Der Bevölkerung - Kunstprojekt im nördlichen Lichthof des Reichstagsgebäudes

Projekt

Ein Leserbriefschreiber hat vor einigen Tagen angeregt, der Künstler solle entsprechende Holztröge in die Wahlkreise schaffen, darüber die Neoninschrift "Den Bevölkerungsvertretern/ -vertreterinnen". Die Verwandlung von Konzeptkunst in eine skurrile "Bundesgartenschau" ist kein großer Wurf, sondern eine große Albernheit, die der Ernsthaftigkeit nicht gerecht wird, die dieses Thema verdient und beansprucht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Das Bedürfnis des Künstlers nach Selbstinszenierung ist legitim; es ist in diesem konkreten Fall offensichtlich ausgeprägter als das Interesse an Aufklärung. Insofern sieht das Konzept folgerichtig vor, dass auf allen Etagen des Reichstagsgebäudes Tafeln anzubringen sind, auf denen die Abgeordneten mit ihrer Parteizugehörigkeit und den Wahlkreisen oder Bundesländern und der Angabe des Datums, an dem die Abgeordneten ihren Erdanteil beigesteuert haben, verzeichnet werden sollen.
(Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Ist das Ernst?)
- Das stammt alles aus der Projektbeschreibung. Da in Zeiten der neuen Medien ein Kunstwerk ansonsten offensichtlich nicht komplett ist, hat es selbstverständlich auch eine Internet-Perspektive. Vorgesehen ist, dass im Innenhof eine Videokamera angebracht wird, die regelmäßig das Wachsen und Werden dieses Kunstwerks begleitet, damit jeden Tag ab 12 Uhr mittags den Besuchern auf einer ständig aktualisierten Website die Entwicklung dieses Projekts nahe gebracht werden kann. Welcher Aufwand für welche Einfalt!
(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich persönlich finde diese Inszenierung albern und unangemessen, und ich nehme für mein Urteil die gleiche Freiheit in Anspruch, die ich dem Künstler selbstverständlich für sein Konzept zubillige.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist ihm unbenommen, die Einwände seiner Kritiker, insbesondere aus der Unionsfraktion des Bundestages, für "blödsinnig" zu erklären, wie Agenturen melden. Mir bleibt es unbenommen, das vorgeschlagene Konzept als Zumutung zu bezeichnen und meine Mitwirkung abzulehnen. Hier steht nicht die Freiheit der Kunst zur Debatte und hoffentlich auch nicht die Freiheit des Bundestages, den künstlerischen Gestaltungsvorschlag für sein Parlamentsgebäude anzunehmen oder abzulehnen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)
Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich seit Jahren mit Leidenschaft für die Selbstverständlichkeit werbe, dass die Kunst sich mit Politik und die Politik sich mit Kunst befassen muss.
(Wolfgang Thierse [SPD]: Aber wehe, sie tut es!)