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Streit um Anforderungen an das Ausbildungssytem


Zu einem Wortgefecht zwischen Regierung und Opposition über die Zukunft der beruflichen Bildung geriet am Donnerstag, 22. Mai 2014, die Debatte über den Berufsbildungsbericht 2014 (18/1180). Alle Fraktionen stimmten zwar darin überein, dass das duale Ausbildungssystem angesichts der im europäischen Vergleich niedrigen Jugendarbeitslosigkeitsquote von unter acht Prozent ein Erfolgsmodell ist. Die Meinungen gingen jedoch stark auseinander, wie das System für neue Anforderungen gerüstet werden müsse. Die Oppositionsfraktionen kritisierten insbesondere, dass trotz einer guten wirtschaftlichen Situation noch immer zu viele junge Menschen keine Aussicht auf einen Ausbildungsplatz hätten. In ihrem Antrag (18/1454) forderte Die Linke die Bundesregierung deshalb auf, das „Recht auf Ausbildung umzusetzen“ und allen jungen Menschen eine „vollqualifizierende Ausbildung“ zu ermöglichen.

"Allianz für Aus- und Weiterbildung"

Für eine „Strukturreform zur Öffnung und Modernisierung  der beruflichen Bildung“ setzten sich dagegen Bündnis 90/Die Grünen in ihrer Vorlage (18/1456) ein. CDU/CSU und SPD verteidigten grundsätzlich das deutsche Berufsbildungssystem.

Um aber auch künftig Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, plädierten die Koalitionsfraktionen in einem gemeinsamen Antrag (18/1451) dafür, den Ausbildungspakt in eine „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ weiterzuentwickeln und eine „Ausbildungsgarantie“ umzusetzen.

Ministerin: Qualitätsniveau ein Wettbewerbsvorteil

Bundesbildungsministerin Dr. Johanna Wanka (CDU) lobte das deutsche Ausbildungssystem mit seinem hohen Qualitätsniveau als „entscheidenden Wettbewerbsvorteil“. Das bestätige der aktuelle Berufsbildungsbericht. „Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei unter acht Prozent, nur Österreich ist hier in Europa besser.“

Doch trotz dieser positiven Zahlen zeige der Bericht aber auch Probleme auf, räumte Wanka ein: Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sei um 3,5 Prozent gesunken, die der ausbildenden Betriebe auf 21 Prozent. „Das ist der tiefste Stand seit 1990.“

Zunehmend klafften auch Angebot von Ausbildungsplätzen und Nachfrage auseinander. „Wir haben ein Anpassungsproblem.“ Es gelte schnell zu handeln, damit diese Situation nicht zur „Innovationsbremse“ der Wirtschaft würde.

Linke fordert Anspruch auf einen Ausbildungsplatz

Dr. Rosemarie Hein warf der Ministerin vor, die Probleme zu verharmlosen: „Nur von Passungsproblemen zu sprechen ist eine Beschönigung. Wir haben eine massive Ausbildungslücke“, sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Den Ausbildungspakt der Bundesregierung bezeichnete sie als „gescheitert“. 257.000 jungen Menschen würden stattdessen in ein Übergangssystem geschickt, das zu keiner Ausbildung führe. „Es muss einen verbrieften Anspruch auf einen Ausbildungsplatz geben“, fordert Hein.

Ihre Fraktionskollegin Sabine Zimmermann monierte zudem, der Berufsbildungsbericht blende ernste Probleme komplett aus, so etwa, dass viele Auszubildende von Betrieben als „billige Arbeitskräfte“ missbraucht würden. „Ein Drittel macht regelmäßig Überstunden, 83 Prozent keinen Ausbildungsplan und zehn Prozent verrichten fachfremde Arbeiten – dazu sagt die Regierung nichts“, sagte die Abgeordnete.

SPD: Ausbildungschancen von Migranten verbessern

Reiner Spiering wies solche Vorwürfe scharf zurück: „Wenn das Ausbildungssystem so schlecht wäre, wie Sie es darstellen, dann stünde es international nicht so erfolgreich dar. Sie machen es schlecht“, entgegnete der Sozialdemokrat und verteidigte auch das so gescholtene Übergangssystem: „Wir brauchen es, es ist ein wichtiger Puffer.“ Hier könnten Lerndefizite ausgeglichen und Jugendliche fit für eine Ausbildung gemacht werden.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), kündigte an, sich als insbesondere für bessere Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt einsetzen zu wollen. „Bis heute ist es so, dass sie trotz identischer Qualifikation schlechtere Chancen haben einen Ausbildungsplatz zu bekommen“, so die Staatsministerin. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels dürften solche Potenziale nicht länger ungenutzt bleiben.

Grüne: Ineffizientes Übergangssystem reformieren“

Scharf kritisierte wiederum Beate Walter-Rosenheimer die Koalition: „Was Sie tun, ist zu wenig, zu mutlos und schlicht ungeeignet, um den aktuellen Herausforderungen in der Berufsbildung gerecht zu werden.“ Dringend erforderlich sei stattdessen eine Reform des Übergangssystems, sagte die Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen für Jugendpolitik und Ausbildung.

In ihrem Antrag versprächen Union und SPD zwar eine Ausbildungsgarantie, blieben aber die Antwort schuldig, wie die genau diese aussehen solle, monierte Walter-Rosenheimer. „Sie wecken Erwartungen, haben aber keinen Plan.“ Jugendliche bräuchten endlich verbindliche Zusagen.

Brigitte Pothmer (ebenfalls Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf den Antrag ihrer Fraktion: Mit Dual Plus hätten die Grünen ein Konzept für ein berufsqualifizierendes Angebot vorgelegt. Dieses solle das bisherige „teure und ineffiziente Übergangssystem" ersetzen und Jugendliche eine Ausbildung anbieten. „Das ist eine Ausbildungsgarantie“, so Pothmer.

CDU/CSU:Berufliche Bildung aufwerten

Albert Rupprecht forderte, die berufliche Bildung zugunsten der akademischen stärker zu fördern. Angesichts kontinuierlich steigender Studierenden- und sinkender Auszubildendenzahlen gelte es dringend gegenzusteuern, so der CSU-Abgeordnete. „Sonst habe ich die Sorge, dass wir den Ast absägen, auf dem wir sitzen.“

Dass mehr junge Menschen ein Hochschulstudium absolvierten sei zwar wünschenswert und auch von der Politik gefördert worden, man habe dabei aber das „richtige Maß verloren“. Jetzt gelte es, die Berufsbildung aufzuwerten und attraktiver zu gestalten.

"Duale Ausbildung ein Erfolgsrezept"

Diese Auffassung vertrat auch Lena Strothmann: Die duale Ausbildung sei ein „Erfolgsrezept“, sagte die CDU-Politikerin. „Ausbildungsberufe sind vielfältig und  kreativ – dennoch gelten sie oft als zweite Wahl.“ Ein Fehler: Denn ein Studium sei gar nicht für jeden Jugendlichen der Königsweg.

Strothmann forderte die Wirtschaft auf, im eigenen Interesse stärker um Jugendliche zu werben.  An die Adresse der EU gewandt, warnte die Abgeordnete davor, den Meisterbrief im Handwerk abzuschaffe: „Wer das tut, legt die Axt an ein funktionierendes System.“ (sas/22.05.2014)