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Berlin: (hib/KOS) Streit über die Einführung eines Zweitverwertungsrechts für Autoren, die wissenschaftliche Erkenntnisse aus öffentlich geförderten Forschungsprojekten in Periodika veröffentlicht haben, hingegen Zustimmung zu dem Plan, die Publikation von Werken mit unbekannten Rechteinhabern zu ermöglichen: Diese Debatten prägten am Montagabend eine Anhörung des Rechtsausschusses über Reformen des Urheberrechts. Dem Hearing unter Vorsitz des CDU-Abgeordneten Patrick Sensburg lagen sechs Dokumente zugrunde: ein Gesetzentwurf der Regierung (17/13423), ein Gesetzentwurf der SPD (17/5053), ein Gesetzentwurf der Linksfraktion (17/4661), ein Antrag der Linken (17/5479) und zwei Anträge der Grünen (17/4695und17/7031).
Nach dem Willen der Regierung soll es Verfassern von wissenschaftlichen Texten, die in Periodika erschienen sind, künftig generell gestattet werden, ihre Beiträge nach einer Frist von zwölf Monaten seit der Erstpublikation zu nicht gewerblichen Zwecken erneut zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um Texte, die im Rahmen einer Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind, die mindestens zu 50 Prozent mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. Die SPD argumentiert, dass der Staat Wissenschaft und Forschung mit Milliardensummen unterstütze. Wenn Verlage die dabei gewonnenen Erkenntnisse publizieren, ließen sie sich in der Regel alle Rechte an den Texten abtreten und würden dann die entsprechenden Lizenzen an Bibliotheken und Universitäten verkaufen – was dazu führe, dass die Bürger für die bereits mit Steuermitteln finanzierten wissenschaftlichen Erkenntnisse ein zweites Mal zahlen müssten.
Gabriele Beger befürwortete die Einführung eines Zweitverwertungsrechts „ohne Wenn und Aber“, weil auf diese Weise der Wissenschaftsstandort Deutschland gestärkt werde. Ohne einen besseren öffentlichen Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen droht Deutschland aus Sicht der Direktorin der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek „im Forschungswettbewerb weiter abgehängt zu werden“, wie es in ihrer schriftlichen Stellungnahme heißt. Die Neuregelung solle jedoch nicht nur für außeruniversitäre Forschungstätigkeit gelten.
Eric Steinhauer sagte, eine stärkere öffentliche Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse über Zweitverwertungen werde die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern. Der Bibliotheksdirektor an der Fernuni Hagen ist der Meinung, dass angesichts des Internets die Herstellung wissenschaftlicher Öffentlichkeit kein verlegerisches Monopol mehr sei. Für Ludwig Kronthaler, Generalsekretär der Max-Planck-Gesellschaft, tragen die Gesetzesinitiativen dazu bei, die Wirkung öffentlicher Investitionen in die Forschung zu steigern.
Als Sprecher der wissenschaftlichen Verlage erklärte hingegen G.-Jürgen Hogrefe, man sehe die Einführung eines Zweitverwertungsrechts „sehr, sehr kritisch“. Eine Zweitveröffentlichung von Texten trage nicht zur Finanzierung der Erstpublikationen bei, für die von den Verlagen gesorgt werde. Hogrefe warnte, dass Zweitveröffentlichungen „systematisch verwertet werden“. Christian Sprang vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels betonte, die Verlage investierten viel Geld in die Erstpublikation wissenschaftlicher Beiträge. Diesem Engagement werde durch kostenlos zugängliche Zweitveröffentlichungen die Basis entzogen.
Im Namen des Deutschen Hochschulverbands (DHV), in dem nach eigenen Angaben 28.000 Wissenschaftler organisiert sind, kritisierte auch Horst-Peter Götting die geplante Reform des Urheberrechts entschieden. Der Professor sieht die Gefahr, „dass eine etablierte Verlagskultur zerstört wird“. Es sei zu befürchten, sagte der Sachverständige, dass aus dem Recht auf Zweitveröffentlichung eine Pflicht werden könne. Die Neuregelung sei unvereinbar mit dem Urheberrecht, wonach wissenschaftliche Autoren selbst entscheiden könnten, wann sie was wo wie publizieren wollten. In der schriftlichen DHV-Stellungnahme ist von einer „verfassungswidrigen staatlichen Publikationslenkung“ die Rede.
Kronthaler widersprach diesen Argumenten mit dem Hinweis, dass 70 Prozent der Verlage den Autoren schon heute eine Zweitveröffentlichung gestatten würden. Die Verlage leisteten vor allem Widerstand gegen die Reform, „weil sie die Dinge in der Hand behalten wollen“.
Anders als das Zweitverwertungsrecht war bei der Anhörung die Ermöglichung einer Publikation „verwaister“ Print-, Musik und Filmwerke nicht umstritten. Solche Werke, deren Rechteinhaber auch nach gründlicher Suche nicht ausfindig zu machen sind, sollen laut dem Gesetzentwurf der Regierung künftig vor allem von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Archiven und Bibliotheken in digitalisierter Form online gestellt werden können, „damit sie nicht dem kulturellen Erbe verloren gehen“.
Aus Sicht von Robert Staats von der Verwertungsgesellschaft Wort ist die Gesetzesvorlage „insgesamt gelungen“. Er plädierte jedoch dafür, in die Geltendmachung der Vergütungsansprüche von Rechteinhabern, so diese doch noch auftauchen sollten, die Verwertungsgesellschaften einzubeziehen. Katharina de la Durantaye meinte, für verwaiste Filmwerke sei bislang noch keine praktikable Lösung gefunden worden. Die Suchpflichten nach den Urhebern solcher Filme sollten eingeschränkt werden, so die Professorin an der Berliner Humboldt-Uni.
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