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Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) mit einem Aufruft zur Freilassung Nasrin Sotoudehs © DBT/Melde
Wie viel Leid und Demütigungen kann ein Mensch ertragen? Wie viel Sorgen und Angst aushalten – um andere, um die eigene Familie, um sich selbst? Nasrin Sotoudeh ist eine kleine, zierliche Person; Fotos von ihr zeigen ein schmales, von einem Kopftuch umrahmtes Gesicht und nachdenkliche, müde Augen. Sie ist eine Kämpferin, eine Heldin – und in Lebensgefahr: Seit September 2011 sitzt die diesjährige Trägerin des Sacharow-Preises für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments im Evin-Gefängnis in Teheran ein, seit Anfang Oktober befindet sie sich im Hungerstreik – aus Protest gegen Einschüchterungsmaßnahmen gegen ihre Familie. Europaparlamentspräsident Martin Schulz will ihr und dem iranischen Regisseur Jafar Panahi den Preis am Mittwoch, 12. Dezember 2012, in Straßburg überreichen.
Sehr geschwächt sei Sotoudeh, heißt es, ihr Zustand soll besorgniserregend sein. Wie lange wird sie diesen Hungerstreik durchstehen können? Wann wird ihr Körper, durch die unmenschlichen Haftbedingungen in einem der schlimmsten Gefängnisse weltweit ohnehin in schlechter Verfassung, unter der Nahrungsverweigerung zusammenbrechen?
Einer, der sich im fernen Deutschland diese Fragen dauernd stellt, ist Omid Nouripour. Der Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, der einen deutschen und einen iranischen Pass besitzt, hat im September 2011 im Rahmen des Programms "Parlamentarier schützen Parlamentarier" des Menschenrechtsausschusses des Bundestages eine Patenschaft für Sotoudeh übernommen. Damals war Sotoudeh gerade zu elf Jahren Haft verurteilt worden – wegen angeblicher Angriffe auf die nationale Sicherheit und Propaganda gegen die Staatsführung. Außerdem wurde ein zwanzigjähriges Berufs- und Ausreiseverbot gegen sie verhängt.
Inzwischen ist die Gefängnisstrafe auf sechs Jahre reduziert worden – ein Beweis, dass internationaler Druck, wie er im Falle Sotoudehs auf das iranische Regime ausgeübt worden sei, durchaus etwas bewirken könne, meint Nouripour. Er selbst macht immer wieder durch Namensbeiträge in Zeitungen und in Pressemitteilungen auf die katastrophale Lage der inhaftierten Anwältin aufmerksam.
Wenn der Bundestagsabgeordnete von seinem Schützling erzählt, mischen sich Bewunderung und Besorgnis in seine Stimme. "Eine Symbolfigur der Unterdrückten im Iran" nennt er Sotoudeh, die als Anwältin der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi selbst eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Die Mutter zweier Kinder kämpft seit vielen Jahren für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in ihrem Heimatland. Unter anderem setzte sie sich für Oppositionelle ein, die nach den Protesten gegen die Präsidentschaftswahl 2009 festgenommen worden waren.
Ihre Stimme leiht sie vor allem denjenigen, deren Rechte am massivsten mit Füßen getreten werden. Frauen etwa, deren Aussage vor Gericht grundsätzlich nur halb so viel zählt wie die von Männern. Oder Kindern und Jugendlichen, denen trotz Strafunmündigkeit schwere Strafen bis hin zur Todesstrafe drohen. "Die Hinrichtung von Minderjährigen oder von Personen, die zur Tatzeit minderjährig waren, ist auch im Iran illegal, weil der Iran die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert hat", erklärt Nouripour. "Trotzdem finden solche Hinrichtungen statt. Damit verstößt der Iran gegen die eigene Gesetzgebung, und genau darauf hat Sotoudeh immer wieder hingewiesen und damit auch international Aufmerksamkeit bewirkt."
Das bedeutet aber auch: In den Augen des Willkürregimes in Teheran ist die 49-jährige Sotoudeh eine gefährliche Gegnerin, weil sie als Anwältin für alle sichtbar die Schwachstellen dieses Regimes offenlegt. Eine Gegnerin, die wohl schon längst nicht mehr am Leben wäre, wenn sie im Ausland nicht so bekannt wäre.
Umso wichtiger sei es, gerade jetzt in den Bemühungen um eine Freilassung Sotoudehs nicht nachzulassen, sagt Nouripour; eindringlich plädiert er dafür, den internationalen Druck auf Teheran aufrechtzuerhalten. Es geht um ein Leben, das Leben einer unfassbar mutigen Frau, die sich nichts weiter hat zuschulden kommen lassen, als die Wahrheit zu sagen. (nal/03.12.2012)