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Nach Ansicht von Experten wird die Bundesregierung sowohl ihre Ausbauziele im Bereich der erneuerbaren Energien als auch ihre nationalen Klimaziele verfehlen, wenn sie die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wie geplant umsetzt. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unter Vorsitz von Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) warnten sie am Mittwoch, 4. Juni 2014, nicht nur vor einer Verlangsamung der Ausbaugeschwindigkeit bei erneuerbaren Energien, sondern auch vor negativen Effekten durch die Einführung einer verpflichtenden Direktvermarktung sowie eines Ausschreibungsverfahrens bei der finanziellen Förderung der erneuerbaren Energien.
Ziel der Gesetzesnovelle ( Ende Original-Link -->18/1304) ist es laut Bundesregierung, die Entwicklung zu einer Energieversorgung ohne Atomenergie und mit stetig wachsendem Anteil erneuerbarer Energien „konsequent und planvoll“ fortzuführen. Dafür soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der deutschen Stromversorgung stetig erhöht werden.
Bis zum Jahr 2025 soll ihr Anteil auf 40 bis 45 Prozent, bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent steigen. Im Jahr 2050 sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Zugleich will die Regierung die Kostendynamik der vergangenen Jahre beim Ausbau der erneuerbaren Energien durchbrechen und so den Anstieg der Stromkosten für die Verbraucher begrenzen.
Nach Ansicht von Dr. Hermann Falk vom Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. (BEE) steht der Gesetzentwurf in einem „deutlichen Widerspruch“ zu dem Bekenntnis der Bundesregierung zum Klimaschutz und der Energiewende. Mit „Verwunderung“ nehme der BEE zur Kenntnis, dass die Ausbaugeschwindigkeit der erneuerbaren Energien gedrosselt werden solle, obwohl die sie sich bereits heute volkswirtschaftlich lohnten.
Da nicht erkennbar sei, dass Deutschland im Wärme- und Verkehrssektor die erforderlichen Ausbauwerte erreiche, werde es das verpflichtende Ausbauziel für die erneuerbaren Energien aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einlösen können, betonte Falk. Auch die Klimaziele würden verfehlt.
Prof. Dr. Hubert Waiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wertete den im Gesetzentwurf vorgesehenen Ausbaukorridor als „deutlich zu niedrig“. Die darin genannten Ziele bedeuteten „ein Ausbremsen der realen Ausbaudynamik“.
Er forderte, dass in das Erneuerbare-Energien-Gesetz Ausbauziele von mindestens 45 Prozent bis 2020 und 75 Prozent bis 2030 geschrieben werden müssten, schon um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Auch Dr. Harry Lehmann vom Umweltbundesamt forderte deutlich höhere Mindestziele.
Waiger kritisierte zudem, dass die Reform eine Richtungsentscheidung treffe, den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien eher zentral in die Hände weniger großer Stromkonzerne zu legen „und damit weg von dem bisher erfolgreichen Weg des eher dezentralen und verbrauchsnahen Ausbaus in den Händen von Bürgerinnen und Bürgern vor Ort“. Diese hätten in den vergangenen Jahren vor allem den Ausbau der Windenergie an Land und der Fotovoltaik vorangetrieben, ein Engagement, das Waiger als „größte Bürgerbewegung in der Geschichte unseres Landes“ bezeichnete.
Dieses Engagement könne durch die geplante Reform jedoch „ein jähes Ende finden“, da Bürgerenergiegenossenschaften, Bürgerwindparkbetreiber und Privatpersonen mehr als alle anderen Akteure der Energiewirtschaft negativ betroffen seien.
Dr. Thomas E. Banning vom Bündnis Bürgerenergie pflichtete Waiger bei und wies darauf hin, dass im Gesetzentwurf Anreize für eine dezentrale Erzeugung und Direktversorgung mit Bürgerstrom fehlten beziehungsweise gestrichen worden seien.
Das Feld des Handelns würde den großen Energiekonzernen überlassen. Banning sieht darin eine Gefahr für die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende und die Investitionsbereitschaft der Bürger in Klimatechnologien.
Besonders kritisch werten die Sachverständigen in diesem Kontext zwei neue Instrumente im EEG: Um die Integration der erneuerbaren Energien in den Strommarkt voranzutreiben, soll die Direktvermarktung grundsätzlich verpflichtend werden. Darüber hinaus sollen spätestens im Jahr 2017 die finanzielle Förderung und ihre Höhe für die erneuerbaren Energien „wettbewerblich über technologiespezifische Ausschreibungen ermittelt werden“, wie es im Entwurf heißt.
Die Bundesregierung wolle mit der verpflichtenden Direktvermarktung Erzeuger von erneuerbarem Strom dazu bringen, die Vermarktung ihres Stroms an den Vorgaben der Strombörse auszurichten, erklärte Waiger. Dies aber mache Bürgerenergie-Akteure von hochspezialisierten Vermarktungsunternehmen abhängig. In der Folge würden sie es schwer haben, sich weiter auf dem Markt zu behaupten.
Die Ausschreibungspflicht könnte in den Augen des BUND-Vertreters das endgültige Aus für die Bürgerenergie bedeuten. Erfahrungen aus der Praxis in anderen Ländern zeigten, dass Ausschreibungen die größten Anbieter begünstigen, warnte er.
Nach Ansicht von Thomas E. Banning erhöht die verpflichtende Direktvermarktung die Finanzierungsrisiken und -kosten für kleinere Marktteilnehmer „in überproportionalem Maße“. Noch gravierender aber seien die Auswirkungen von bekannten Ausschreibungsmodellen. Beide Rahmenbedingungen stellten „eine wesentliche Erhöhung der Markteintrittshürden“ für Bürgerenergie-Akteure dar und gefährdeten so die Akteursvielfalt, urteilte Banning.
Regine Günther vom World Life Fund For Nature (WWF) hingegen bezeichnete die schrittweise Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung als „richtig“. Die Betreiber von regenerativen Erzeugungsanlagen müssten in die Lage versetzt werden, in einem wirtschaftlich und technisch sinnvollen Rahmen mehr Systemverantwortung für Versorgungssicherheit und Netzstabilität zu übernehmen.
Die Vertreter vom Bundesverband Erneuerbare Energien und vom Umweltbundesamt (UBA) empfahlen, die verpflichtende Direktvermarktung mit einer Bagatellgrenze zu versehen, die es Bürgern und Kleinunternehmern weiterhin ermöglichen würde, die Festvergütung der EEG-Stromumlage zu nutzen.
Auf grundsätzliche Zustimmung stieß die geplante EEG-Reform bei Prof. Dr. Beate Jessel vom Bundesamt für Naturschutz (BfN). Sie verwies aber auf die Notwendigkeit, dass neben Kostenaspekten auch Aspekte der Umwelt- und Naturverträglichkeit und damit Naturschutzzielsetzungen berücksichtigt werden müssen. So sei es gerade vor dem Hintergrund langfristiger Ausbaukorridore, wie sie im neuen EEG vorgelegt würden, erforderlich, „klare Rahmenbedingungen für einen weiteren, nachhaltigen und naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien zu schaffen“.
Unter anderem, so Jessel, sollte die Vergütung zumindest für Windenergie, Wasserkraft und Freiflächen-Photovoltaik innerhalb der wichtigsten Naturschutzgebiete ausgeschlossen werden. Dass die Ausbauziele für Offshore-Windenergie um rund 35 Prozent reduziert werden sollen, begrüßte sie. Dies biete aus Naturschutzsicht die Chance, den zukünftigen Ausbau auf See sowohl zeitlich, räumlich, aber vor allem auch hinsichtlich der Naturverträglichkeit besser zu steuern. (joh/04.06.2014)