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Bei der Durchsetzung von Datenschutz in sozialen Internet-Netzwerken plädiert Sebastian Blumenthal (FDP) im Interview für eine Politik, die eine Selbstregulierung der Branche mit gesetzlichen Regelungen kombiniert. Der Vorsitzende des Unterausschusses "Neue Medien", eines Gremiums des Ausschusses für Kultur und Medien, sieht Betreiber zum Beispiel in der Pflicht, die Anwendung von Pseudonymen zu ermöglichen, damit User zur Wahrung ihrer Privatsphäre Netzwerke anonym nutzen können. Das Plenum des Bundestags hat am Freitag, 16. Dezember 2011, eine halbe Stunde lang über einen Antrag der Grünen (17/8161) debattiert, der den Schutz der Grundrechte in sozialen Netzwerken stärken will. Das Interview im Wortlaut:
Die Grünen wollen den Daten- und Verbraucherschutz in Netzwerken wie etwa Facebook oder Myspace verbessern. Aber ist das überhaupt geboten? Ist nicht jeder selbst dafür verantwortlich, welche Informationen er im Netz über sich preisgibt?
In der Tat gibt es diese Eigenverantwortung, aus der die Politik die Internetuser nicht entlassen kann. Jeder muss für sich entscheiden, was er im Web über sich mitteilen will. Auf der anderen Seite aber stellt sich die Frage, was mit diesen Daten in Netzwerken geschieht, in welche Hände diese Informationen geraten, von wem sie wie genutzt werden. Da ist dann auch der Bundestag gefordert, sich bei Bedarf um Regelungen zu kümmern.
Mit welchen gravierenden Risiken werden User in sozialen Netzwerken konfrontiert?
Es kann zum Beispiel passieren, dass persönliche Informationen oder private Bilder, die nur für einen ausgewählten Kreis von Bekannten gedacht sind, aufgrund technischer Fehler im System plötzlich öffentlich zugänglich sind, das ist dann ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre. Jeder sollte wissen, dass Arbeitgeber in Netzwerken Informationen über Stellenbewerber recherchieren können. Das geschieht nach meinen Erkenntnissen allerdings nicht systematisch. Das, was ich über mich im Internet preisgebe, kann im Prinzip auch zur Profilbildung genutzt werden, was man jedoch über entsprechende Sicherheitseinstellungen am Rechner zu kanalisieren vermag. Zudem hat die Werbeindustrie Zugriff auf Daten, die im Netz öffentlich bekannt werden. Dieses Risiko wird umso größer, je mehr ich über mich mitteile.
User meinen oft, sie hätten die Kontrolle über ihre Daten im Internet. Aber stimmt das? Die Nutzung dieser Informationen durch Netzwerkbetreiber gilt als sehr intransparent. Offenbar findet diese Datenverarbeitung in hohem Maße ohne Wissen der User statt.
Das ist differenziert zu sehen, man darf nicht alle Anbieter über einen Kamm scheren. Es gibt nicht wenige positive Beispiele, gerade deutsche Betreiber sind beim Datenschutz oft sehr penibel und bemühen sich um qualifizierte Zertifizierungen. Aber natürlich nehmen es manche Anbieter mit dem Datenschutz nicht so genau und reagieren häufig nur auf Druck. In solchen Fällen können User kaum durchschauen, was mit ihren Informationen im Internet geschieht, das spielt sich dann sehr intransparent ab.
Wie soll man den Daten- und Verbraucherschutz in sozialen Netzwerken ausweiten? Genügen Selbstverpflichtungen der Betreiber? Oder bedarf es neuer gesetzlicher Regelungen?
Wir benötigen beides, wir müssen das kombinieren. Die Selbstregulierung der Anbieter ist ohne Zweifel ein sehr wichtiges Element, erfreulicherweise unterwerfen sich zum Beispiel viele Betreiber dem Verhaltenskodex von Branchenverbänden. Wenn sich über Freiwilligkeit allerdings keine Mindeststandards beim Datenschutz erreichen lassen, dann ist der Bundestag gefordert, entsprechende gesetzliche Regelungen zu erlassen.
Wie könnten Verbesserungen beim Datenschutz aussehen?
Ein zentraler Aspekt ist, dass Anbieter die Anwendung von Pseudonymen ermöglichen müssen, damit User Netzwerke anonym nutzen und so ihre Privatsphäre schützen können. Von dem vieldiskutierten Verbot von Bewerberrecherchen durch Arbeitgeber halte ich nichts, das ist gar nicht kontrollierbar, und im Übrigen kann dies jeder durch entsprechende Einstellungen am Rechner verhindern. Machen Betreiber Verträge mit Usern von deren Zustimmung zur Datennutzung durch die Werbeindustrie abhängig, wirft das natürlich Probleme auf. Gänzlich untersagen sollte man das nicht, allein schon deshalb nicht, weil die kostenlose Inanspruchnahme der Netzwerke von deren Finanzierung etwa durch die Werbebranche abhängt. Aber aus solchen Verträgen muss für die User klar hervorgehen, welche ihrer Daten von wem wozu genutzt werden. Ein wichtiger Punkt: Nötig ist ein kontinuierlicher Dialog zwischen Netzwerkanbietern und der Politik, auch mit dem Bundestag.
Betreiber von sozialen Netzwerken sitzen oft im Ausland. Wie lässt sich gegen solche Anbieter mehr Datenschutz durchsetzen?
Das ist ein großes Problem, anders als bei hiesigen Betreibern hat der Bundestag auf deutscher Ebene etwa gegenüber Facebook keine Einflussmöglichkeiten. Da hilft nur eine verbindliche internationale Verständigung über die Beachtung von Mindeststandards beim Datenschutz, die über Staatsgrenzen hinaus beachtet werden müssen.
(kos)