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Die Haushaltspolitik erreicht nach vierzigjähriger pausenloser Neuverschuldung eine neue Dimension: In diesem Jahr ist die Nettokreditaufnahme mit 6,5 Milliarden Euro nur noch minimal, strukturell ist der Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) bereits ausgeglichen.
Ab 2015 gehört das Schuldenmachen der Vergangenheit an: Dann werde mit einem Etat ohne Nettokreditaufnahme eine „haushaltspolitisch historische Zielmarke“ erreicht, sagte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) in der Generalaussprache über den Bundeshaushalt 2014 am Mittwoch, 25. Juni 2014, im Deutschen Bundestag. „Das gilt dann auch für die kommenden Jahre“, versprach Merkel.
„Deutschland bleibt Stabilitätsanker und Wachstumsmotor der Eurozone und auch der ganzen Europäischen Union“, stellte Merkel angesichts der Wachstumsprognosen und eines Beschäftigungsrekords fest. Zu den großen Aufgaben zählte die Kanzlerin Bildung und Forschung. Allein in diesem Bereich habe der Bund von 2005 bis 2013 seine Ausgaben um knapp 60 Prozent auf rund 14,4 Milliarden Euro gesteigert. Drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts würden in Bildung und Forschung investiert. Mit der Übernahme des BAföG für Schüler und Studierende unternehme der Bund einen „historischen Schritt“ und entlaste die Länder dauerhaft um 1,2 Milliarden Euro im Jahr.
Als Herkulesaufgabe bezeichnete Merkel die Energiewende. Mit der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) werde ein wichtiger Schritt zur Energieversorgung von Morgen und zur Integration der erneuerbaren Energien in den Markt gegangen. Aber dies sei nicht der letzte Schritt gewesen. Zur Planungssicherheit für die notwendigen Investitionen gehörten aber auch Absprachen mit der Europäischen Kommission, versicherte Merkel. Sie bezeichnete es als absolut notwendig, Arbeitsplätze zu erhalten und die Möglichkeit der Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht zu verbauen, „ansonsten wird die Energiewende auf keine Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen“.
In der Europapolitik kündigte Merkel die Unterstützung von Jean-Claude Juncker (Luxemburg) für das Amt des Kommissionspräsidenten an. Es werde beim bevorstehenden EU-Gipfel ein „überzeugendes Paket aus inhaltlichen Prioritäten und ersten Personalentscheidungen“ beraten werden. Klar bekannte sie sich zum Stabilitäts- und Wachstumspakt. Er enthalte klare Leitplanken und Grenzen einerseits und eine Vielzahl von Flexibilitätsinstrumenten andererseits: „Beides müssen wir nutzen.“ Zum Ukraine-Konflikt sagte sie, „diplomatische Lösungen sind allen anderen vorzuziehen“. Aber wenn nichts anderes helfe, könnten auch Sanktionen wieder auf die Tagesordnung kommen, erklärte die Kanzlerin mit Blick auf Russland.
Zuvor hatte Linksfraktionschef Dr. Gregor Gysi scharfe Kritik an der Haushaltspolitik der Koalition geübt. Um bei 6,5 Milliarden Euro Neuverschuldung zu bleiben, seien einfach die Steuereinnahmen heraufgesetzt und die Zinsausgaben gesenkt worden. Zum Ausgleich des Haushalts 2015 verschiebe die Koalition die Kindergelderhöhung, verschiebe die Abschaffung der kalten Progression und reduziere die öffentlichen Investitionen von 29,8 auf 24,7 Milliarden Euro: „Das bedeutet, dass Straßen, Brücken, Schienen, Schienen, Schwimmbäder, Kultureinrichtungen, IT-Netze dort marode bleiben, wo sie jetzt marode sind“, kritisierte Gysi, der eine höhere Besteuerung von Kapitalerträgen forderte. Aber an die Reichen traue sich die Koalition offenbar nicht heran.
Gysi verlangte eine Wiedereinführung der alten Rentenformel. Die Bezahlung sei einfach: „Alle mit Erwerbseinkommen müssen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.“ Die Rentenerhöhung für Spitzenverdiener müsse abgeflacht werden. „Dann brauchen wir über Altersarmut gar nicht mehr zu reden, weil alles bezahlt wäre“, sagte Gysi, der auch kritisierte, dass es im 24. Jahr der deutschen Einheit immer noch nicht die gleiche Rente in Ost und West gebe. Das sei ein „Skandal“. Als demütigend bezeichnete es Gysi, dass Langzeitarbeitslose von der Mindestlohnregelung ausgenommen würden.
Im außenpolitischen Teil seiner Rede geißelte Gysi die deutschen Waffenexporte. Eine ganze Panzerfabrik nach Algerien, das kein demokratisches Land sei, zu verkaufen, sei „Wahnsinn“. Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt empfahl er die Einhaltung des Völkerrechts. Dies habe der Westen beim Jugoslawien-Konflikt über Bord geworfen. Er müsse es jedoch in vollem Umfang einhalten.
Auch der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Dr. Anton Hofreiter, sparte nicht mit Kritik. Deutschland könne so viel zur Lösung von Problemen beitragen, sagte Hofreiter mit Blick auf die großen Probleme unserer Zeit wie die Klimakatastrophe, die Ungerechtigkeit in Europa sowie die humanitären Katastrophen in Syrien und im Irak. Aber die Regierung Merkel nutze die Potenziale nicht. „Aus dieser Regierung kommt Deutschland schwächer raus als es reingegangen ist“, befürchtete Hofreiter. Trotz hoher Einnahmen und historisch niedriger Zinsen trete die Regierung in der Haushaltspolitik auf der Stelle und schummele wie Schulbuben. So werde die Steuerschätzung zurechtgebogen, und künftigen Generationen würden durch die Plünderung der Rentenkassen milliardenschwere Lasten aufgebürdet.
Hofreiter forderte, in der Energiepolitik auf 100 Prozent erneuerbare Energien zu setzen statt Öl, Kohle und Gas von Diktatoren zu kaufen. Erneuerbare Energien könnten heute billiger Strom produzieren als Kohlekraftwerke. Aber die Koalition ignoriere den ökologischen Umbau, „und de facto sabotieren Sie auch noch die Energiewende“ Die EEG-Novelle sollte doch das Meisterwerk von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) werden, entpuppe sich aber als Stückwerk. Gabriel stecke tief im Kohlezeitalter fest.
Die Fraktionsvorsitzenden der Koalition, Thomas Oppermann (SPD) und Volker Kauder (CDU/CSU), würdigten die Arbeit des Regierungsbündnisses und besonders den Weg zum schuldenfreien Haushalt. Eine Deckungslücke von drei Milliarden Euro habe geschlossen werden können, lobte Oppermann dieses „starke Signal dafür, dass wir 2015 es schaffen werden, einen voll ausgeglichen Haushalt vorzulegen“. Haushaltspolitik zulasten der jungen Generation dürfe es in Zukunft nicht mehr geben.
Mit Blick auf den Europäischen Rat sagte Oppermann, man brauche eine „starke proeuropäische Koalition im Zentrum“, nachdem die extremen Ränder des Europäischen Parlaments stärker geworden seien. Niemand wolle, dass Großbritannien die EU verlasse, aber es könne auch kein Vetorecht gegen erfolgreiche Spitzenkandidaten geben, sagte Oppermann zur Kandidatur von Juncker. Zuvor hatte Merkel die Möglichkeit von Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit angesprochen.
Kauder lobte, dass es in der Großen Koalition zum Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik komme und es 2015 keine Neuverschuldung mehr geben werde. „Nichts ist für eine junge Generation wichtiger, als dass sie Handlungsspielraum hat“, sagte Kauder.
Die Koalition wisse um die Verantwortung für die junge Generation. Mit der Haushaltspolitik könnten aber auch Wohlstand und Sicherheit in Europa erhalten werden. Jedes Land in Europa müsse seine Hausaufgaben machen, forderte Kauder, der es als „gute Botschaft“ bezeichnete, dass auch der Koalitionspartner zum Stabilitäts- und Wachstumspakt stehe.
Der Deutsche Bundestag stimmte dem Kanzleramtsetat (18/1023, 18/1024, 18/1025) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen zu. Ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/1824) wurde von den Koalitionsfraktionen zurückgewiesen. (hle/25.06.2014)