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Das Vorhaben der Bundesregierung, die Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung von derzeit 19,6 auf 19 Prozent zu senken, ist auf mehrheitlich positives Echo unter Experten gestoßen, wenngleich weiterhin umstritten. Das ging aus einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Vorsitz von Sabine Zimmermann (Die Linke) am Montag, 22. Oktober 2012, hervor. Grundlage der Anhörung war der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2013 (17/10743). Laut Entwurf soll der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2013 auf 19 Prozent gesenkt werden.
Dr. Volker Hansen von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sagte, die Senkung zeige "in die richtige Richtung". Die Senkung schaffe Konsum im privaten Bereich und gebe "ein Signal an die Arbeitgeber", dass die Lohnnebenkosten sinken würden. Das wiederum halte die Beschäftigung stabil. Dr. Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung stimmte dem bei. Die Senkung sorge für eine Entlastung der Arbeitgeber.
Auf die Frage der mittelbaren Auswirkungen der Beitragssenkung im Hinblick auf die Haushaltskonsolidierung sagte der Einzelsachverständige Prof. Dr. Eckart Bomsdorf, dass es für den Bund positive Auswirkungen gebe, da der Bundeszuschuss verringert werde und die Bundesbeiträge bei den Kindererziehungszeiten ebenso verringert würden. Zudem hätte die öffentliche Hand als Arbeitgeber weniger Ausgaben und gleichzeitig mehr Einnahmen, da weniger von der Steuer abgezogen werden könne.
Den Antrag der SPD-Fraktion (17/10775), den Beitrag nicht zu senken, sondern auf 19,6 Prozent zu belassen und das so eingenommene Geld in einen "Demografie-Fonds" zu stecken, wurde vom Vertreter der Deutschen Rentenversicherung Bund kritisiert. Weitere sechs Jahre erhöhte Einnahmen könne man "schwer als Demografie-Reserve umschreiben". Aktuelle Überlegungen, den Beitragssatz sogar auf 18,9 Prozent zu senken, sah er skeptisch. Diese Berechnungen basierten auf "vorläufigen Schätzungen".
Prof. Dr. Bert Rürup machte deutlich, dass die Beitragssätze von der Demografie abhängig sind, und nicht von der Konjunktur. Das Ansparen habe "nichts mit Nachhaltigkeit" zu tun, sondern belaste die eine Generation der Beitragszahler, um eine spätere zu entlasten. Dadurch wäre es mehr eine Verschiebung zwischen den Generationen.
Annelie Buntenbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund kritisierte den Plan der Beitragssenkung als "zu kurzfristig gedacht". Die Beitragszahler hätten heute eine Entlastung von "7,80 Euro monatlich", um dafür aber im Jahr 2030 "eine um 158 Euro niedrigere Rente" zu bekommen, die Reserve werde so "verpulvert". Stattdessen plädierte sie für eine langsame Anhebung der Beiträge und eine teilweise Besserung der Leistungen.
Dr. Rudolf Zwiener von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sprach sich dafür aus, die Nachhaltigkeitsrücklage dauerhaft auf drei Monatsreserven zu erhöhen. Momentan seien es zwei. Die Erhöhung wirke "konjunkturstabilisierend", da bei einer Rezession sofortige Einnahmeausfälle zu erwarten seien und diese dadurch sofort ausgeglichen werden könnten.
Durch die Absenkung sollen laut Bundesregierung Bund, Länder und Kommunen entlastet werden. Beispielsweise verringere sich der Beitrag des Bundes als Beitragszahler für Kindererziehungszeiten um rund 370 Millionen Euro. Die Arbeitnehmer würden durch die Senkung der Beitragssätze um rund 2,7 Milliarden Euro entlastet, in gleicher Höhe würden auch die Arbeitskosten der Wirtschaft sinken. Dadurch steige das verfügbare Einkommen, was die Konsumnachfrage stärke, so die Regierung.
Gegenstand der Anhörung waren auch ein Antrag der Linksfraktion (17/10779), die Rentenbeiträge nicht abzusenken, sondern Spielräume für Leistungsverbesserungen zu nutzen, sowie von Bündnis 90/Die Grünen, Beitragssätze nachhaltig zu stabilisieren, die Erwerbsminderungsrente verbessern und das Reha-Budget angemessen ausgestalten. (ver/12.10.2012)