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Vor dem Untersuchungsausschuss, der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie durchleuchten soll, hat am Freitag, 14. Dezember 2012, Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) die im Jahr 2006 erfolgte Fusion der Abteilungen Links- und Rechtsextremismus beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verteidigt. Seinerzeit habe man nicht zuletzt wegen der in jenem Jahr in Deutschland organisierten Fußballweltmeisterschaft die vom islamistischen Terrorismus ausgehenden Gefahren als besonders hoch eingeschätzt und deswegen im BfV eine eigene Abteilung für diesen Bereich neu geschaffen, sagte der Bundesfinanzminister, der von 2005 bis 2009 als Bundesinnenminister amtierte. Innerhalb des vorgegebenen Etatrahmens habe man sich dann für die Zusammenlegung der Abteilungen Links- und Rechtsextremismus entschieden. Mit diesem Schritt seien die vom Rechtsextremismus ausgehenden Gefahren nicht "minderbewertet" worden, so der CDU-Politiker.
Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) kritisierte indes, dass sich nach der Fusion das im BfV für den Rechtsextremismus zuständige Personal um 20 Prozent verringert habe. Aus Sicht von Dr. Eva Högl zeigt die auch aus Spargründen erfolgte Zusammenlegung der beiden Abteilungen, dass man den Rechtsextremismus nicht ernst genug genommen habe.
Dies habe auch die Ermittlungen zu der bis zum Auffliegen des NSU im Herbst 2011 unaufgeklärten Mordserie behindert, monierte die SPD-Obfrau. Wie Högl wies Grünen-Sprecher Wolfgang Wieland darauf hin, dass die umstrittene Fusion gegen den fachlichen Rat von BfV-Präsident Heinz Fromm beschlossen worden sei.
Nach seinen Angaben war Schäuble als Minister nicht mit der Frage befasst, ob angesichts der bis 2006 erfolglos verlaufenen Ermittlungen zu den bis dahin neun Hinrichtungen von türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern dem Bundeskriminalamt (BKA) die Zuständigkeit für die Aufklärungsarbeit übertragen werden soll. Er habe lediglich am Rande einer Innenministerkonferenz im Mai 2006 in Bayern erfahren, dass man sich im zuständigen Arbeitskreis auf eine Abstimmung bei der Aufgabenverteilung zwischen der Polizei in den betroffenen fünf Ländern geeinigt habe.
Hätte er damals entscheiden müssen, so der Zeuge, dann hätte er eine seinerzeit von der BKA-Spitze befürwortete Kompetenz der Bundesbehörde gegen Widerstand aus den Ländern auch nicht angeordnet. Schließlich komme es in der Sicherheitspolitik auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern an. Vor allem der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) hatte eine Übertragung der Zuständigkeit an das BKA energisch bekämpft.
Petra Pau kritisierte, dass dem BKA die Zuständigkeit verwehrt worden sei. Unionsobmann Clemens Binninger hingegen sagte, es sei zwar "nicht ideal" gewesen, dass das BKA nicht die Kompetenz für die Aufklärungsarbeit erhalten habe.
Doch sei dies für den Fortgang der Ermittlungen zu den Hinrichtungen nicht entscheidend gewesen, da auch das BKA die Täter vor allem im Spektrum der organisierten Kriminalität und nicht im Bereich Rechtsterrorismus gesucht hätte.
Edathy bezeichnete es als "verwunderlich", dass Schäuble 2006 mit der Frage der Mitfinanzierung einer Belohnung über 300.000 für Hinweise auf die Täter durch den Bund, nicht aber mit der Kritik des BKA an Mängeln bei den Ermittlungen zu der Mordserie befasst gewesen sei.
Schäuble erklärte, mit der Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der besonders von Bayern forcierten Belohnung, die den "Fahndungsdruck" habe erhöhen sollen, habe man einen Beitrag zur Zusammenarbeit mit den Ländern leisten wollen.
"Ungeordnet, rastlos, chaotisch, übereifrig": Solch harte Vorwürfe erhob am Donnerstag, 13. Dezember 2012, der ehemalige Bundesrichter Dr. Gerhard Schäfer gegen die Ermittlungsarbeit der Thüringer Sicherheitsbehörden zu dem im Januar 1998 untergetauchten Jenaer Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Tschäpe, aus dem später der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) wurde.
Schäfer hielt als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss besonders dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) vor, von V-Leuten zwar "erstklassige Erkenntnisse" und "bestes Material" zu der auch als Zwickauer Trio bezeichneten Gruppe erhalten, diese Informationen jedoch nicht ausgewertet und auch nicht an das Landeskriminalamt (LKA) weitergeleitet zu haben.
Schäfer, der frühere Bundesanwalt Volkhard Wache und der Mainzer Ministerialdirigent Gerhard Meiborg erläuterten dem Ausschuss den von ihnen im Auftrag der Erfurter Regierung erstellten Bericht über Fehler der Thüringer Behörden bei der Suche nach dem "Bombenbastler"-Trio.
Laut Schäfer wusste das LKA etwa aufgrund von Observationen sowie Auto- und Hausdurchsuchungen schon seit Mitte der neunziger Jahre von der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Jenaer Gruppe. Die nach deren Verschwinden beauftragten Zielfahnder des LKA hätten das rechtsextreme Milieu, in dem sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bewegten, nicht gekannt.
Observationen oder die rechtsstaatlich teils fragwürdigen Telefonüberwachungen seien "ungeordnet" verlaufen, bemängelte Schäfer. Nach seinen Angaben sprachen sich Richter und Staatsanwälte 2001 angesichts der dünnen Beweislage gegen das Trio im Zusammenhang mit der Suche nach den Verantwortlichen für drei in Thüringen aufgetauchte "zündfähige, aber nicht zündfertige" Bomben gegen weitere Maßnahmen aus.
Wache warf der Polizei handwerkliche Fehler bei der Durchsuchung von drei Garagen Ende Januar 1998 in Jena vor, die eventuell als Herstellungsort der Bomben in Frage kamen und die teils von Böhnhardt, teils von Zschäpe angemietet waren. Die Inspizierung jener Garage, in der schließlich TNT-Sprengstoff entdeckt wurde, verzögerte sich um mehrere Stunden, weil die Polizisten erst bei der Feuerwehr das nötige Gerät zum komplizierten Öffnen der Tür besorgen mussten.
Zuvor durfte sich der anwesende Uwe Böhnhardt mit Zustimmung der Beamten entfernen, was er mit seinen Kumpanen zum Untertauchen nutzte. Schäfer betonte, dass es vor dem Auffinden des Bombenmaterials "keinen Rechtsgrund" für eine Festnahme Böhnhardts gegeben habe.
Scharf kritisierte Schäfer das LfV. Der Geheimdienst habe von seinen Quellen mehrfach Hinweise auf den Aufenthaltsort des Trios nach dessen Abtauchen erhalten. Auch habe man erfahren, dass sich die Gruppe in der rechtsextremen Szene um Hilfe bei der Suche nach Waffen bemüht habe und dass sich die Zelle mit geborgten Ausweispapieren anderer Leute habe ausstatten wollen.
Das LfV habe zudem gewusst, dass das Trio lange Zeit im rechtsextremen Milieu über Geldmangel geklagt, eines Tages indes Spenden abgelehnt habe, "weil die jetzt ihre eigene Sache machen", wie es in der Szene hieß – aus Schäfers Sicht hätte man mit diesem Wissen eine Brücke zu diversen Banküberfällen, die inzwischen dem NSU zugerechnet werden, schlagen können. Überdies habe der Militärische Abschirmdienst herausgefunden, dass sich die Gruppe auf der Ebene des Rechtsterrorismus bewege.
Der im LfV zuständige Auswerter habe jedoch viele dieser Meldungen gar nicht erhalten, und das, "was der bekam, hat er nicht ausgewertet", klagte Schäfer. Fast alle Informationen seien "im Schoß" des LfV geblieben, an das LKA sei gar nichts, an das Bundesamt für Verfassungsschutz wenig weitergeleitet worden.
Vor der Anhörung Schäfers, Waches und Meiborgs traf sich der Ausschuss mit der Bund-Länder-Kommission, die Vorschläge für eine Reform der Sicherheitsarchitektur erarbeitet. Auf der Basis eines Zwischenberichts kündigten der Hamburger Ex-Innensenator Heino Vahldieck, der frühere Mainzer Innenminister Karl Peter Bruch, der Münchner Rechtsanwalt Eckhart Müller und der ehemalige Bundesanwalt Bruno Jost an, dass nach ihren Vorstellungen der Generalbundesanwalt mehr Möglichkeiten erhalten solle, in Fällen, die der NSU-Affäre ähnlich seien, die Ermittlungen an sich zu ziehen. (kos/14.12.2012)