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In letzter Konsequenz könne der bedrohliche Artenschwund "das Leben an sich auf der Erde und damit auch die menschliche Existenz gefährden", warnt Dr. Peter Röhlinger. Dieser Entwicklung, so der FDP-Abgeordnete aus Jena im Interview, "dürfen wir nicht tatenlos zusehen". Vor allem in subtropischen Regionen sei bei Tieren und Pflanzen bereits "ein radikales Sterben in Gang". Röhlinger ist Berichterstatter seiner Fraktion bei einer Plenardebatte am Donnerstag, 10. Mai 2012, über einen SPD-Antrag zum Schutz der biologischen Vielfalt (17/3484) und eine Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses (17/9549). Die SPD fordert eine stärkere Förderung der wissenschaftlichen Forschung zur Biodiversität. Die Reden zu dieser Debatte die nach 22 Uhr aufgerufen wird, sollen zu Protokoll gehen. Das Interview im Wortlaut:
Warum ist eine reichhaltige Artenvielfalt eigentlich so wichtig? Kommt es wirklich darauf an, ob es ein paar Pflanzen- und Tiergattungen mehr oder weniger gibt?
Als Naturwissenschaftler weiß ich, dass sich die Biodiversität seit Jahrtausenden ständig wandelt, das ist ein stetes Kommen und Gehen. Solche Veränderungen sind für sich genommen nichts Problematisches. Etwas anderes ist es jedoch, wenn immer mehr Arten, immer mehr Pflanzen und Tiere verschwinden und so die biologische Vielfalt zusehends reduziert wird. In letzter Konsequenz stellt sich die Frage, ob diese bedrohliche Entwicklung nicht das Leben an sich auf der Erde und damit auch die menschliche Existenz gefährden könnte. Dem Artenschwund dürfen wir nicht tatenlos zusehen.
Weltweit sind über 1,5 Millionen Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen, die Gesamtsumme wird sogar auf 13 bis 20 Millionen geschätzt. Kann man angesichts des bisherigen Schwunds von einer ernsthaften Bedrohung der Biodiversität reden?
Durchaus. Um das genaue Ausmaß des Artenschwunds zu ermitteln, bedarf es sicher noch weiterer Forschungen. Die Wissenschaft geht aber davon aus, dass bereits heute ein bedenklicher Rückgang zu verzeichnen ist. Nach Schätzungen sterben täglich zwischen zwei und 130 Pflanzen- und Tierarten aus. Diese Ziffer mag angesichts von Millionen verschiedenen Tieren und Pflanzen vielleicht gering wirken, in der Gesamttendenz ist dieser Trend indes sehr bedrohlich.
In welchen Regionen der Welt und in Deutschland sind Tiere und Pflanzen besonders gefährdet?
In hohem Maße betroffen sind besonders subtropische Gegenden in Mittelamerika und Afrika wie auch die Südsee. Dort ist zu Wasser und zu Land ein radikales Sterben in Gang. In den Medien machen vor allem negative Entwicklungen in den Regenwäldern des Amazonas Schlagzeilen. Eine traurige Berühmtheit haben Menschenaffen wie die Orang-Utans erlangt, deren Zahl etwa in Sumatra drastisch sinkt. Trotz mancher Fortschritte im Natur- und Landschaftsschutz bleibt leider auch die Bundesrepublik nicht vom Artenschwund verschont, geschädigt werden Fauna und Flora in ihrer ganzen Bandbreite. Ein starker Rückgang, um nur ein Beispiel zu nennen, ist bei Fröschen zu verzeichnen, was sich wiederum auf die Population der Störche auswirkt, denen diese Nahrung abhanden kommt. Der Klimawandel mit starken Trockenphasen in Norddeutschland dürfte die Biodiversität weiter einschränken.
Wodurch wird der Artenschwund beschleunigt?
Zu nennen ist in erster Linie die Umweltbelastung mit vielen Schadstoffen und besonders mit Kohlendioxid. Treibhausgase befördern den Klimawandel, und der ist eine wesentliche Ursache für die Bedrohung der Biodiversität. Im globalen Rahmen spielt auch die Abholzung der Regenwälder eine zentrale Rolle. Zu einer Reduzierung des Lebensraums für Tiere und Pflanzen trägt die Zersiedelung der Landschaft bei. Negativ auf die Artenvielfalt wird sich der von Wissenschaftlern prognostizierte Rückgang der Süßwasservorkommen auswirken. Nicht unterschätzen sollte man die Überfischung der Meere, selbst die Bestände eines Massenfischs wie des Herings nehmen ab. Das Meer ist ein riesiges Reservoir für den biologischen Reichtum, das unbedingt geschützt werden muss.
Lässt sich der Artenschwund nicht aufhalten, ist keine Besserung in Sicht?
Erfreulicherweise gewinnt dieses Thema in der politischen Debatte zusehends an Aufmerksamkeit. Entscheidend ist aber, dass auf nationaler wie internationaler Ebene konkret mehr geschieht. In erster Linie geht es dabei um Maßnahmen gegen den Klimawandel, weshalb der Kohlendioxidausstoß gesenkt werden muss. Der Klimagipfel von Durban brachte leider nur Teilerfolge, weil sich die großen Nationen nicht auf eine Reduzierung der Treibhausgase verpflichten lassen wollten. Intensiviert werden muss die Forschung zur Biodiversität. Ein positives Zeichen setzen dabei die Universitätsstädte Leipzig, Halle und Jena mit ihrer gesamten Forschungslandschaft, die im Rahmen eines Vorzeigeprojekts auf diesem Feld Vorbildliches leisten.
In ihrem Antrag verlangt die SPD einen Ausbau und eine stärkere Förderung der Taxonomie, die sich um die Erfassung von Arten und deren wissenschaftliche Kategorisierung kümmert. Unterstützen Sie diese Forderung?
Im Prinzip ist dieser Vorstoß aus fachlicher Sicht ohne Zweifel berechtigt. Was im Einzelnen geschehen sollte, wird näher zu prüfen sein. Letztlich geht es natürlich immer auch um Geld. Ich hoffe, dass sich in den Etats der betreffenden Ministerien mehr Mittel für die Forschung zur bedrohten Artenvielfalt freischaufeln lassen.
(kos)