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Einen Schlagabtausch über die Zukunft der Vorratsdatenspeicherung im Zeichen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der die EU-Richtlinie zu dieser umstrittenen Ermittlungsmethode für nichtig erklärt hatte, lieferten sich am Freitag, 9. Mai 2014, Opposition und Koalition in einer Plenardebatte. Linke und Grüne traten aus Gründen des Datenschutzes mit Nachdruck dafür ein, nach der Entscheidung der EU-Richter endgültig auf dieses Instrument zu verzichten. CDU und CSU plädierten für eine Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherung unter Berücksichtigung der vom EuGH wie früher vom Bundesverfassungsgericht geäußerten Kritik.
Die SPD warb für einen intensiven Dialog, um international verbindliche Standards zur Wahrung der Grundrechte in einer digitalisierten Welt zu erarbeiten. Der Aussprache lagen eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (18/999) zu Anträgen der Linken (18/302) und der Grünen (18/381) sowie ein weiterer Antrag der Grünen (18/1339) zugrunde, in denen die Oppositionsfraktionen sowohl auf nationaler wie auf EU-Ebene eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ablehnten.
Aus Sicht von Katja Keul bedeutet das EuGH-Urteil das "dauerhafte Ende der Vorratsdatenspeicherung". Die Grünen-Abgeordnete rief dazu auf, "dieses Kapitel endgültig abzuschließen". Die EU-Richter hätten festgestellt, dass die Sammlung aller Telekommunikationsverbindungsdaten fast der gesamten Bevölkerung einen massiven Eingriff in die EU-Grundrechtecharta darstelle.
Die Vorratsdatenspeicherung richte sich auch gegen Personen, bei denen kein Verdacht auf eine Straftat existiere. Keul betonte, unter rechtsstaatlichem Blickwinkel müsse zunächst einmal ein Verdacht existieren, bevor Ermittlungen begännen. Sie kritisierte die Innenpolitiker der Union, weil sie trotz der EuGH-Entscheidung in einer "Erfurter Erklärung" eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung forderten: "Was ist das für ein Rechtsstaatsverständnis?"
Jan Korte sagte, das EuGH-Urteil erlaube eine "Zeitenwende" hin zu mehr Datenschutz. Für den Abgeordneten der Linken markiert die Vorratsdatenspeicherung einen "Generalverdacht gegen alle Bürger". Mit diesem Instrument gehe auch ein "enormer Anschlag" auf die Pressefreiheit einher, da der journalistische Quellenschutz nicht mehr gewährleistet sei.
Korte verwies auf Studien des Max-Planck-Instituts, wonach seit dem schon vor dem EuGH-Votum vom Bundesverfassungsgericht in Deutschland verfügten Aus für die Vorratsdatenspeicherung keine Lücke bei der Strafverfolgung sichtbar geworden sei. Karlsruhe und Luxemburg hätten die Vorratsdatenspeicherung zwar nicht generell verboten, aber vom Gesetzgeber auch nicht verlangt, eine reformierte Version dieses Instruments zu beschließen. Korte trat dafür ein, alle Sicherheitsgesetze zu überprüfen.
Prof. Dr. Patrick Sensburg beklagte, dass nach den höchstrichterlichen Entscheidungen zur Vorratsdatenspeicherung nun ein "wichtiges Ermittlungsinstrument" zur Aufklärung von Schwerkriminalität nicht mehr zur Verfügung stehe. Allerdings hätten das hiesige Verfassungsgericht und der EuGH die Vorratsdatenspeicherung an sich nicht verworfen, so der CDU-Abgeordnete.
Laut Karlsruher Urteil könne man mit diesem Instrument legitime Interessen verfolgen, und aus Sicht des EuGH könne die Vorratsdatenspeicherung ein "nützliches Mittel" bei Ermittlungen sein. Sensburg sagte, beide Instanzen hätten Bedingungen benannt, die eine Vorratsdatenspeicherung erlaubten. Er trat für eine verfassungskonforme Neuregelung ein, die im Blick auf Eingriffe in Grundrechte die Verhältnismäßigkeit wahrt.
Dr. Volker Ullrich (CSU/CSU) mahnte, besonnen vorzugehen. Zunächst solle man die Analyse des EuGH-Urteils durch das Innen- und das Justizministerium abwarten. Gleiches gelte für die Konsequenzen, die von der Brüsseler Kommission aus dem Luxemburger Spruch gezogen würden. Ullrich plädierte dafür, auch zu prüfen, ob es vielleicht "gleichwertige Alternativen" zur Vorratsdatenspeicherung gebe. Grundsätzlich verteidigte er dieses Instrument, das zur Aufklärung schwerer Straftaten sinnvoll sein könne.
Begrüßt wurde die EuGH-Entscheidung von Christian Flisek (SPD), dessen Fraktionskollege Lars Klingbeil von einem "wegweisendem Urteil" sprach. Luxemburg habe einen bedeutsamen Beitrag zur Ausgestaltung des Schutzes von Grundrechten auf EU-Ebene geleistet, so Flisek. Er würdigte auch die "besonnene Haltung" von Justizminister Heiko Maas (SPD) bei diesem Konflikt. Ohne die Union zu erwähnen, wandte sich der Abgeordnete gegen "nationale Alleingänge" bei der Vorratsdatenspeicherung, lehnte im Blick auf die Opposition aber auch "aktionistische Anträge" ab.
Ein "holzschnitzartiges Schwarz-Weiß" helfe nicht weiter. Flisek rief dazu auf, bei diesem Thema "ideologisch abzurüsten". Angesichts grenzübergreifender Datenströme in einer zunehmend digitalisierten Welt könnten nur auf EU- wie auf völkerrechtlicher Ebene getroffene Vereinbarungen zum Datenschutz helfen. Erforderlich sei jetzt ein "kluges Vorgehen" mit einem intensiven Dialog über die Vorratsdatenspeicherung im Rahmen der EU. (kos/09.05.2014)