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Am Mittwoch, 9. März 2011, beginnt in Berlin die Internationale Tourismusbörse (ITB), die fünftägige Reisemesse, die jährlich Anbieter aus der ganzen Welt in die Hauptstadt lockt. Regelmäßig vertreten auf der ITB ist der Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages. Klaus Brähmig (CDU/CSU), Vorsitzender des Ausschusses, sieht die Branche im Aufwind. 2010 wurden erstmals mehr als 60 Millionen Übernachtungen ausländischer Gäste in Deutschland gezählt. Prognosen zufolge wollen in diesem Jahr etwa 20 Prozent mehr Deutsche in Urlaub fahren also noch 2010. Im Interview sagt Brähmig, was die Tourismuspolitiker von der ITB erwarten.
Am 9. März beginnt in Berlin die Internationale Tourismusbörse (ITB). Was macht für Sie den Reiz dieser Messe aus?
Auf 160.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist die Welt zu Hause. Hier können meine Kollegen aus dem Ausschuss und ich in kürzester Zeit mit Vertretern anderer Länder - egal, ob aus Politik oder Tourismuswirtschaft - ins Gespräch kommen oder bestehende Kontakte vertiefen. Das gibt es so nirgendwo auf der Welt.
Was plant der Ausschuss zur ITB?
Geplant ist ein Messerundgang, bei dem wir die Stände verschiedener Länder besuchen, beispielsweise den des Partnerlandes Polen. Daneben wird der Ausschuss zum zehnten Mal einer Persönlichkeit aus der Tourismusbranche die Bleikristallkugel des Tourismusausschusses verleihen. Damit honorieren wir besondere Leistungen im Bereich des Deutschlandtourismus. Den Preisträger kann ich natürlich noch nicht verraten, da müssen Sie sich noch bis zum 10. März gedulden.
Welche Trendsetzungen erwarten Sie von der Messe?
Die Reisebranche hat sich im vergangenen Jahr stabilisiert. Experten erwarten eine weitere Erholung. Deutschland gehörte 2010 zu den Gewinnern unter den Destinationen. Es wurde erstmals die historische Marke von 60 Millionen Übernachtungen ausländischer Gäste gebrochen. Darf man den verschiedenen Prognosen und Umfragen glauben, wollen in diesem Jahr etwa 20 Prozent mehr Deutsche in den Urlaub fahren als im vergangenen Jahr. Auch wenn die Wissenschaftler unter anderem einen Trend zu Fernreisen sehen, bin ich mir sicher, dass das Reiseland Deutschland nicht an Attraktivität verlieren wird. Im vergangenen Jahr wurden rund 320 Millionen Übernachtungen deutscher Gäste gezählt.
Sie haben angesichts der Entwicklungen in Ägypten und Tunesien eine Diskussion um die ethische Verantwortung der Urlauber angestoßen. Was waren Ihre Beweggründe?
Sowohl in Tunesien als auch in Ägypten herrschte ein stark korruptes Regime. Dies machte vor dem Tourismussektor keinen Halt - denn bis zu 50 Prozent der Wertschöpfung kann man auf Tourismus zurückführen. Geld, das sich nach Medienberichterstattungen die Despoten in großem Umfang in die eigene Tasche steckten. Aktuell sitzt der ehemalige ägyptische Tourismusminister, Zoheirr Garranah, in Untersuchungshaft, da er zuerst keine Tourismuskonzessionen erteilte, bei Freunden und Bekannten aber mutmaßlich Ausnahmeregelungen zuließ und denen dann Ländereien zu Niedrigpreisen - umgerechnet weniger als einem Euro pro Quadratmeter - verschaffte. Nur ein Beispiel, das zeigt, wie der Großteil der Gelder in Regierungskanäle floss und eben nicht oder kaum bei den unteren Einkommensgruppen ankam. Nicht umsonst fehlen in Ägypten und Tunesien auch mittelständische Strukturen im Tourismus.
Also ist der Verweis der Tourismusindustrie darauf, dass vor allem die Bevölkerung von deutschen Urlaubern profitiert, falsch?
Selbstverständlich verdienen in diesen Ländern auch die unteren Einkommensgruppen am Tourismus, aber ohne die Trinkgelder der ausländischen Gäste wären viele Familien nicht überlebensfähig. Massentourismus bei gleichzeitig staatlicher Vergabe von Konzessionen und Land ist ein Einfallstor für Korruption.
Fordern Sie denn einen Boykott solcher Länder durch die Veranstalter?
Nein, es geht mir nicht um einen Boykott. Doch meines Erachtens haben Reiseveranstalter die Möglichkeit, ethische Grundsätze ernst zu nehmen und einzufordern - so wie etwa TUI in den 1980er Jahren begonnen hat, beim Bau von Ferienanlagen auch Umweltschutzstandards zu beachten.
Die Proteste gegen das politische System haben nun auch Marokko erfasst. In der vergangenen Woche haben Sie im Rahmen einer Ausschussreise das Land besucht. Mit welchen Eindrücken sind Sie zurückgekommen?
König Mohammed VI. hat nach seinem Amtsantritt wichtige Reformen hin zu einer Demokratisierung des Landes eingeleitet. 2004 wurde durch königliches Dekret eine Kommission ins Leben gerufen, um Menschenrechtsverletzungen unter der Amtsperiode seines Vaters aufzuarbeiten. Außerdem engagiert sich der König sehr in der Sozial-, Familien- und Bildungspolitik. Dies hat ihm bei der Bevölkerung Respekt und Vertrauen eingebracht. Ich glaube daher, dass die Lage im Land, von einzelnen Unruhen abgesehen, insgesamt stabil bleiben wird.
Zurück nach Deutschland. Unlängst hat Bundeswirtschaftsminister Brüderle im Tourismusausschuss deutlich gemacht, dass mit einem eigenen Tourismusministerium mittelfristig nicht zu rechnen sei. Sind Sie enttäuscht?
Nein, die Einrichtung eines Tourismusministeriums wurde nur von einzelnen Ausschussmitgliedern, aber niemals von mir oder dem ganzen Ausschuss, gefordert. Meine Forderung war es immer, dass ein Parlamentarischer Staatssekretär berufen wird, um die wirtschaftliche Bedeutung der Tourismusbranche deutlich zu machen. Mit der Ernennung des Kollegen Ernst Burgbacher (FDP) zum Parlamentarischen Staatssekretär für Mittelstand und Tourismus beim Bundeswirtschaftsministerium wurde diesem Anliegen Rechnung getragen.
Seit Anfang des Jahres gibt es nun die Luftverkehrsabgabe. Ist damit eine eher verbrauchsabhängig orientierte Kerosinsteuer endgültig vom Tisch?
Bei der Luftverkehrsteuer haben wir uns darauf geeinigt, 2012 zu überprüfen, welche Auswirkungen auf den Luftverkehrssektor und welche steuerlichen Effekte eingetreten sind. Ich gehe davon aus, dass mit der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel im Jahr 2013 sich das Thema Kerosinsteuer endgültig erledigen wird. Davon unabhängig würde eine Kerosinsteuer nur dann Sinn machen, wenn sie weltweit eingeführt würde. Eine Insellösung würde der deutschen Luftverkehrswirtschaft nur schaden.
Barrierefreiheit ist seit Jahren ein erklärtes Ziel der Tourismuspolitik. Auf welchem Stand befinden wir uns da im Jahr 2011 in Deutschland?
Alle Fraktionen im Ausschuss setzen sich für barrierefreies Reisen ein. Auch die Bundesregierung hat sich in ihren tourismuspolitischen Leitlinien dieses Qualitätsmerkmal auf die Fahne geschrieben. In einer älter werdenden Gesellschaft ist dies für mich ein Thema, auf das wir nicht deutlich genug hinweisen können. Ich habe aber den Eindruck, dass sich in letzter Zeit bei unseren Leistungsträgern die Erkenntnis durchsetzt, dass mehr barrierefreie Angebote geschaffen werden müssen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein.
Derzeit starten in Garmisch-Partenkirchen die Bemühungen um einen Bürgerentscheid gegen die Bewerbung zu den Olympischen Winterspielen 2018. Derartige Großevents tragen ja auch zur Stärkung des Tourismusstandorts Deutschland bei. Haben Sie dennoch Verständnis für die Proteste einzelner Anwohner?
Wichtig ist es, dass die Sorgen der Bürger ernst genommen werden. Ich hatte den Eindruck, dass in der Vergangenheit hier nicht genügend auf die Menschen zugegangen wurde und dass die Organisatoren nicht rechtzeitig auf die geäußerten Bedenken der Olympia-Gegner reagiert haben.
Was muss möglicherweise künftig geändert werden, um mehr Akzeptanz für derartige Projekte zu erhalten?
Die betroffenen Bürger müssen frühzeitig und umfassend in die Planungen einbezogen werden. Dabei muss größtmögliche Transparenz herrschen. Das gilt für alle Großprojekte, sei es Stuttgart 21 oder der Flughafen Berlin Brandenburg International. Dabei muss auch deutlich gemacht werden, welchen Nutzen ein Großprojekt für die Region bringt, nicht nur für heute, sondern auch für künftige Generationen. Gerade Großveranstaltungen bieten die Chance, das Profil einer Stadt oder Region zu schärfen. Ich darf nur an die fröhlichen Bilder erinnern, die 2006 rund um den Globus gingen und das Image Deutschlands im Ausland nachhaltig positiv beeinflusst haben.
(hau)