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Zu einem heftigen Schlagabtausch, dem Anträge der Linksfraktion (18/302) und der Grünen (18/381) zugrundelagen, führte am Freitag, 21. Februar 2014,die Debatte über das Thema Vorratsdatenspeicherung im Plenum des Bundestages. Jan Korte (Die Linke) sprach von einem "Super-GAU für die freie Kommunikation", Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) von einer "Kernfrage der Bürgerrechte in der digitalen Welt". Aus Sicht von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) ist dieses Mittel unverzichtbar beim Vorgehen gegen schwere Kriminalität. Christian Flisek (SPD) mahnte, vor einer Entscheidung über dieses umkämpfte Thema das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung abzuwarten.
Linke und Grüne rufen in ihren Anträgen die Koalition auf, der umstrittenen Erfassung von Telekommunikationsdaten eine Absage zu erteilen, und dies unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH.
Bei der Vorratsdatenspeicherung werden die Telekommunikationsanbieter verpflichtet, für einen bestimmten Zeitraum bei sämtlichen Bürgern ohne Verdacht auf eine Straftat vollständig zu registrieren, wer mit wem wann telefoniert hat, wer sich wann was im Internet angeschaut hat und wer wann wem eine Mail, eine SMS oder ein Fax geschickt hat. Justiz und Polizei können diese Erkenntnisse unter bestimmten Bedingungen für Ermittlungen nutzen.
Notz nannte die "anlasslose Überwachung" aller Bürger "maßlos" und "unverhältnismäßig". Der Grünen-Politiker verwies auf das Verfassungsgericht, das vor einem "diffusen Gefühl des Überwachtwerdens" warne. Zwar sei im Karlsruher Urteil über die Aufhebung des ersten Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung dieses Instrument nicht generell untersagt worden.
Die obersten Richter hätten indes die Erstellung einer "Überwachungsgesamtrechnung" angemahnt, so Notz. Man müsse also beachten, dass die Bürger bereits einer Vielzahl von Überwachungsmaßnahmen unterlägen, wozu auch die Ausforschung durch den US-Geheimdienst NSA gehöre. Bei Ermittlungen führe die Vorratsdatenspeicherung nur zu Erkenntnissen im Promillebereich.
Wie Notz warf Korte der SPD vor, sich vor der Bundestagswahl kritisch zur Vorratsdatenspeicherung geäußert, inzwischen aber einen Schwenk vollzogen zu haben. Der Linkspolitiker beklagte, dass diese Maßnahme den "gläsernen Menschen" ermögliche. Die Erfassung von täglich 500 Millionen Datensätzen ebne den Weg in den Überwachungsstaat.
Nach Studien des Max-Planck-Instituts, erläuterte der Parlamentarier, führe ein Verzicht auf die Sammlung der Telekommunikationsdaten nicht zu rechtlichen Schutzlücken, auch nicht im Fall von Kindesmissbrauch. Im Blick auf das bevorstehende Urteil des EuGH sagte Korte: Nicht alles, was juristisch erlaubt sei, "muss auch politisch gemacht werden".
Die Union nehme die Bürger- und Freiheitsrechte ernst, betonte Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU), und wolle den Bedenken des Verfassungsgerichts Rechnung tragen. Bei der Vorratsdatenspeicherung gehe es jedoch auch um die Frage der Sicherheit, meinte der CSU-Abgeordnete. In Augsburg habe man etwa einen Mord nur mit Hilfe der Funkzellenabfrage aufklären können. Bei der Vorratsdatenspeicherung würden lediglich Daten, die ohnehin vorhanden seien, im Fall von Schwerkriminalität in begrenztem Maße für Ermittlungen genutzt.
Patrick Sensburg führte aus, man müsse verschiedene Freiheitsrechte gegeneinander abwägen. Die Vorratsdatenspeicherung stelle einen "intensiven Grundrechtseingriff" dar, räumte der CDU-Abgeordnete ein. Auf der anderen Seite müsse man auch andere Grundrechte beachten. Der Kinderschutz stehe jedenfalls über dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Es gelte, auch im digitalen Zeitalter die Freiheitsrechte zu wahren, unterstrich Christian Flisek. Der SPD-Parlamentarier warnte aber vor "Aktionismus": Man solle erst einmal das EuGH-Urteil zur Brüsseler Richtlinie "mit Geduld abwarten". Flisek rechnet damit, dass das Luxemburger Gericht die EU-Vorgabe zur Vorratsdatenspeicherung nicht in ihrer jetzigen Form belassen werde.
Offen sei allerdings, wie weit die Kritik der Richter reichen werde. Werde die Richtlinie komplett verworfen, entfalle auch die Notwendigkeit, hierzulande die Vorratsdatenspeicherung einzuführen, so der Abgeordnete. Hebe der EuGH die Brüsseler Regelung nur in Teilen auf und mache die Datensammlung von Änderungen etwa bei der Speicherdauer abhängig, werde man eine neue Debatte führen müssen.
Nach ihrer "persönlichen Auffassung", so Christina Kampmann (SPD), könne es keine verfassungskonforme Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung geben, weil diese selbst grundgesetzwidrig sei. (kos/21.02.2014)