Fragen an Sachverständige zum Thema "Wie verändert das Internet unser Leben?"
"Reales" Leben gegenüber "virtuellem" Leben: Kinder und Jugendliche wachsen heran und sollen in der Pubertät lernen sich im real Life zu behaupten.
(a) Kann man derzeit das Risiko abschätzen, dass viele Heranwachsende mehr Zeit im Netz verbringen und damit ihre Pubertät möglicherweise länger dauert bzw. nicht "zum Abschluss kommt"?
Dabei wäre nicht nur die Beantwortung der Frage interessant, (b) wie mit Problemen unter dem Begriff "Medienabhängigkeit" umgegangen wird, sondern auch (c) welche Veränderungen durch die hohe Mediennutzung in unserer Gesellschaft evtl. zu erwarten sind. (d) Werden viele Kinder schlechter erzogen, weil ihre Eltern computerspielsüchtig sind? (e) Werden Entscheidungen gefällt zu Gunsten Inhalteanbietern im Internet allein aufgrund ihrer Machtstellung und Popularität? (f) Wie werden sich ethische Grundsätze verändern, wenn Kinder und Jugendliche z.B. mit 9/11 Jumper - Bildern (Darstellungen von Todessprüngen aus dem World Trade Center) und ähnlichem ständig konfrontiert werden?
"Reales" Leben gegenüber "virtuellem" Leben
Zitat:
"Reales" Leben gegenüber "virtuellem" Leben: Kinder und Jugendliche wachsen heran und sollen in der Pubertät lernen sich im real Life zu behaupten.
Das "real life" in dem sich die heutigen Kinder SPÄTER "behaupten" sollen, wird zum allergrößten Teil aus dem angeblich "virtuellen" Raum technisch vermittelter Kommunikation auf Internet-Basis bestehen.
Das angeblich "Virtuelle" wird zur "Realität", die lebensweltlich im Wesentlichen sowieso auf "Zeichenaustausch" und Zeichenkonsum basiert (Sprache, Geld, Unterhaltung wie Filme. Theater etc., auch die allermeiste Erwerbsarbeit usw.), - auch ohne Internet.
So wichtig es ist, Kinder individuell in die Lage zu versetzen, ihr Leben als Erwachsene möglichst
"autonom", vor allem aber ÜBERHAUPT meistern zu können bzw. auf leidliche Weise (selbst) damit später "fertig zu werden", so sehr ist doch auch darauf zu drängen, ihnen Lebensmöglichkeiten zu verschaffen, die das ständige "Sich-Behaupten" NICHT so massiv zur Voraussetzung haben, wie das heute der Fall ist. (vergl. "Ellenbogengesellschaft" und Kriechertum).
Zitat:
(a) Kann man derzeit das Risiko abschätzen, dass viele Heranwachsende mehr Zeit im Netz verbringen und damit ihre Pubertät möglicherweise länger dauert bzw. nicht "zum Abschluss kommt"?
Also Reifungsverzögerungen bzw. dauerhaft fehlende Reifestufen sind seit je ein Problem vieler Hochkulturen (gewesen), besonders in ihrem Zenit und Niedergang.
Mal war's angeblich das Blei im Trinkwasser, dann Unterernährung usw.
Aus der bisherigen Statistik lässt sich die Internetnutzung NICHT als solcher Faktor deuten.
Eher scheint individuell UMGEKHERT ein Schuh draus zu werden: Wer Verzögerungen in der Pubertät hat, wirft sich eher für diesen Zeitraum auf's Internet, weil man sich bei den bisherigen Peer-Kontakten nicht mehr bzw. noch nicht wieder wohl fühlt.
Dabei können sich schiefe Gewohnheiten natürlich so verfestigen, dass man sie später kaum mehr ganz los wird (Glücks- u. Geschicklichkeitsspiele u.v.a.m.) , aber das galt schon immer, auch ohne Internet.
Da hilft nur, ALLE diesbezüglich besonders gefahrentragende Potentiale solcher "Pausen- u. Ausweichstrategien" im Blick zu behalten, und drohenden Verfestigungen ggfls. mit Verhinderungstaktik begegnen:
Ablenkung, Zuwendung, für Aufgaben "Einspannen", z. T. auch gegen Geld, notfalls Verbote usw.
by-the-way:
Das seltsame an der gegenwärtigen "Reifungsfrage" (Abgrenzung/Kongruenz zu/mit Regressions-Phänomenen) ist neben der heute vermutlich zunehmenden Spät- oder Fehlreife die ZUGLEICH immer FRÜHER eintretende Anfangsphase der Pubertät.
Die einzige "klassische" Erklärung von Rang war da m. E. das "Not-Blühten"-Theorem:
Bisher, im gesamten Geschichtszeitraum wie auch in "der Natur", war solche Vorverlagerung fast immer aus Notlagen bekannt, während die Spätreifung eher den Phasen des Wohlergehens zuzuordnen war.
Möglich, daß die gestiegenen Umwelthormone mitursächlich sind, - in jedem Fall besteht aber für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene durchaus ein erheblicher, grundsätzlicher Druck und existenzieller Stress:
Das Gesellschaftsmodell idealer Bürgerlichkeit stellt den selbstverantwortlichen Menschen in den Mittelpunkt, - zum Teil soweit, dass man tatsächlich glaubt(e), wenn jeder nur an sich dächte, sei doch an alle gedacht -, alle "Anderen", - die ("noch nicht" bzw. "nicht mehr") so "Selbstverantwortlichen" hängen diesem Modell blos an, SIE sind NICHT KONSTITUTIV für das Modell, ja im Gegenteil eher unpraktisch und belastend in der Realität bürgerlicher Gesellschaft.
Dies verschafft den jungen Menschen der Gesellschaft eine Freiheit zu Kindheits- u. Jugendzeiten, aber auch eine heikle Begründungsarmut ihrer "Stellung" in der Gesellschaft, - die zugleich auch gern FRÜHE Ausweise der Reife verteilt, um selbst Mitverantwortung zu reduzieren, und deutlich weniger, um den "Frischlingen" Gelegenheit zu geben in die (ja, auch: Mit-) Verantwortung hineinzuwachsen, - wobei sich u. a. Ellenbogengesellschaft und Kriecherei wiederum als äußerst hinderlich erweisen.
Viele Protagonisten der "Aufklärung" und des bürgerlich(er)en Staatswesens haben zu ihren Kindern
kaum ein Verhältnis gehabt, - Rousseau ließ seine gleich ganz im Waisenhaus -, dafür sollte in einer frühen Verfassung des revolutionären Frankreichs aber "Franzose sein, wer sich eines Waisenkindes annimmt", - überall auf der Welt. Auch dies mag die schräge Spannung illustrieren, in die eine Gesellschaft gerät, die so zentral auf Selbstverantwortung setzt.
Das könnte also einer der sozialen und gesellschaftspolitischen Grundstressoren sein, der mit zur beständigen Vorverlegung der Geschlechtsreifung führt.
Zitat:
(d) Werden viele Kinder schlechter erzogen, weil ihre Eltern computerspielsüchtig sind?
Hab ich im Umfeld schon erlebt! ABER: auch ohne PC-Spiele ging's nicht mehr gut, ja sogar VIEL schlechter:
ALLE anderen "Ausweichstrategien" waren um mehrere 10er-Faktoren (sozial-) schädlicher, als das ständige PC-Gedaddel, über dem zwar Wichtiges vernachlässigt wurde, über das aber die Kinder noch einen weiteren Zugang zum Elternteil hatten, sich in Geschicklichkeiten und Anderem üben konnten. (z. B. Bäckerei ->Arbeitsabfolgen kennen, optimieren. rechnen usw.)
Wie muss der Datenschutz der Zukunft aussehen?
Frage: Wie müssen wir in Zukunft an das Thema Datenschutz und Privatsphäre herangehen? Ist die generelle Einschränkung von Datensammlungen zielführend oder müsste man nicht eher die eigentlichen Gefahren mehr betrachten?
Hintergrund: Da das Internet in die Gesellschaft einzieht, verändert sie sich auch. Es ist nicht der eine Konzern Google oder Facebook, der unsere Daten sammelt, sondern ein jeder tut es, indem Fotos hochgeladen werden, getwittert wird usw. Insofern hat es der klassische Datenschutz, der meist auf ein Verbot des Datenspeicherns setzt, es schwer.
Weiterhin erschliessen diese Datensammlungen ja auch neue Möglichkeiten und bringen die Menschen einander sogar näher. Sollte man von daher nicht vom klassischen Datenschutz Abstand nehmen und sich mehr auf die Bereiche konzentrieren, die wirklich problematisch sind und für diese geeignete Lösungen finden?
Wie sieht es mit internationaler Zusammenarbeit aus? Wird diese genügend gefördert (nicht nur im Bereich Datenschutz) oder enden wir mit nationalen Regeln, die aber im Internetzeitalter nicht richtig wirkungsvoll sind, stattdessen aber die nationale Ansiedlung von Internetfirmen verhindern?