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Berlin: (hib/AHE) Die Praxis „gezielter Tötungen“ im Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist unter Experten aus rechtlicher Sicht umstritten. Das ergab eine Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwochabend. Einige der Sachverständigen verwiesen auf die Gefahr einer Aushöhlung des humanitären Völkerrechts - deutlich wurde jedoch auch, dass dieses bei bewaffneten Konflikten unter bestimmten Bedingungen durchaus solche gezielten Angriffe zulässt. Hintergrund sind unter anderem Angriffe des US-Militärs mit bewaffneten Drohnen auf Terroristen und Terrorverdächtige etwa in Pakistan oder im Jemen.
Andreas Zimmermann vom Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam warnte vor einer Entwicklung, in der sich bestimmte „Rechtsbehauptungen“ und interessengeleitete Auslegungen des Völkerrechts verfestigen könnten. So sei zwar in bewaffneten Konflikten ein Angriff auf feindliche Kombattanten und Kämpfer und unter ganz engen Voraussetzungen selbst auf temporär beteiligte Zivilisten durchaus durch das Völkerrecht gedeckt. Allerdings sei die Anwendbarkeit dieser Regeln zum Beispiel räumlich auf das Gebiet der Kampfhandlungen begrenzt. Die Regierung der USA würde jedoch argumentieren, dass wegen der Besonderheiten des weltweit operierenden Terrornetzwerks Al-Qaida der Konflikt geographisch nicht begrenzt sei.
Der Sachverständige Christian Schaller von der Stiftung Wissenschaft und Politik sprach von einem „entgrenzten“ Ansatz, der sich auf die Konfliktpartei und nicht mehr auf ein definiertes Gebiet beziehe. „Von einer weltweiten Konfliktpartei zu sprechen“, gehe aus seiner Sicht jedoch zu weit. Schaller führte aus, dass sich die US-Regierung auf das Recht auf Selbstverteidigung berufe. Die unbestritten „dauerhafte Bedrohung“ durch Al-Qaida verleite dazu, das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen „dynamisch und progressiv“ zu interpretieren. Infrage stehe aber, ob einzelne terroristische Akte die „Schwelle“ des Artikels 51 überschreiten , also für sich genommen ein Selbstverteidigungsrecht begründen können, sagte Schaller.
Wolfgang Kaleck (European Center for Constitutional and Human Rights) wies darauf hin, dass die Bundesrepublik indirekt durch internationale Kooperationen an völkerrechtlich zweifelhaften Praktiken beteiligt gewesen sein könnte – wie der Verwertung von Geständnissen, die in bestimmten Ländern unter Folter entstanden sein könnten oder auch bei verdeckten „Entführungsflügen“, bei denen die USA auch aus Deutschland Terrorverdächtige ins umstrittene Gefangenlager Guantánamo gebracht habe. Die weitreichende Kooperation mit den Vereinigten Staaten im Kampf gegen den Terrorismus müsse deshalb von klaren Kriterien abhängig gemacht werden, sagte Kaleck. Er verwies auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das eine Beweisverwertung ausschließe – nicht erst beim Nachweis, sondern bereits bei einem „echten Risiko“, dass Aussagen durch Folter erzwungen worden sein könnten.
Steven Watt (American Civil Liberties Union) kritisierte, dass sich die USA den rechtlichen Rahmen für „gezielte Tötungen“ offenbar selbst zurechtlege. Es sei nicht nur rechtswidrig, sondern auch gefährlich davon auszugehen, dass „die ganz Welt ein Schlachtfeld“ werden könne und daraus abzuleiten, Terrorverdächtige weit außerhalb der Konfliktgebiete töten zu dürfen. Watt nannte in diesem Zusammenhang sogenannte „signature strikes“, bei denen offenbar Personen gezielt angegriffen würden, deren Identität nicht bekannt sei, deren Verhalten aber bestimmte Muster aufwiesen. Mit solchen Angriffen schaffe sich die USA auf lange Sicht neue Feinde in den betroffenen Ländern und gefährde die eigene Sicherheit.
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