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Berlin: (hib/AW) Experten sind uneins, ob und wie die Rückgabe von NS-Raubkunst gesetzlich neu geregelt und die abgelaufenen 30-jährigen Verjährungsfristen unter bestimmten Vorgaben verlängert werden sollen. Dies wurde in einem nichtöffentlichen Expertengespräch des Kulturausschusses am Mittwoch deutlich. Der Ausschuss hatte die Sachverständigen eingeladen, um mit ihnen über die politischen und rechtlichen Konsequenzen aus dem Schwabinger Kunstfund für öffentliche und private Kunstsammlungen zu diskutieren.
Für ein bindendes Kunstrückgabegesetz plädierte Julius H. Schoeps, Leiter des Moses Mendelssohn Zentrum für europäische Studien in Potsdam. Die ursprünglichen meist jüdischen Besitzer der enteigneten Kunstgüter beziehungsweise deren Erben empfänden den Verweis deutscher Museen, dass die Fristen des Bundesrückerstattungsgesetzes oder des Bundesentschädigungsgesetzes abgelaufen seien oder dass globale Ausgleichzahlungen an die Jewish Claims Conference von Deutschland geleistet worden seien, als „unerträglich“. Dies widerspreche auch dem Geist der Washingtoner Erklärung von 1998, nach der bei der Restitution von Raubkunst „gerechte und faire Lösungen“ gefunden werden sollen. Schoeps plädierte für ein Kunstrückgabegesetz nach dem Vorbild Österreichs. Dies ermächtigt staatliche Museen, geraubte Kunstgegenstände eigenständig zurückzugeben, ohne dass deswegen strafrechtliche oder haushaltsrechtliche Vorwürfe gegen sie erhoben werden können. Schoeps sprach sich darüber hinaus deutlich gegen Verjährungsfristen im Zusammenhang mit nationalsozialistischer Raubkunst aus. Auch der Jurist Haimo Schack, Professor für Bürgerliches Recht sowie internationales Privat- und Zivilprozessrecht an der Universität Kiel, sprach sich für eine Regelung nach österreichischem Vorbild aus. Eine rechtliche Verpflichtung zur Rückgabe dürfe sich daraus jedoch nicht ergeben. Schack sprach sich zugleich gegen eine Verlängerung der Verjährungsfristen aus, wie dies ein Gesetzesvorstoß Bayerns im Bundesrat vorsieht. Dies gefährde das hohe Gut des Rechtsfriedens, der mit diesen Fristen geschaffen werden sollte. Die moralische Pflicht zur Rückgabe von NS-Raubkunst ließe sich prinzipiell nur sehr schwer auf juristischem Weg klären.
Als weitgehend unproblematisch hingegen schätzten die Sachverständigen den Bereich des privaten Kunsthandels ein. Auktionshäuser könnten es sich faktisch nicht leisten, NS-Raubkunst in den Handel zu bringen, erläuterte die freie Kunsthistorikerin Sibylle Ehringhaus. Solche Kunstwerke seien auf dem freien Markt in der Regel nicht „zu verkaufen“. Die großen Auktionshäuser würden sich deshalb schon allein aus wirtschaftlichen Gründen der Dienste von Provenienzforschern bedienen, um die Herkunft der zu verkaufenden Kunstgegenstände aufklären zu lassen. Dies bestätigte auch Schack. Er forderte allerdings, dass die Namen der privaten Verkäufer von Kunstwerken durch die Auktionshäuser veröffentlicht werden sollten. Dies würde die Klärung der Herkunft der Werke deutlich vereinfachen.
Unterschiedliche Auffassungen herrschten zwischen den Sachverständigen über die Frage, ob Museen und andere Institutionen in Deutschland genügend für die Provenienzforschung tun würden. Sibylle Ehringhaus kritisierte, dass rund 90 Prozent Provenienzforscher in den Museen nicht unbefristet angestellt seien. Ein Forscher, der nur über einen befristeten Arbeitsvertrag verfüge, werde im Zweifelsfall eher im Interesse des Museums handeln, wenn er um seine Weiterbeschäftigung bangen muss. Das Problem einer wirklich unabhängigen Forschung ließe sich nur lösen, wenn jedes Museum oder andere Kunstsammlungen die Forscher unbefristet beschäftigen würden. Dem Vorwurf, die Forscher an den Museen könnten nicht unabhängig arbeiten, trat Dorothea Kathmann, Justiziarin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), zumindest für ihr Haus entschieden entgegen. Dies bestätigte auch Julius Schoeps, die SPK arbeite in diesem Bereich „vorbildlich“. Allerdings treffe dies eben nicht für alle Museen zu, viele würden in der Frage der Provenienzforschung und der Rückgabe von Raubkunst „mauern“.
Personelle Engpässe im Bereich der Provenienzforschung monierte Meike Hoffmann, Projektleiterin der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ beim Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin. Die regelmäßige Pflege etwa der Datenbank der Forschungsstelle, in der rund 21.000 Kunstwerke erfasst sind, die von den Nationalsozialisten als „entartet“ eingestuft und beschlagnahmt worden waren, sei derzeit kaum noch zu leisten. Sie müsse verstärkt auf studentische Hilfskräfte zurückgreifen, die auch nur mit befristeten Verträgen arbeiten könnten. Auch Ehringhaus mahnte, dass existierende Datenbanken zur Provenienzforschung, wie beispielsweise die Datenbank „Lost Art“ der Koordinierungsstelle Magdeburg, verbessert und ausgebaut werden müssten.
Weitestgehend positiv bewerteten die Sachverständigen den Vorstoß von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zur Einrichtung eines Deutschen Zentrums für Kulturgüterverlust. Dies müsse allerdings auch wirklich unabhängig arbeiten können, forderte Schoeps.
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