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Der Europarat tritt nicht nur auf dem hiesigen Kontinent, sondern weltweit für die Abschaffung der Todesstrafe ein, betont Marina Schuster im Interview. Als Straßburger Beauftragte für die Bekämpfung der Todesstrafe will die FDP-Bundestagsabgeordnete gegenüber den USA und Japan darauf dringen, dass diese als Beobachterstaaten beim Europarat dessen Politik bei diesem Thema Rechnung tragen und zumindest ein Moratorium bei Hinrichtungen einführen. Das Interview im Wortlaut:
Frau Schuster, was hat Sie motiviert, dieses Amt zu übernehmen?
Seit Jahren bin ich Sprecherin der FDP-Bundestagfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, und in dieser Funktion habe ich mich oft mit dem Problem der Todesstrafe befasst. Gleiches gilt für meine Tätigkeit als erste Vizevorsitzende des Rechtsausschusses bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Der Kampf für die Abschaffung der Kapitalstrafe gehört zu den Kernaufgaben des Straßburger Staatenbunds als Sachwalter von Grundrechten und freiheitlicher Demokratie. Da will ich mich über meine neue Aufgabe intensiver einbringen.
Wie kam es zu Ihrer Ernennung in Straßburg? Verspricht diese Funktion viel machtpolitischen Einfluss?
Ich habe die Arbeit meiner Vorgängerin Renate Wohlwend aus Liechtenstein mit hoher Wertschätzung verfolgt. Nach deren Ausscheiden habe ich im Rechtsausschuss des Europarats mein Interesse an Wohlwends Nachfolge bekundet und wurde dann auch gewählt. Dies freut mich, schließlich ist solche eine Wahl ein Zeichen der Anerkennung meiner bisherigen politischen Arbeit. Macht im eigentlichen Sinne bringt dieses Amt nicht mit sich. Meine Mitstreiter und ich vermögen nur öffentlichen Druck zu erzeugen, um etwa mit Interventionen beim jeweiligen Staatsoberhaupt eine irgendwo auf der Welt anstehende Exekution zu vermeiden. Im Erfolgsfall hat das Straßburger Mandat schon viel gebracht.
Nun wird im Einzugsbereich des Europarats niemand mehr hingerichtet, 46 Nationen haben diese Sanktion abgeschafft, in Russland steht die Todesstrafe noch im Gesetzbuch, wird aber nicht mehr angewandt. Hat die erfolgreiche Straßburger Politik auf diesem Gebiet ihre Funktion nicht überflüssig gemacht?
In keiner Weise. Der Europarat hat es sich zur Aufgabe gemacht, weltweit für das Ende der Kapitalstrafe einzutreten. Konkret aktiv sind wir in diesem Sinne derzeit vor allem in Marokko und in Palästina, die beide eine "Partnerschaft für Demokratie" mit unserem Staatenbund eingegangen sind. Gegenüber Russland, wo immer mal wieder bis in höchste Regierungskreise hinein die erneute Anwendung der Todesstrafe verlangt wird, müssen wir wachsam bleiben. In Belarus kommt es unter dem Regime Lukaschenko nach wie vor zu Hinrichtungen. Dieser Staat ist zwar nicht Mitglied des Europarats, doch wir streben an, dass die Kapitalstrafe auf dem gesamten Kontinent endgültig verschwindet.
Welche Aufgaben haben Sie sich gestellt?
Zu meinen vorrangigen Aktivitäten wird es gehören, gegenüber den USA und Japan darauf zu dringen, dass sie als Beobachterstaaten beim Europarat dessen Politik beim Thema Todesstrafe Rechnung tragen und zumindest ein Moratorium bei Exekutionen einführen. Gegenüber jenen Ländern außerhalb des Europarats, die an der Kapitalstrafe festhalten, will ich dafür eintreten, dass in einem ersten Schritt zumindest keine Jugendlichen und keine Menschen mit geistiger Behinderung mehr exekutiert werden. Zudem werde ich darauf pochen, dass bei Prozessen, die in die Verhängung von Todesstrafen münden können, rechtsstaatliche Standards in besonders hohem Maße gewahrt werden, um Fehlurteile möglichst zu vermeiden. Beispielsweise sind sehr qualifizierte Verteidiger vonnöten.
Heikel ist die Politik des Europarats gegenüber den USA und Japan. Straßburg kann Washington und Tokio nicht zwingen, wie die 47 Mitgliedsnationen die Kapitalstrafe abzuschaffen oder wenigstens Todesurteile nicht zu vollziehen.
Das stimmt, wir haben formell kein Mittel in der Hand, die beiden Länder zu einer Kehrtwende zu veranlassen. Aber ich denke schon, dass sich für Japan und die USA aus ihrem Beobachterstatus in Straßburg die politische Pflicht ableitet, sich ebenso wie die Europaratsstaaten von der Todesstrafe zu verabschieden. Da werde ich konsequent am Ball bleiben. Zu den Möglichkeiten, die ich habe, zählen öffentliche Erklärungen, Gespräche mit Parlamentariern und Regierungsmitglieder in den USA und Japan, auch die Teilnahme an Kongressen und Seminaren in diesen Ländern. Ich bin durchaus optimistisch, man sollte das Gewicht des Europarats nicht unterschätzen.
Wie kommt der Straßburger Staatenbund eigentlich dazu, sich außerhalb des hiesigen Kontinents in die Innenpolitik anderer Länder einzumischen und dort das Ende der Kapitalstrafe durchsetzen zu wollen? Dazu hat der Europarat doch keine Legitimation.
Nun, nationale Souveränität war eigentlich nie grenzenlos. Der Souveränitätsbegriff hat sich inzwischen weiter gewandelt. Menschenrechte sind heute eine universelle Angelegenheit, einzelne Staaten können nicht mehr einfach schalten und walten wie sie wollen. Dies gilt besonders bei einem so essentiellen Problem wie der Todesstrafe. In diesem Sinne haben der Europarat und ich in meiner jetzigen Funktion zwar keine formelle Macht, Länder außerhalb des Kontinents zur Eliminierung der Kapitalstrafe zu zwingen, aber sehr wohl ein politisches Mandat, für dieses Ziel weltweit einzutreten.
(kos/08.07.2013)