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"Wir müssen in Straßburg Klartext reden"

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats soll sich verstärkt darum kümmern, mahnt Axel E. Fischer, wie es in den Mitgliedsländern des Staatenbunds um Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht: "Im Falle von Defiziten müssen wir Klartext reden", fordert der CDU-Politiker im Interview. Der 47-Jährige ist Leiter der neuen 18-köpfigen Bundestagsdelegation in Straßburg. Dort wurde ihm das Amt des Vizepräsidenten der Versammlung und Vorsitzender des Gremiums übertragen, das den Europapreis für herausragende Leistungen im Bereich der Städtepartnerschaften vergibt. Der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Karlsruhe-Land war in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" im Bundestag. Vom 27. bis 31. Januar 2014 findet in Straßburg die Wintersession des Europaratsparlaments statt. Das Interview im Wortlaut:


Herr Fischer, was hat Sie bewogen, das Amt des Leiters der Bundestagsdelegation zu übernehmen?

Ich habe bereits zwei Wahlperioden im Parlament des Staatenbunds mitgearbeitet. Dabei wurde mir zusehends deutlicher, welch enorme völkerverbindende Aufgabe der Europarat hat, und zwar auf dem gesamten Kontinent unter Einbeziehung auch osteuropäischer Länder. Dies reizt mich, mich noch stärker zu engagieren. Meine Erfahrungen und Kenntnisse will ich nutzen, um in der Tradition meines Vorgängers Joachim Hörster den Beitrag, den die deutsche Delegation in Straßburg leistet, auch künftig sichtbar zu machen.

Wie sehen Sie die Rolle des Staatenbunds im internationalen Geflecht? Hat der Europarat etwas Spezifisches, etwas Unverwechselbares?

Durchaus. Im Kern soll der Europarat für den Schutz von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sorgen. Die Achtung dieser Werte ist für ein gedeihliches Zusammenleben in einer Gesellschaft, aber auch der Völker unverzichtbar. Im politischen Alltagsstreit wird oft übersehen, welche enorme Leistung der Staatenbund dabei erbringt. Der Europarat kann nicht mit einem großen Budget aufwarten, auch nicht mit finanziellen Hilfen, wie sie der EU möglich sind. Der Staatenbund bildet aber das Fundament, auf dem die EU aufbaut. Er umfasst mit 47 Nationen fast den gesamten Kontinent, nur Weißrussland fehlt. Straßburg demonstriert, dass Europa mehr ist als die EU. Insofern kommt dem Europarat auch eine identitätsstiftende Aufgabe zu. Alle Bürger zwischen Atlantik und Kaukasus können sich als Europäer fühlen, das ist ein bleibendes Verdienst der ältesten internationalen Organisation auf dem Kontinent.

Wird Straßburg dem zentralen Auftrag gerecht, für freiheitliche Rechtsstaatlichkeit, für Bürgerrechte einzutreten?

Das für den einzelnen Bürger wirksamste Instrument ist der Menschenrechtsgerichtshof, dem unsere uneingeschränkte Unterstützung gilt. Zudem machen die Debatten im Plenum und in den Ausschüssen des Parlaments sowie die Expertisen der Berichterstatter auf Probleme in Mitgliedsnationen aufmerksam, stellen eine europaweite Öffentlichkeit her und erzeugen so Druck, Missstände abzustellen.  Allerdings mangelt es zuweilen an der öffentlichen Wahrnehmung dieser Kritik, leider lassen auch die Medien oft das gebotene Interesse vermissen.

Seit Jahren wird Klage geführt, das Europaratsparlament verzettele sich thematisch. Energie- und Rundfunkpolitik etwa, über die bei der Wintersitzung diskutiert wird, gehören nicht unbedingt zu den zentralen Straßburger Aufgaben.

An dieser Kritik ist etwas dran. Ich werde mich im Präsidium des Parlaments dafür einsetzen, dass sich unsere Versammlung auf den Kern des Straßburger Auftrags konzentriert. Ich möchte mehr Aufmerksamkeit darauf lenken, wie es aktuell um Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsländern steht. Im Falle von Defiziten müssen wir Klartext reden.

Beim Europarat steht die Neuwahl des Generalsekretärs an. Werden Sie sich als Delegationsleiter für die von der deutschen Regierung benannte Kandidatin engagieren, für Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die gegen den norwegischen Amtsinhaber Thorbjörn Jagland und den Franzosen Jean-Claude Mignon antritt, den Präsidenten des Europaratsparlaments?

Es ist zu begrüßen, dass wir eine qualifizierte deutsche Bewerberin für dieses Amt haben. Wir sind in der Delegation der Meinung, dass alle drei Kandidaten auf der Vorschlagsliste stehen sollten, die das Ministerkomitee als höchstes Gremium im Europarat den Abgeordneten für die Wahl im Juni unterbreiten wird. Die Bundestagsvertreter werden sich ein eigenes Bild von den Bewerbern machen und dann nach bestem Wissen und Gewissen ihre Entscheidung treffen.

Was haben Sie sich persönlich vorgenommen?

Ich möchte mithelfen, dass sich unsere Delegation trotz aller politischer Differenzen kooperativ und sachorientiert in die Arbeit des Europaratsparlaments einbringt. Vonnöten ist dabei ein enger Kontakt mit Delegationen anderer Mitgliedsnationen. Vordringlich ist im Übrigen, zwischen Europarat und EU Doppelarbeit und doppelte Strukturen zu vermeiden, schon gar nicht dürfen Straßburg und Brüssel gegeneinander konkurrieren. Diese Mahnung richtet sich in erster Linie an die EU. Brüssel sollte endlich der Menschenrechtscharta des Europarats beitreten und sich damit der Rechtsprechung des Menschenrechtsgerichtshofs unterwerfen.

(kos/24.01.2014)