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1.Untersuchungsausschuss (NSA)/- 22.05.2014
Berlin: (hib/KOS) Der Staat hat die Pflicht, die Bürger vor Verletzungen der Freiheitsrechte durch ausländische Geheimdienste zu schützen und deshalb deren Vorgehen zu unterbinden: Vor dem Untersuchungsausschuss, der den Spähskandal um den US-Nachrichtendienst NSA wegen der massenhaften Überwachung von Bürgern, Unternehmen und Politikern bis hin zu Kanzlerin Angela Merkel durchleuchten soll, erklärte der ehemalige Verfassungsgerichts-Präsident Hans-Jürgen Papier am Donnerstag, der Staat müsse für "grundrechtswahrende“ informationstechnologische Strukturen sorgen. Wolfgang Hoffmann-Riem appellierte an die Regierung, in Brüssel das deutsche Interesse an wirksamen Regeln zum Datenschutz, etwa bei Verträgen der EU mit den USA, mit Nachdruck zur Geltung zu bringen. Diplomatische Leisetreterei reiche nicht aus, sagte der Ex-Verfassungsrichter. Aus Sicht des Mannheimer Rechtsprofessors Matthias Bäcker wird die Glaubwürdigkeit der Kritik an der NSA dadurch untergraben, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) seinerseits im Ausland die Telekommunikation nahezu schrankenlos überwachen dürfe. Papier, Hoffmann-Riem und Bäcker waren nicht als Zeugen, sondern als Sachverständige geladen, die den NSA-Skandal unter dem Blickwinkel des hiesigen Verfassungsrechts erhellen sollten.
Unter Verweis auf das Karlsruher Urteil zur Vorratsdatenspeicherung betonte Papier, dass hierzulande das Sammeln und Speichern von Daten ohne konkreten Verdacht auf schwere Straftaten im Einzelfall "strikt untersagt" sei. Eine Ausnahme gelte nur für die strategische Aufklärung durch den BND. Die Grundrechte der Bürger müssten vom Staat auch gegenüber ausländischen Einrichtungen geschützt werden, die in der Bundesrepublik in Freiheitsrechte eingriffen, erläuterte der Jurist. Ebenso dürften deutsche Stellen Daten, die ihnen von ausländischen Geheimdiensten überlassen werden, nur auf der Grundlage hiesigen Rechts nutzen. Gleiches gelte für die Übermittlung von hierzulande erfassten Daten an ausländische Nachrichtendienste, wobei der Staat dafür Sorge tragen müsse, dass die Nutzung dieser Erkenntnisse im Ausland nach deutschen Standards erfolge.
Papier plädierte für schärfere Strafvorschriften im Fall von widerrechtlicher Datenausspähung. Sinnvoll wäre auch der Wechsel vom "Tatortprinzip" zum "Schutzprinzip", so dass deutsches Recht auch bei der Verletzung von Grundrechten deutscher Bürger im Ausland greifen würde. Überdies solle man Telekommunikationsunternehmen eine konsequente Datensicherung auferlegen, und zwar auch Firmen mit Sitz im Ausland, die hierzulande tätig sind.
Hoffmann-Riem unterstrich, dass der einzelne Bürger nicht in der Lage sei, den Schutz seiner freien Kommunikation durchzusetzen und dass es deshalb die Aufgabe des Staats sei, die Integrität informationstechnischer Systeme zu gewährleisten. Deshalb sei der Staat auch gefordert, wenn Ausländer in der Bundesrepublik gegen Gesetze verstießen, schließlich sei Spionage verboten. Beim Datenschutz fehle jedoch bislang die Bereitschaft, beklagte der ehemalige Karlsruher Richter, das Potenzial des Grundgesetzes voll zu nutzen. Aus Sicht des Sachverständigen steht beim Internet der Freiheitsschutz im Vordergrund. Allerdings stammten die entsprechenden Normen noch aus der "Postkutschenzeit", nötig sei der Einbau eines "globalen Grundrechtsschutzes" in die Verfassung. Auf internationaler Ebene werde der Schutz einer freien Kommunikation nicht sehr effizient wahrgenommen, was etwa für Kontrollen durch die Vereinten Nationen gelte. In der EU leiste der britische Geheimdienste Widerstand, obwohl er an die Grundrechtsnormen der EU und des Europarats gebunden sei, monierte Hoffmann-Riem.
Scharfe Kritik vor allem an der Auslandsaufklärung des BND äußerte Bäcker. Es sei "kein erfreulicher Zustand", wenn der NSA das vorgeworfen werde, was dem BND erlaubt sei. Nach Auffassung des Wissenschaftlers ist die weitreichende Überwachung des Datenverkehrs im Ausland durch den deutschen Geheimdienst eigentlich rechtswidrig, da dieses Vorgehen im Prinzip unter deutsche Gesetze falle. Tatsächlich existierten für die Erfassung von Telekommunikationsdaten durch den BND im Ausland aber nahezu keine rechtlichen Hürden. Einschränkungen gebe es nur wegen der begrenzten technischen und personellen Kapazitäten des BND, so Bäcker.