Ich finde es sehr bedauerlich, dass in der Urheberrechtsdiskussion so wenig über die Dauer der Schutzfristen gesprochen wird. Bei Ideen wie der Kulturflatrate oder der generellen Aufhebung des Urheberrechts für private, nichtkommerzielle Zwecke gibt es stets nur ein "ganz oder gar nicht". Dabei haben die meisten Internetnutzer sehr wohl Verständnis dafür, dass es für die Medienindustrie ein existenzielles Problem darstellt, wenn Filme oder Computerspiele bereits am Tag ihres Erscheinens rege getauscht werden. Spätestens aber wenn es um Filme geht, die schon zig mal im Fernsehen gezeigt wurden, die bereits zu ihrer Entstehungszeit Millionen eingespielt haben und die wie z.B. die deutschen "Winnetou" Verfilmungen längst zum allgemeinen Kulturgut gehören, hört das Verständnis abrupt auf.

Professor Lawrence Lessig wies daher auch schon vor Jahren darauf hin, dass das aktuelle Urheberrecht im digitalen Zeitalter zu einem Prohibitionsgesetz geworden ist, dass inzwischen ganze Generationen zu Gesetzesbrechern werden lies. Die Strategie der deutschen Medienindustrie die Strafverfolgung zu intensivieren und hunderttausende von Bürgern mit Abmahnungen zu überziehen sorgte, wie es bei Prohibitionen so üblich ist, dann auch nicht für das verschwinden des eigentlichen Phänomens, sondern nur dafür, dass spezialisierte Firmen wie kommerzielle Tauschbörsen-Anonymisierungsdienste oder die beliebten One-Click-Hoster entstanden sind, die nun gut daran verdienen, dass das Tauschen weitergehen kann und aufgrund der Professionalität dieser Firmen geht es ironischerweise inzwischen noch einfacher und schneller als je zuvor.

Ein anderes Prohibitionsphänomen ist der sinkende Respekt vor dem Gesetz durch den Umstand, dass man ständig gegen als unsinnig empfundene Gesetze verstößt und sich dies dann auch schleichend auf andere Bereiche auswirkt. So galt früher zum Beispiel der Grundsatz mit dem Tausch von Filmen und Musik kein Geld zu verdienen und dies nicht im gewerblichen Rahmen zu tun. Seit einige One-Click-Hoster nun aber Uploadern direkt Bargeld dafür anbieten, dass sie besonders beliebte Dateien über ihren Dienst tauschen und die Uploader wiederum auch einiges an finanziellem Aufwand betreiben durch Sicherungsmaßnahmen den Abmahnanwälten der Medienindustrie zu entgehen, ist auch dieses Tabu gefallen. Dies wird eben damit begründet, dass man sich durch das Tauschen an sich ja schon strafbar macht und man damit den Rahmen der Legalität sowieso schon verlassen hat. Darauf folgt dann in der Regel gleich noch Steuerhinterziehung, da die generierten Einnahmen natürlich auch nicht dem Fiskus gemeldet werden. Stattdessen erfreut sich dank diverser "Abschreckungsvideos" der Medienindustrie von Hausdurchsuchungen in Kinderzimmern aber inzwischen bereits bei Schülern der Brauch großer Beliebtheit den eigenen Computer mit Verschlüsselungsprogrammen, die selbst den Geheimdienst vor ernste Schwierigkeiten stellen, zu sichern, "falls die Polizei wegen der Kopien unser Haus stürmt".

Ich bin aber andererseits auch nicht der Meinung, dass man nun gleich ganz auf die Durchsetzung der deutschen Rechtsordnung im Internet verzichten muss. Ich bin sicher, dass sehr viele Bürger auch unbeliebten Maßnahmen wie der Blockade hierzulande illegaler Websiten aufgeschlossener gegenüberstehen würden, wenn das Urheberrecht im Gegenzug so abgeändert werden würde, dass dafür auch legale Tauschbörsenseiten entstehen könnten, die eben nur nicht das Tauschen der allerneusten Werke erlauben.

Der Entwurf für einen dritten Korb des Urheberrechtsgesetzes liest sich aber leider eher wie ein neues Lobbygesetz mit nur noch weiteren weltfremden Verschärfungen. So ist es z.B. aufgrund des Wesens digitaler Kopien prinzipiell gar nicht möglich zu überprüfen ob, wie vorgesehen, eine digitale Kopie vom Originaldatensatz oder doch nur von einer weiteren Kopie gezogen wurde. Genauso wenig wird man feststellen können, ob beim Kopieren der Besitzer des Originals oder ein Dritter den Kopierknopf betätigt hat und das Verbot "intelligenter" Aufnahmesoftware wird allerhöchsten die Gerichte kümmern, die über die Frage was "dumme" oder "intelligente" Software ist, streiten werden, während entsprechende Programme so oder so im Zweifelsfall als gemeinfreie Open-Source-Implementierung weiterhin die Runde machen werden.

Was die Schutzfristen an sich anbelangt so kann man dort leider auch nur einen negativen Trend feststellen. So sollten zum Beispiel unlängst die Verwertungsrechte auf EU-Ebene von bislang 50 auf 95 Jahre angehoben werden, wobei man sich schließlich mit einer vorläufigen Anhebung auf 70 Jahre zufrieden gab. Amüsanterweise wurde dies damit begründet, dass die Massenproduktion von Tonträgern erst in den 50er Jahren begann und man nun tatsächlich nach dem Gesetzt anfangen müsste Werke freizugeben. Hieran sieht man sehr schön die Agenda der Medienindustrie, die nichts geringeres anstrebt, als die totale Privatisierung der Kultur. Eine Welt in der sich neben jedem Werk, das noch von aktueller kultureller Relevanz ist, ein Münzeinwurfschlitz befindet. Dies wird aber auch in Zukunft weiterhin auf breite Ablehnung stoßen, egal wie viele "Raubkopierer sind Verbrecher" Kampagnen man noch startet.

Letzten Endes muss man daher sagen, dass die Frage des Urheberrechts im Grunde nichts weniger als die soziale Frage des Internetzeitalters darstellt und vom durch die Politiker immer wieder beschworenen kulturell-sozialen Interessenausgleich zwischen der Medienindustrie und der Bevölkerung aber leider immer noch nichts zu sehen ist. Wenn sich der Gesetzgeber aber weiterhin einseitig auf die Seite der Wirtschaftsverbände schlägt, wird der Kampf um das "geistige Eigentum" allerdings wohl noch ewig so weiter gehen.