Das UrhR ist von jeher darauf angelegt, einen Ausgleich zwischen privatem und öffentlichem Interesse herzustellen. Investitionsschutz und Verwertungsrechte hier und freier Zugang und kulturelle Bereicherung dort. In den letzten Jahren hat eine deutliche Verlagerung hin zu den privaten Interessen stattgefunden mit der zentralen Begründung, dass kreative Werke nicht ausreichend neu erschaffen würden, wenn der Schutz nicht stark genug ist. Begleitend wurde das Aufkommen von File-Sharing-Angeboten als Argument genutzt, dass eine Verschärfung der Rechtsposition der Urheber und ihrer Vertreter nötig wäre, um bestehende Geschäftsmodelle nicht zu gefährden.

Beide Argumente lassen sich empirisch widerlegen - kreative Werke entstehen auch ohne eine weitere Verschärfung des UrhR in ausreichendem Maße - oder zumindest nicht bestätigen: File-Sharing hat keine signifikant negativen Auswirkungen auf den Absatz von Musik (nachzulesen z.B. in dem exzellent geführten Blog von Peter Tschmuck: http://musikwirtschaftsforschung.wor...l-18/#more-291 bzw. ganz aktuell auf meinem Symposium zur Piraterie auf Informationsmärkten: http://www.infoconomy.de/Videos.387.0.html). Es lassen sich zudem viele Gründe dafür finden, warum die Umsätze mit Musik auf CD in den letzten Jahren rückläufig sind. Einer davon ist, dass die Kunden weniger Alben und dafür mehr einzelne Titel kaufen (weil neben den Alben als Zwangspakete online inzwischen auch Einzeltitel angeboten werden), was natürlich insgesamt einen geringeren Umsatz erzeugt. Fazit: File-Sharing ist also allenfalls ein Grund unter mehreren für die Umsatzrückgänge.

In dieser Diskussion gerät meines Erachtens der Nutzer unter die Räder. Er wird unnötig kriminalisiert. Wenn man also die soeben angeführten Argumente aufgreift und davon ausgeht, dass File-Sharing die bestehenden Geschäftsmodelle nicht ernsthaft in Frage stellt, wäre es angebracht, sich für eine Ausdehnung der Privatkopie auf den Online-Bereich einzusetzen. Vorteil: Diese Schrankenbestimmung ist bereits grundsätzlich eingeführt und bräuchte nur entsprechend ausgedehnt zu werden. Der Kompensationsmechanismus Geräteabgabe existiert ebenfalls schon und reicht prinzipiell aus, denn auch digitale Musik landet letztlich auf einem Endgerät. Eine Neuaushandlung der Sätze wäre auch nicht zwingend erforderlich. Festzulegen wäre natürlich der Umfang in dem Privatkopien erlaubt wären - 7 sind aus der physischen Welt bekannt. Vielleicht wären 20 - 30 angemessen. Über eine Neufassung dieser Grenze könnte sich vielleicht künftig ein echter Tausch zwischen Freunden a la Facebook entwickeln.

Dringend erforderlich wäre es und aus politischer Sicht auch unbedingt geboten, um die Diskussion zu versachlichen und das UrhR internettauglich zu machen, dass mehr über das Phänomen File-Sharing in Erfahrung gebracht wird (welche Auswirkungen hat es tatsächlich - vielleicht sogar positive (Stichwort Netzwerkeffekte), wie in mehreren qualitativ hochwertigen Studien belegt ist - wie sind verschiedene Branchen betroffen, welche alternativen Zugänge zu Informationsgütern existieren, die evtl. sogar mehr Verkehr erzeugen und welche Entwicklungen gibt es im Zeitablauf) und auch das Nutzerverhalten stärker untersucht wird. Wenn z.B. die File-Sharer ihren Weg in die Legalität ganz von selbst finden, wenn sie Geld verdienen und einen Job haben, wäre das ein Grund mehr, sie in einer bestimmten Lebensphase nicht unnötig zu Kriminellen zu machen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn die Enquete-Kommission diese Überlegungen in ihre Diskussion einfließen lassen würde.