Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2011 > Atomgesetz
Die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen des Atomgesetzes und anderer Vorschriften zur so genannten Energiewende (17/6070, 17/6071, 17/6072, 17/6073) sind am Mittwoch, 8. Juni 2011, in einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses unter Vorsitz von Eva Bulling-Schröter (Die Linke) kontrovers beurteilt worden. 13 Sachverständige waren geladen, um ihre Position zur Energiewende darzulegen. Konsens wurde nur über die Abschaltung der Atomkraftwerke in Deutschland zwecks Sicherheitsüberprüfung aufgrund der Reaktorkatastrophe von Fukushima erzielt, die alle Experten als konsequent und sinnvoll erachteten.
Prof. Dr. Frank Schorkopf vom Institut für Völker- und Europarecht der Universität Göttingen erörterte die Frage, ob der Ausstieg vor dem Hintergrund des Europarechts legitim sei. Im Euratom-Vertrag der EU sei zwar die Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten verankert, dennoch sei es "allgemein anerkannt, dass jedes Land selbst entscheiden“ könne.
Österreich sei in die EU aufgenommen worden, obwohl es niemals Atomkraftwerke betrieben habe. Allerdings erachtete Schorkopf die geplante Abschaltung des Atomkraftwerks Krümmel rechtlich als problematisch, da es nach 27 Jahren abgeschaltet werden soll und somit unter der Regellaufzeit liege.
Kritisch betrachtete Schorkopf die möglichen Auswirkungen der Energiewende beispielsweise auf Strom- und Mietpreise. Aus juristischer Perspektive seien die geplanten Gesetzesänderungen "alles in allem eine unrunde Kumulation der Eingriffe in die Bürgerrechte“. Von einer Änderung des Grundgesetzes zugunsten des Atomausstiegs riet der Experte ab.
Dr. Ingo Luge von der E.ON AG stellte seinen Ausführungen voran, dass ein Atomkraftwerk wie in Fukushima bei gleichen Bedingungen "in Deutschland nicht genehmigt worden“ wäre. Es sei bekannt gewesen, dass die Region tsunamigefährdet sei. Dies hätte beim Bau einkalkuliert werden müssen.
Luge äußerte seine Enttäuschung über die Beschlüsse der Bundesregierung, sagte aber, dass E.ON dennoch "die politische Entscheidung der Bundesregierung“ anerkenne. Seiner Ansicht nach steigt das Risiko eines sogenannten Blackouts aufgrund der Abschaltung der Atomkraftwerke.
Es könne sogar zu einem nationalen Problem werden. Zudem würden die Energiekonzerne im europäischen Wettbewerb unverhältnismäßig benachteiligt werden.
Wolfgang Renneberg vom Büro für Atomsicherheit kritisierte, dass die älteren und neuen Atomkraftwerke in dem Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetztes "ganz unterschiedlich behandelt“ würden. Dafür werde jedoch keine Begründung angeführt.
Die Differenz der Laufzeiten liege bei den alten Anlagen bei fünf und bei den neueren bei vier Jahren. Im Widerspruch dazu stehe aber sinngemäß die Formulierung, "einzelne Anlagen sicherheitstechnisch nicht unterschiedlich zu behandeln“. Renneberg kam zu dem Schluss, dass der Gesetzentwurf vollkommen "willkürlich“ sei und dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes widerspreche. Er empfahl "ein Jahr X“ festzulegen, sodass alle Atomkraftwerke eine identische Restlaufzeit haben.
Martin Fuchs (TenneT TSO GmbH) erachtete die sogenannten Kaltreserven für absolut sinnvoll. Ebenso proklamiert wurde ein umfangreicher Netzausbau mit der Begründung der unterschiedlichen geografischen Verteilung der Atomkraftwerke in Deutschland.
Für eine frühere Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke sprachen sich die Experten von Greenpeace, Heinz Smital, und der NaturFreunde Deutschlands, Hans-Gerd Marian, sowie des BUND, Prof. Dr. Hubert Weiger, aus. Des Weiteren waren verschiedene Sicherheitsaspekte, die Gefahren von Terroranschlägen und Naturkatastrophen sowie die Frage nach einem geeigneten Endlager Themen der Expertenrunde. (ver)