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Berlin: (hib/pst) Die neuen Erkenntnisse blieben spärlich bei der Befragung des ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und seiner früheren Referatsleiterin Christine Hammann durch den sogenannten NSU-Untersuchungsausschuss. Dennoch beeindruckte der Minister der Regierung Schröder den Ausschuss mit einer Feststellung in seinem Eingangsstatement. Dass es den Sicherheitsbehörden nicht gelungen sei, der „Mörderbande, die sich selbst den Namen Nationalsozialistischer Untergrund gegeben hat“, rechtzeitig auf die Spur zu kommen, sei „ein höchst schockierender und äußerst bedrückender Sachverhalt, für den ich die politische Verantwortung übernehme“, sagte Schily. Sowohl von Koalitions- wie Oppositionsseite erhielt er dafür Anerkennung.
Schily führte aus, dass die Verfassungsschutzberichte über Jahre hinweg immer die Feststellung enthalten hätten, dass im rechtsextremen Milieu nicht die Bildung terroristischer Strukturen erkennbar sei. Nach dem vereitelten Anschlag auf die Münchner Synagoge habe dann 2003 erstmals der Generalbundesanwalt Anklage gegen Rechtsextreme wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung erhoben. Doch in seinem Bericht für dieses Jahr habe das Bundesamt für Verfassungsschutz festgestellt, dass „darüber hinaus“ keine solchen Strukturen erkennbar seien. Es werde aber darauf hingewiesen, dass Einzelpersonen oder Kleinstgruppen Anschläge verüben könnten, um ein Fanal zu setzen, sagte Schily.
Die Fragen der Ausschussmitglieder an den früheren Innenminister bezogen sich insbesondere auf den Anschlag des NSU mit einer Nagelbombe in Köln-Mülheim am 9. Juni 2004, bei dem 22 Menschen überwiegend türkischer und kurdischer Herkunft teils schwer verletzt wurden. Schily hatte am Tag nach diesem Anschlag erklärt, es gebe bisher keine Hinweise auf eine terroristische Tat und man gehe von einem kriminellen Hintergrund aus, allerdings seien die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Auf welche Informationen er sich dabei stützte, vermochte Schily allerdings nicht mehr mit Sicherheit festzustellen. Auch auf andere Fragen erklärte er immer wieder, sich an Details der Vorgänge vor fast zehn Jahren nicht mehr zu erinnern.
Auf eine Frage des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) hin zitierte Schily aus einem Bericht von Spiegel-Online fast zwei Wochen nach der Tat, wonach die Ermittler rassistische oder extremistische Hintergründe nicht ausschlössen. „Die Behörden haben demnach in alle Richtungen ermittelt“, stellte Schily fest. Auf die zentrale Frage des Untersuchungsausschusses, warum dann die Ermittlungen in die rechtsextreme Richtung nicht konsequent fortgesetzt worden seien, hatte aber auch Schily keine Antwort.
Clemens Binninger (CDU) befragte Schily insbesondere nach der Rolle des damaligen Innenministers von Nordrhein-Westfalen, Fritz Behrens (SPD). Nach bisherigen Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses hat ein für Rechtsextremismus zuständiger Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz wenige Stunden nach dem Kölner Anschlag beim örtlichen Lagezentrum der Polizei angerufen mit der dringenden Bitte, einen Kontakt zum Landesamt für Verfassungsschutz herzustellen. Etwa eine Stunde danach habe Behrens im Lagezentrum angerufen „mit der ungehaltenen Frage“, so Binninger, warum der Verfassungsschutz einbezogen werde. Die Frage, ob ihn der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, auf diesen Vorgang angesprochen habe, beantwortete Schily ebenso mit fehlender Erinnerung wie die Frage, ob Behrens ihn bei seiner Beurteilung am Tag danach beeinflusst habe. Er halte
es zwar für wahrscheinlich, dass er irgendwann nach dem Anschlag mit Behrens gesprochen hat, wisse es aber nicht mehr, erklärte Schily.
Nachdrücklich wies Hartfrid Wolff (FDP) darauf hin, dass die Opfer des Kölner Anschlags „sehr früh und sehr deutlich“ geäußert hätten, dass „ein rassistischer Hintergrund sehr wahrscheinlich“ sei. Schily sagte dazu, er gehe davon aus, dass diese Tatsache auch Gegenstand der Sicherheitsrunde gewesen sei, in der er sich in seinem Haus ständig habe unterrichten lassen. Nachdem Petra Pau (Die Linke) auszugsweise den Brief einer Kurdin verlas, deren Wohnung kurz nach der Tat von Sicherheitskräften gestürmt und durchwühlt worden sei, äußerste sich Schily sehr betroffen über den Umgang von Sicherheitskräften mit Opfern und Zeugen der NSU-Straftaten.
Gar nicht ging Schily auf die Vorhaltung von Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) ein, die Sicherheitsbehörden hätten die Medienarbeit bewusst so gesteuert, dass sich der Eindruck festsetze, die Taten hätten einen normalen kriminellen Hintergrund. Stattdessen entsponn sich ein Streit zwischen Wieland und dem Ausschussvorsitzenden Edathy über die Rolle Nordrhein-Westfalens bei der Weitergabe von Informationen, in dessen Verlauf Wieland Edathy als „Verteidiger Schilys“ titulierte.
Unmittelbar vor Schily hatte der 2. Untersuchungsausschuss Ministerialdirigentin Christine Hammann befragt, die zur Zeit des Kölner Anschlags das Referat „Politisch motivierte Kriminalität rechts/links“ im Bundesinnenministerium geleitet hatte. Sie hatte kurz nach dem Kölner Anschlag in einem Vermerk an den Minister dafür plädiert, auch in Richtung politischer Hintergründe weiter zu ermitteln. Dieser Vermerk wurde allerdings von einem Vorgesetzten Hammanns mit dem Vermerk zurückgeschickt, er enthalte nichts, was der Minister nicht schon wisse. Auch Hammann konnte sich allerdings in der knapp zweistündigen Befragung kaum mehr an Einzelheiten zu erinnern.
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