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Ein bisschen irritierend findet er sie schon – die schier endlosen Schlangen der Besuchergruppen in den Gebäuden des Deutschen Bundestages. Aber im Grunde gefällt Abdul Jabbar Islam Sameeh sehr gut, „dass das Parlament nicht von den Menschen getrennt ist“. In seiner Heimat sieht das ein bisschen anders aus. „Bei uns ist das Parlamentsgebäude abgesperrt“, sagt der Palästinenser. Bis Ende September kann sich der 23-Jährige mit dem blauen Hausausweis im Bundestag frei bewegen.
So lange läuft das Programm für arabische Staaten im Rahmen des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) noch, an dem Abdul Jabbar Islam Sameeh teilnimmt. Dass dies möglich ist, verdankt der Moslem unter anderem einem Pater des Karmeliterordens Straubing.
Pater Rainer Fielenbach nämlich war es, der den Palästinenser mit Deutschland und der deutschen Sprache, deren Kenntnis eine der Voraussetzungen für die Teilnahme am IPS ist, bekannt gemacht hat. „Ich habe ihn 2002 als Zwölfjähriger in Palästina kennengelernt“, erzählt Abdul Jabbar Islam Sameeh. Zu diesem Zeitpunkt habe er nichts über Deutschland und die deutsche Sprache gewusst. Pater Rainer habe ihn ermuntert, Deutsch zu lernen. 2007 fing es mit einem Sprachkurs in Palästina an. Später besuchte er die evangelisch-lutherische Schule in Ramallah.
Wenig verwunderlich, dass sich der Jurist Abdul Jabbar Islam Sameeh perspektivisch eine Arbeit bei einer der vielen deutschen Organisation in seiner Heimat vorstellen kann. Denn eines ist klar für ihn: Auch wenn er gerne ein Master-Studium in Deutschland im Bereich Völkerrecht absolvieren möchte: Seine Zukunft sieht er in Palästina. „Das ist schließlich meine Heimat.“
Eine Heimat, in der es nicht nur Krieg und Zerstörung gibt. „Ich weiß, dass viele denken, bei uns ist immer Krieg. Aber wir haben eigentlich ein ganz normales Leben, trotz aller Probleme. Wir haben Kinos, Theater und auch Straßencafés“, sagt er. Als Beleg für die Normalität des Lebens im Westjordanland kann wohl auch das Thema seiner Jura-Abschlussarbeit „Die zivilrechtliche Haftung des Verkäufers für abgelaufene Lebensmittel“ gelten.
Klingt doch im Grunde wie eine ziemliche Bagatelle, mit der sich Juristen in Deutschland beispielsweise beschäftigen könnten. Aber doch nicht in Palästina… „Doch“, sagt er, „das ist bei uns ein großes Thema.“ Es gebe keine Kontrolle der Händler. Viele hätten bewusst Lebensmittel mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum billig importiert und dann verkauft. Und dabei auch davon profitiert, dass die meisten Kunden gar nicht wussten, dass es solche Haltbarkeitsdaten auf Lebensmitteln gibt.
Doch Abdul Jabbar Islam Sameeh will die Situation in seiner Heimat gar nicht schönreden. „Auch bei uns gibt es viele Probleme und Demonstrationen. Es ist also nicht gerade ruhig.“ Aber ruhiger als in Gaza offenbar schon. „Ja, bei uns funktioniert das tägliche Leben ganz gut“, bestätigt er.
In Gaza, das ist allgemein bekannt, haben die Menschen derzeit viel größere Sorgen. Warum ist es in der Westbank ruhiger? In Gaza, so erklärt der in Nablus geborene Palästinenser, habe die Hamas das Sagen, die dauerhaft in Konflikt mit Israel steht. Die im Westjordanland regierende Fatah hingegen setze eher auf Verhandlungen.
Die endgültige Lösung für das Problem kennt auch Abdul Jabbar Islam Sameeh nicht. „Es ist sehr kompliziert“, weiß er zumindest. Viele würden auf die Zwei-Staaten-Lösung setzen. „Ich persönlich glaube aber, dass das nicht realistisch ist.“
Über diese und andere wichtige Fragen kann er in diesen Wochen mit deutschen Politikern ebenso wie mit seinen arabischen Mitstipendiaten diskutieren. Der Austausch mit anderen Arabern ist für den Palästinenser nämlich alles andere als normal.
„Palästina ist total blockiert – da kann mich keiner besuchen. Und auch ich kann nicht einfach mit dem Auto woanders hinfahren“, erzählt er. Und freut sich umso mehr, am IPS teilnehmen zu können. (hau/15.09.2014)