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Berlin: (hib/PST) Stolz und Sorge prägten den Auftritt von Matthias Wissmann vor dem Wirtschaftsausschuss am Mittwoch. Stolz präsentierte der Präsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA), der von 1998 bis 2001 selbst Vorsitzender dieses Ausschusses war, die Stellung der deutschen Automobilindustrie. Sie sei die einzige große Industrie, die in den letzten zehn Jahren die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland erhöht hat, und das obwohl die deutschen Autohersteller und -zulieferer noch wesentlich mehr Arbeitsplätze weltweit geschaffen haben, beziehungsweise „gerade deshalb“. Von deutschen Herstellern kämen 20 Prozent aller weltweit hergestellten Automobile, im Premium-Sektor beherrschten sie sogar 80 Prozent des Weltmarktes, führte Wissmann aus.
Besorgt zeigte sich Wissmann im Gespräch mit den Ausschussmitgliedern über die Marktentwicklung in Europa. Mit Ausnahme Großbritanniens zeigten die Verkaufszahlen nach unten. 2013 würden die Verkäufe vermutlich um zwei bis drei Millionen Fahrzeuge unter dem liegen, was „zur Regeneration der Flotten nötig“ sei. Besonders bei italienischen und französischen Herstellern und Zulieferern seien die Produktionskapazitäten sehr schlecht ausgelastet, was er „ganz ohne Schadenfreude“, sondern vielmehr mit Sorge feststelle, betonte Wissmann. Die deutsche Automobilindustrie sei dagegen dank ihrer Erfolge in anderen Erdteilen in einer guten Verfassung.
Fragen an Wissmann aus allen Fraktionen bezogen sich vor allem auf die Haltung der deutschen Autoindustrie zur Elektromobilität und anderen alternativen Antriebsformen. Dazu sagte der Verbandschef, dass die deutsche Industrie nicht den Fehler mache, sich auf eine Technologie zu konzentrieren. Beim Verbrennungsmotor seien noch 20 Prozent Effizienzsteigerung innerhalb eines Jahrzehnts möglich. Beim Hybridantrieb habe die deutsche Industrie einen vorübergehenden Rückstand aufgeholt. Die Durchsetzung von Elektroautos allerdings werde „kein Sprint, sondern ein Marathonlauf“. Entscheidend sei zum einen, ob der Wirkungsgrad von Batterien genügend erhöht werden kann, und zum anderen der Aufbau einer Infrastruktur von Lademöglichkeiten. Auch für die Einführung des Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Antriebs, an dem einige deutsche Unternehmen weiter arbeiteten, sei die Infrastruktur eine wichtige Voraussetzung.
Wissmann verteidigte die staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen. Dies sei keine Subventionierung einer Industrie, sondern „klassische marktwirtschaftliche Ordnungspolitik“, betonte der Verbandschef. „Seit Ludwig Erhard war Forschungsförderung Aufgabe des Staates.“ Einer Milliarde öffentlicher Förderung der E-Mobilität stünden zudem 17 Milliarden Forschungsaufwand der Industrie gegenüber. Wissmann äußerte im übrigen den Wunsch, die Nutzung von Elektrofahrzeugen als Dienstwagen steuerlich besser zu stellen. Dies könnte ihre Durchsetzung wesentlich vorantreiben.
Aus mehreren Fraktionen wurde Wissmann nach der Haltung seines Verbandes zu den europäischen CO2-Grenzwerten gefragt. Danach darf der Flottenverbrauch neu zugelassener Fahrzeuge eines Herstellers in der EU ab 2015 höchstens 130g/km betragen und ab 2020 höchstens 95g/km. Wissmann zeigte sich überzeugt, dass die deutschen Hersteller diese Vorgaben einhalten werden. Allerdings kritisierte er, dass von 2020 an, anders als zuvor, Fahrzeuge mit alternativem Antrieb bei der Berechnung der Flottenverbräuche nicht mehr stärker gewichtet würden als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Dies sei kontraproduktiv.
Nach den Chancen des führerlosen Autos gefragt sagte Wissmann, die deutsche Industrie, und zwar sowohl Autohersteller als auch Zulieferer, seien auch bei der Entwicklung des automatisierten Fahrens führend. „Eine der spannendsten Fragen“ bei der zunehmenden Vernetzung durch Kommunikationstechnologie sei, „wie junge Leute das annehmen und wie Ältere damit zurechtkommen“.
Von sich aus äußerte der ehemalige CDU-Politiker noch die Bitte an die Ausschussmitglieder aus allen Fraktionen, bei Plänen für die Besteuerung von Vermögen an die Familienunternehmen zu denken. Die Mehrzahl der 600 Mitglieder seines Verbandes seien Familienunternehmen und Personengesellschaften. Deren Eigenkapitalquote sei während der jüngsten Krise teilweise unter zehn Prozent gesunken und mittlerweile wieder auf rund 25 Prozent gestiegen. Ein „Kernfrage“ sei nun, appellierte Wissmann an die Abgeordneten, „dass Sie uns nicht einen Teil dieses Eigenkapitals wegnehmen, das wir in den stürmischen Zeiten vor uns dringend brauchen“.
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