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Wehrbeauftragter fordert Reformkorrekturen


Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, hat erneut Nachbesserungen an der Bundeswehrreform gefordert. Die anstehende Evaluierung müsse genutzt werden, um Fehlentwicklungen zu korrigieren. Ansonsten sei zu befürchten, dass die Neuausrichtung der Streitkräfte ihre Ziel nicht erreichen werde, sagte Königshaus am Donnerstag, 20. März 2014, in der Debatte über den von ihm vorgelegten Jahresbericht 2013 (18/300).

Eingabenquote steigt auf Höchststand

Königshaus monierte, dass die Bundeswehr derzeit ihre alte und die angestrebte neue Struktur gleichzeitig betreibe. Zeitgleich müsse die Truppe die Belastungen durch die Auslandseinsätze abfangen. Dies führe immer wieder zu enormen Personalengpässen. Besonders stark davon betroffen seien beispielsweise der Lufttransport, das Sanitätswesen und auch die Marine.

Die Truppe sei in vielen Bereichen "an den Grenzen der Belastbarkeit". Dies spiegele sich auch in der Zahl der Eingaben an sein Büro, die einen historischen Höchststand erreicht hätten. Insgesamt erreichten den Wehrbeauftragten im vergangenen Jahr 5.095 Eingaben aus der Truppe. Im Jahr zuvor waren es lediglich 4.309 gewesen. Gleichzeitig sank aber der Umfang der Streitkräfte von rund 198.000 auf 184.000 Soldaten. Damit stieg die Eingabenquote von 2012 bis 2013 um mehr als 20 Prozent von 21,8 auf 27,7 pro tausend Soldaten und damit auf den höchsten Stand in der Geschichte der Bundeswehr.

Ministerin: Dienst und Familie vereinbaren

Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) räumte in der Debatte ein, dass es der Bundeswehr nicht in allen Fällen gelinge, den Soldaten nach einem viermonatigen Auslandseinsatz eine 20-monatige Nachbereitungszeit vor dem nächsten Auslandseinsatz zu gewähren. In 75 Prozent aller Fälle gelinge dies, aber im Sanitätswesen, bei den Spezialpionieren oder dem Lufttransport könne diese Regel derzeit nicht eingehalten werden. Die Ministerin machte in ihrer Rede deutlich, dass auch zukünftig gerade diese Einheiten der Bundeswehr und ihre Fähigkeiten von den Nato- und EU-Verbündeten in internationalen Einsätzen abgefragt würden.

Von der Leyen bekräftigte ihre Ankündigung, die Vereinbarkeit von Dienst und Familie deutlich zu verbessern. Dazu gehöre auch die Einführung neuer Arbeitszeitmodelle, bei denen sich zwei Soldaten einen Dienstposten teilen. Ein entsprechender Modellversuch in der Luftwaffe werde ausgeweitet. Die Ministerin äußerte sich optimistisch, dass die Bundeswehr trotz der Belastungen für die Soldaten auch zukünftig ein attraktiver Arbeitgeber sein werde. So kämen zwei Drittel aller Zeitsoldaten bereits mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung zur Truppe.

Linke: Mensch steht nicht im Mittelpunkt

Die Linksfraktion nutzte die Debatte, um ihre prinzipielle Ablehnung der Auslandseinsätze der Bundeswehr zu erneuern. Der Mensch stehe eben nicht im Mittelpunkt bei den Streitkräften wie Ministerin von der Leyen behaupte, monierte die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Christine Buchholz, "sondern die geostrategischen Interessen Deutschlands".

Dies zeige sich deutlich an der erneut gestiegenen Zahl von Soldaten, die mit posttraumatischen Belastungsstörungen aus den Einsätzen zurückkehren. Rund ein Viertel aller Heimkehrer litten unter solchen Störungen; Depressionen und Alkoholmissbrauch seien in vielen Fällen die Folge. Dies habe gravierende Folgen für das Familienleben der Soldaten. So liege die Scheidungsrate in einigen Einheiten der Bundeswehr bei inzwischen 80 Prozent.

Jeder Abgeordnete, der für Auslandseinsätze stimme, sei dafür mitverantwortlich, kritisierte Buchholz. Insgesamt sei der Jahresbericht des Wehrbeauftragten eine "schallende Ohrfeige" für den ehemaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière, sagte Buchholz.

Grüne: Schlechte Personalplanung in den Streitkräften

Auch die Verteidigungspolitikerin Doris Wagner (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Regierung vor, ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Soldaten nicht gerecht zu werden. Bevor Ursula von der Leyen mehr Verantwortung in der Welt übernehmen wolle, solle sie zunächst ihre Verantwortung gegenüber den Soldaten übernehmen, hielt Wagner der Verteidigungsministerin in Anspielung auf deren Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz entgegen.

Wagner kritisierte vor allem die aus ihrer Sicht schlechte Personalplanung in den Streitkräften. Schon jetzt würden militärische Liegenschaften nicht mehr ausreichend geschützt. Als Beleg führte sie unter anderem den Diebstahl von rund 30.000 Schuss Munition aus der Fallschirmjägerkaserne im niedersächsischen Seedorf. Hart ins Gericht ging Wagner auch mit der mangelhaften Entschädigung von ehemaliger Bundeswehrsoldaten, die in den 1960er Jahren durch Radarstrahlung gesundheitlich geschädigt worden seien. Diese müssten immer wieder Prozesse führen, um zu ihrem Recht zu kommen. Und die Regierung scheue sich nicht, im Erfolgsfall Revision gegen die Urteile einzulegen.

CDU/CSU: Bericht zeichnet kein vollständiges Bild

Deutlich entspannter gingen die Vertreter der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD mit den Ergebnissen des Wehrberichts um. Die CDU/CSU-Verteidigungspolitikerinnen Anita Schäfer und Julia Bartz warfen den Medien vor, den Jahresbericht des Wehrbeauftragten für eine verzerrende Berichterstattung über den Zustand der Truppe zu nutzen. Der Bericht sei natürlich immer ein "Mängelbericht", argumentierte Bartz. Dieser zeichne aber kein vollständiges Bild von der Truppe.

Kritisch setzte sich Schäfer mit den Ergebnissen der Studie "Truppenbild ohne Dame?" des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr auseinander. Der Bericht zeichne ein viel differenzierteres Bild von der Situation der Frauen in den Streitkräften als die Berichterstattung glauben machen wolle. Prinzipiell komme es in der Truppe zu nicht mehr sexuellen Belästigungen und Übergriffen gegenüber Frauen als in der Gesellschaft.

SPD lobt seelsorgerischen Dienst

Die SPD-Verteidigungspolitikerin Heidtrud Henn appellierte an die Soldaten, kritikwürdige Zustände in der Truppe zu verbessern. Nicht hinzunehmen sei ein schlechter Umgangston von Vorgesetzten gegenüber ihren Untergebenen und sexuelle Belästigungen von Frauen in der Truppe. Im Gegensatz zu den dringend nötigen Investitionen in den Sanitätsdienst, der selbst "zum Patienten" geworden sei, sei ein angemessener Umgang der Soldaten untereinander und ein kameradschaftliches Verhältnis eben "kostenlos".

Henn lobte ausdrücklich den seelsorgerischen Dienst der Militärpfarrer der christlichen Kirchen in der Bundeswehr, über den im Wehrbericht auch keine Beschwerden zu finden sei. Sie sprach sich dafür aus, die Truppe auch für Seelsorger anderer Religionen zu öffnen. (aw/20.03.2014)