.“
Es gehe um Glaubwürdigkeit in der Politik. Der Kanzlerin warf er eine unglaubwürdige Außenpolitik in den letzten Jahren im Nahen Osten vor.
"Beeindruckt und bewegt“ von den Bildern und Ereignissen zeigte sich CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder. Er bewundere den Mut der jungen Menschen, die für Demokratie und Bürgerrechte eintreten, aber: "Wir haben es nicht wissen können.“
Den jungen Leuten gehe es nicht nur um Freiheit, sondern auch um Lebensperspektiven. Dazu habe Mützenichs Rede keinen Beitrag geleistet, sagte Kauder. Die Christen in Ägypten hätten die Sorge, dass sie unter die Räder kommen könnten, wenn ein schneller Wandel und Strukturen befördert werden, die "nicht das sind, was wir uns unter einer pluralen Gesellschaft vorstellen“. Die Menschen sollten darin bestärkt werden, die Revolution als "ihre ureigene Sache“ zu sehen.
Gut und richtig sei es, so Kauder, zu ermöglichen, dass sich Gruppen organisieren können. "Wir müssen sehr behutsam mit dem Thema umgehen und Ratschläge geben, wie ein solcher Prozess gestaltet werden kann.“
Wenn die Dinge zu rasch eskalierten, "haben wir etwas ganz anderes bekommen“, betonte der Fraktionsvorsitzende. Alle Gruppen, auch die koptischen Christen, müssten beteiligt werden.
Jan van Aken (Die Linke) zitierte einen Satz, der unter den Demonstranten kursiere: "Wir hassen euch nicht für eure Freiheit, sondern dafür, dass ihr uns die Freiheit verwehrt.“ Der Außenminister müsse sich entscheiden, ob er auf der Seite der Demonstranten oder der "Seite des Despoten“ stehen wolle.
"Wir sind dafür zu sorgen, dass das ägyptische Volk die Freiheit bekommt zu entscheiden, was es tun will“, sagte van Aken. Die Regierung sei auf der Seite des Vizepräsidenten Suleiman, der "Blut an den Händen“ habe. Im Übrigen kritisierte er die Lieferung deutscher technischer Hilfsmittel für die ägyptische Polizei. Dabei gehe es nicht nur um Wasserwerfer aus deutscher Produktion, sondern auch um "andere Waffen“. Van Aken: "Wer Waffen an Ägypten liefert, macht sich mitschuldig.“
Für Kerstin Müller (Bündnis 90/Die Grünen) ist noch nicht klar, ob diese Demokratiebewegung erfolgreich sein wird. Die zentrale Botschaft müsse sein, dass der Deutsche Bundestag an der Seite "dieser Frauen und Männer“ steht. Dieses Signal müsse von der Debatte ausgehen.
Die Politik der Bundesregierung, aber auch der EU und der USA, sei dieser "beeindruckenden Bewegung gegenüber“ nicht gerade hilfreich gewesen: "Merkel gibt Revolutionstipps: Macht mal langsam“, sagte Müller.
Enttäuscht zeigte sie sich auch von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Stabilität ohne Demokratie und Menschenrechte anzustreben, sei eine Politik der Doppelmoral: "Damit muss Schluss sein. Wir brauchen einen Strategiewechsel im Umgang mit despotischen Regimes“, betonte die Grünen-Abgeordnete.
Wenn der Westen jetzt immer noch nicht zu klaren Worten bereit sei, ermuntere man das Regime, auf Zeit zu spielen: "Am Ende ist nicht klar, ob die Demokratie gewinnen wird. Sagen Sie endlich klar, dass Mubarak zurücktreten muss.“
Dass man noch nicht wisse, wie es ausgeht, unterstrich auch Dr. Rainer Stinner (FDP). An der Eindeutigkeit dieser Bundesregierung gebe es jedoch nicht den geringsten Zweifel. Auch SPD-Redner Rolf Mützenich habe nicht den Rücktritt Mubaraks gefordert. Die Zeit Mubaraks sei vorbei, aber es sei auch zu fragen, was der richtige Weg, der richtige Zeitplan sei.
An die Abgeordneten gewandt appellierte Stinner dazu, "einen Zahn zuzulegen. Wir müssen besser werden.“ Die Deutschen hätten die Mechanismen, die sie für die Region entwickelt hätten, nicht ernst genug genommen und hätten jetzt Anlass nachzudenken. (vom)