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Juristischer Blick auf Datenströme

Die rechtliche Bewertung des Datenaustauschs zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem US-Geheimdienst NSA steht im Mittelpunkt der nächsten Sitzung des Untersuchungsausschusses, der den Skandal um die massenhafte Ausspähung der Telekommunikationsdaten von Millionen Bundesbürgern durch die NSA und andere ausländische Geheimdienste durchleuchten soll. Eine zentrale Rolle spielt die Frage, ob beim BND unter juristischen Aspekten konsequent dafür Sorge getragen wurde, dass keine Daten von Deutschen an die NSA übermittelt wurden.

Ehemaliger G-10-Jurist als Zeuge

Das öffentliche Treffen unter Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) beginnt am Donnerstag, 27. November 2014, um 10 Uhr im Europasaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin. Als Zeuge geladen ist mit Stefan Burbaum, ein ehemaliger "G-10-Jurist" des BND. Zu dessen Aufgabengebiet gehören die Konsequenzen, die sich im Zusammenhang mit Artikel 10 des Grundgesetzes für die Arbeit der Nachrichtendienste ergeben.

Diese Passage der Verfassung regelt das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, in das Nachrichtendienste nur mit Zustimmung der G-10-Kommission des Parlaments eingreifen können. Der BND darf keine Informationen über Bundesbürger, an die er im Rahmen seiner auf das Ausland gerichteten Aufklärungsarbeit als "Beifang" gelangt, an Partnerdienste weiterleiten. Der Ausschuss prüft nun, ob sich der BND an diese Auflage gehalten hat - oder ob doch Erkenntnisse über Deutsche an die NSA geflossen sind und insofern hiesige Geheimdienste in den NSA-Spähskandal verwickelt sind.

"Keine Erkenntnisse über Deutsche weitergegeben"

Bislang haben die Abgeordneten vor allem Nachrichtentechniker des BND befragt, die zuständig waren für die Datenübermittlung an die NSA bei der vom BND in Bad Aibling betriebenen Satelliten-Ausspähung und beim Anzapfen eines Internet-Kabelknotens in Frankfurt unter dem Codewort "Eikonal". 

Diese Zeugen haben dezidiert unterstrichen, dass in Bad Aibling und in Frankfurt aus den gigantischen internationalen Datenströmen Informationen über Bundesbürger mit Hilfe eines aufwendigen Filtersystems akribisch aussortiert worden seien. In keinem Fall seien Erkenntnisse über Deutsche an die NSA gegeben worden. Letztlich habe der US-Dienst nur wenige Meldungen erhalten, weswegen die NSA aus Enttäuschung über den geringen Ertrag die Kooperation mit dem BND in Bad Aibling und in Frankfurt beendet habe.

Nicht aufgelöste Widersprüche

Allerdings hat ein Zeuge ausgeführt, dass "in Teilbereichen" Daten doch "automatisiert" weitergeleitet worden seien. Zudem haben Medien unter Verweis auf Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden, der den Spähskandal enthüllt hat, über Millionen von Datensätzen berichtet, die an die NSA gegangen seien, in einem Fall sollen es in einem Monat 500 Millionen gewesen sein.

Diese Widersprüche wurden bislang nicht aufgelöst. Von der Vernehmung Burbaum erhofft sich der Ausschuss nähere Aufklärung. Auf den Zeugen warten zahlreiche Fragen.

Die Rolle der "Weltraumtheorie"

Nach welchen Kriterien werden etwa jene "G-10-Daten" definiert, die als Informationen über "Grundrechtsträger", also über Deutsche, vom BND nicht an Partnerdienste übermittelt werden dürfen? Gilt dies nur für personenbezogene Daten? Oder sind auch sogenannte "Metadaten", also Verbindungsdaten von Telefonaten oder E-Mails, dem G-10-Schutz unterworfen? Nach Auffassung der Opposition enthalten Metadaten ebenfalls konkrete Hinweise auf einzelne Personen, etwa E-Mail-Adressen.

Eine Rolle spielt bei diesem Thema auch die im Ausschuss kritisch diskutierte "Weltraumtheorie". Bei der Vernehmung der BND-Datenschutzbeauftragten war offenbar geworden, dass innerhalb des BND Differenzen über die rechtliche Einstufung der in Bad Aibling betriebenen Satellitenausspähung von Datenströmen beispielsweise aus Afghanistan existieren. Nach Meinung der Datenschutzbeauftragten unterliegen in Bad Aibling die über Satellit erfolgende Erfassung und Auswertung der Datenmengen aus dem Ausland dem hiesigen Grundrechtsschutz, weil dies auf deutschem Boden stattfinde.

"Reine Auslandsaufklärung"

Laut dieser Zeugin ordnet die BND-Spitze die Tätigkeit in Bad Aibling jedoch als reine Auslandsaufklärung ein. Sozusagen im Weltall und damit außerhalb der Bundesrepublik. Hat dies vielleicht zur Folge, dass die Satellitenausspähung und die Übermittlung solcher Daten an die USA weniger strengen rechtlichen Maßstäben unterworfen sind?

Vom Zeugen Burbaum erhoffen sich die Abgeordneten auch Auskünfte, welche Unterschiede der BND generell bei der Auswertung der Daten von Deutschen und Ausländern macht und wie dies begründet wird. Gelten auch bei Daten von Ausländern Regelungen des Datenschutzes, und wenn ja, welche? Wie ist es zum Beispiel juristisch zu bewerten, wenn wie beim Projekt Einkonal auf hiesigem Territorium an einem deutschen Netzknoten die Telekommunikationsdaten von Ausländern angezapft werden? (kos/18.11.2014)