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Auch wenn die Forderung nach einer Abschaffung der Praxisgebühr unter den Abgeordneten des Deutschen Bundestags eine Mehrheit findet, können sich die Fraktionen nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Dies wurde in der Debatte am Freitag, 27. April 2012, deutlich. Die Oppositionsfraktionen hatten beantragt, dass der Bundestag sofort zur Sache abstimmen möge. Obwohl auch die FDP für eine Abschaffung der Praxisgebühr ist, setzte sie gemeinsam mit der Union durch, die drei entsprechenden Anträge der Linksfraktion (17/9067, 17/9189) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/9408) zur Beratung in den Gesundheitsausschuss zu überweisen.
Für die Opposition ist dies Grund, den Liberalen Wahlkampftaktik vorzuwerfen. Noch vor wenigen Monaten hätte die FDP gegen eine Abschaffung der Gebühr, die immer schon "grober Unfug gewesen sei" gestimmt, betonte für Die Linke deren Parteivorsitzender Klaus Ernst.
Mit ihrer jetzigen Forderung vollziehe sie einen "doppelten Rittberger an die Spitze der Bewegung". Im Ausschuss habe sie verhindert, dass ein Antrag zur Abschaffung der Gebühr abgeschlossen wurde. Die FDP tue zwar so, als wolle sie die Abschaffung, verhindere diese aber in Wirklichkeit.
Auch die grüne Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink betonte, man hätte schon längst über einen Antrag der Linken beraten und abstimmen können, dies habe die FDP verhindert. Nun widerspreche sie mit ihrer Haltung dem Koalitionsvertrag und führe die Union vor.
Bei der Einführung der Gebühr sei man dem Rat der Experten gefolgt und auf eine positive Wirkung gehofft, die nun nicht eingetreten sei. Klein-Schmeink betonte, der Überschuss in der gesetzlichen Krankenversicherung, die ihre gesetzlich vorgeschriebene Liquiditätsreserve überschritten habe, gehöre den Versicherten.
Man habe die Praxisgebühr einmal eingeführt, weil man sich davon eine deutliche Reduktion der Arztbesuche und eine Stärkung der hausärztlichen Versorgung versprochen habe, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Prof. Dr. Karl Lauterbach. Inzwischen habe man aber feststellen müssen, dass das Instrument "versagt" habe und sogar unerwartete Nebenwirkung mit sich gebracht habe.
Sie halte Obdachlose, Arbeitslosengeld-II-Empfänger, Einkommensschwache und Patienten mit Migrationshintergrund von sinnvollen Arztbesuchen ab. Deshalb müsse man aus Fehlern lernen. Dass die Union dennoch gegen eine Abschaffung der Gebühr sei, sei Ausdruck einer veralteten "Zuzahlungsideologie".
Für die Unionsfraktion sagte der Gesundheitsexperte Jens Spahn, der Opposition könne es mit dem Geldausgeben "nicht schnell genug" gehen. Wenn in Nordrhein-Westfalen die Spitzenkandidatinnen von Rot-Grün Wahlkampf mit der Forderung nach einer Abschaffung der Praxisgebühr machten, gehe es nicht um die Sache. Er bedauerte, dass vor allem die SPD nicht mehr sehen wolle, dass man die Gebühr 2004 "aus guten Gründen" eingeführt habe.
Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen seien ein "Ausdruck von Solidarität" und Zeichen der Bereitschaft, für "das beste Gesundheitssystem der Welt" einen Eigenbeitrag zu leisten. Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung sei "so gut wie seit Jahren nicht". Es müssten aber Rücklagen gebildet werden, um in erneuten Zeiten der Krise nicht die Beiträge erhöhen zu müssen. Das Beibehalten der Praxisgebühr, so Spahn, sei "das Richtige und Verantwortliche".
Dies sieht sein Koalitionspartner gravierend anders: Auch die FDP ist für die Abschaffung der Gebühr. Die Liberalen hätten dazu immer eine "klare Position" gehabt, unterstrich die Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus.
Die Vorlagen der Opposition seien jedoch "Scheinanträge", in denen es nicht um die Praxisgebühr, sondern die Einführung einer Bürgerversicherung gehe. Sie seien daher abzulehnen. Die Praxisgebühr sei ein "Bürokratiemonster" ohne Steuerungswirkung. Man werde darüber mit dem Koalitionspartner im Ausschuss ausführlich diskutieren. (suk)