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Berlin: (hib/AS) Nach den Atomunfällen von Tschernobyl im Jahr 1986 und Fukushuma Dai-Ichi im Jahr 2011 werden die Lage vor Ort und die Folgen für Menschen, Flora und Fauna von Experten als kritisch eingeschätzt. „Die Situation ist nach wie vor gefährlich“, sagte Wladimir Kuznetsov, Direktor des Nuklear- und Strahlungssicherheits-Programms von Green Cross Russland, über den Zustand der Anlage in Tschernobyl am Mittwochvormittag bei einer Anhörung des Umweltausschusses des Bundestages. Kuznetsov, der selber als einer der sogenannten Liquidatoren in Tschernobyl gearbeitet hatte, sagte, es gebe Probleme mit der Stabilisierung des bereits vorhandenen Sarkophags und bei der Errichtung eines neuen sicheren Einschlusses, die von den G8-Staaten finanziell unterstützt wird. Kuznetsov machte deutlich, dass die Arbeit vor Ort von außen beobachtet werden müsse: „Wenn es keine unabhängige Kontrolle gibt, wird die Ausführung nicht so verlaufen wie es sein soll und die finanziellen Mittel werden nicht dorthin fließen, wie es sein soll“, warnte der russische Sachverständige. Nach den Unfällen von Fukushima seien in Russland alle 32 Atomkraftwerke überprüft worden. Die Kontrolle habe zwei Wochen gedauert und ergeben, dass „alles in Ordnung sei“. Er selber habe aber keine Informationen erhalten, die er als Techniker bewerten könne. Er machte darauf aufmerksam, dass es im Moment elf Reaktorblöcke des Typs in Tschernobyl gebe. Viele dieser Reaktoren hätten bereits ihre technische Lebensdauer überschritten, ihre Betriebszeiten seien aber verlängert worden. Es gebe eine Initiative, die sich an Präsident Wladimir Putin und das russische Verfassungsgericht gewandt habe, den Betrieb dieser Reaktoren einzustellen, allerdings bislang ohne Erfolg. Auch ein Antrag an das Europäische Parlament sei bisher noch nicht beantwortet worden.
Zur Lage in Fukushima erläuterte der Co-Direktor des japanischen Citizens‘ Nuclear Information Centers (CNIC), Hideyuki Ban, der wie sein russischer Kollege per Videokonferenz zugeschaltet wurde, dass es Vorbereitungen gebe, die atomaren Brennstäbe aus Reaktor IV herauszunehmen. Es bestehe aber momentan die Sorge, dass radioaktive Substanzen über das Meer verbreitet würden. Daher müssten circa 400.000 Tonnen Grundwasser, das durch die Anlage fließt und kontaminiert wurde, gespeichert werden. Zwar habe die Betreiberfirma Tepco Filteranlagen installiert, es gebe aber momentan große Platzprobleme, das aufgefangene Wasser zu speichern. Zu den Arbeiten an dem Atomkraftwerk erklärte er auf Nachfrage einer Abgeordneten: „Das sind in der Tat Methoden aus der Steinzeit. Dadurch, dass alles so schnell geschieht, sehen wir, dass ein Problem nach dem anderen auftritt“, erklärte Ban.
Zur Zeit sei in Japan kein Atomausstieg geplant. Die Atomkraftwerke sollten aufrechterhalten, aber gleichzeitig die erneuerbaren Energien verstärkt werden. In vier Präfekturen, darunter Fukushima, gebe es aber erheblichen Widerstand gegen die Wieder-Inbetriebnahme der 17 dort vorhandenen Atommeiler. „Der Verzicht auf diese Meiler ist wahrscheinlich“, sagte Ban. Die Regierung plant als weitere Maßnahme eine Liberalisierung des Strommarktes bis zum Jahr 2020. Dabei sollen die Stromerzeuger von den Stromverteilern getrennt werden. Zur gesundheitlichen Lage der Bevölkerung sagte er, dass in der Region Fukushima 38.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren untersucht worden seien. Bei drei der Untersuchten sei Schilddrüsenkrebs und bei sieben der Verdacht auf Schilddrüsenkrebs diagnostiziert worden.
Dörte Siebenkopf von der Initiative Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) erklärte, dass normalerweise Schilddrüsenkrebs bei Kindern nicht vorkomme. Sie äußerte die Erwartung, dass in Japan zwischen 20.000 und 100.000 zusätzliche Krebsfälle zu erwarten seien. Die Ärztin wies darauf hin, dass gerade auch niedrige Strahlendosen Zellschäden verursachen könnten: „In Fukushima erleben wir gerade erst den Beginn der radioaktiven Zerstörung“, sagte sie. Auf die Frage, ob eine Dekontaminierung der Flächen möglich sei, wies die Sachverständige darauf hin, dass es auf die Beschaffenheit des Bodens ankomme. Während es in der Region um Tschernobyl eher sandigen Boden gebe, würde man in Fukushima eher felsigen Boden vorfinden. die Frage, was mit der kontaminierten Erde passiere, sei bisher noch unbeantwortet.
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