Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2011 > Taizé-Jugendbegegnung
Die Sitzungssäle von Unions- und SPD-Fraktion waren rappelvoll. Voll mit jungen Menschen aus allen Teilen der Welt. Sie alle gehören der Taize-Bruderschaft an, einer ökumenischen Gemeinschaft, deren Jugendtreffen 2011 in Berlin stattfindet. Insgesamt 30.000 Teilnehmer sind dazu in die deutsche Hauptstadt gereist. Etwa 800 von ihnen fanden am Donnerstag, 29. Dezember 2012 den Weg in das Reichstagsgebäude. Begrüßt wurden sie dort von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Die Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist zugleich Präses der 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Anwesend waren auch die Vizepräsidenten Dr. Wolfgang Thierse (SPD) und Petra Pau (Die Linke).
Es habe große Einigkeit unter den Abgeordneten geherrscht, die Türen des Bundestages für die Taize-Bruderschaft zu öffnen, sagte Göring-Eckardt. Sie freue sich darauf, mit jungen Menschen aus den verschiedenen Teilen der Welt zu diskutieren. Dies sei wie ein "Energieschub für die Seele". Die Bundestagsvizepräsidentin betonte, dass nicht nur die Jugendlichen von dem Besuch im Reichstagsgebäude profitieren können. "Ich bin mir sicher, dass auch etwas vom dem, was junge Christen bewegt, in diesem Haus bleibt."
Einen ersten Eindruck davon, was die Teilnehmer des Jugendtreffens bewegt erhielten die anwesenden Bundestagsabgeordneten - zu denen neben den drei Vizepräsidenten auch Kai Gehring (Bündnis90/Die Grünen) und die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese gehörten - durch Aussagen der Chinesin Zin, des Äthiopiers Johannes und der Deutschen Marion über Bildung, Klimawandel und Gerechtigkeit
Die Ungleichheit in der Bildung, die zwischen verschiedenen Kontinenten und Ländern, zwischen Städten und ländlichen Regionen und auch zwischen Geschlechtern existiere, prangerte die Chinesin Zin an. Gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt müsse gemeinsam vorgegangen werden, forderte sie.
Johannes aus Äthiopien nannte den Klimawandel eine große Ungerechtigkeit. Die daraus entstehenden Probleme würden zumeist ärmere Länder treffen, so etwa durch steigende Lebensmittelpreise. Der junge Mann verwies auf die Forderung der westlichen Länder nach "good governance", also einer guten Regierungsführung, in den Entwicklungsländern. Seiner Ansicht nach aber sollten sich auch die westlichen Ländern dieser Forderung stellen. "Wir können die Probleme unserer Zeit nur gemeinsam lösen", sagte er.
Für Marion, die mit ihrem aus Tansania stammenden Ehemann in Berlin lebt, ist Gerechtigkeit, "wenn binationale Paare auch ohne Eheschließung ohne langwierige Visumsanträge auf Dauer zusammenleben können". Zur Gerechtigkeit gehöre auch, dass ein "schwarzer Mann in einem deutschen Supermarkt ebenso unbeobachtet vom Kaufhausdetektiv einkaufen kann, wie ein weißer".
Bei den anschließenden Diskussionen in den Fraktionssälen wurden die Abgeordneten mit teils schwierigen Fragestellungen konfrontiert. Ob es in Ordnung sei, dass Deutschland und Frankreich den anderen europäischen Ländern deren Handeln vorschreibe, wurde gefragt. Oscar aus Spanien wollte wissen, ob es ein Recht darauf gebe, das westliche Verständnis von Menschenrechten in andere Teile der Welt zu exportieren. Christo aus Serbien fragte, warum Deutschland die Regierung des Kosovo unterstütze, obwohl diese seiner Ansicht nach die dort lebenden Serben unterdrückt.
Es sei falsch, wenn Deutschland und Frankreich die Entscheidungen für Europa fällen, antwortete Kerstin Griese. Ihrer Ansicht nach müsse das "von den Bürgern gewählte Europäische Parlament" tun.
Es gebe keine "westlichen Menschenrechte", sagte Petra Pau. In dieser Frage gelte es, sich an der UN-Menschenrechtskonvention zu orientieren. Mit Blick auf den Kosovo sagte Pau, es sei nicht richtig, "mit Krieg oder durch Soldaten die Menschenrechte durchzusetzen".
Menschenrechte seien nicht "per se westliche Werte", betonte auch Kai Gehring. "Für mich gilt die Internationale Charta der Menschenrechte." Was die Durchsetzung dieser Rechte angeht, so gebe es die "Verantwortung zum Schutz". Bei schwersten Menschrechtsverstößen, so Gehring, dürfe die internationale Gemeinschaft nicht wegschauen. Das sei jedoch "ein ganz schwieriger Abwägungsprozess", räumte der Grünenpolitiker ein. (hau)