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Berlin: (hib/PST) Jahr für Jahr werden in Deutschland zwischen 20 und 40 Kinder ausgesetzt oder direkt nach der Geburt getötet. Dazu kommt wahrscheinlich eine erhebliche Dunkelziffer. Die Einrichtung von Babyklappen ab 1999 sollte helfen, diese Zahl zu senken. Doch eine Studie des Deutschen Jugendinstituts hat ergeben, dass dieses Ziel verfehlt wurde. Zudem gab es stets Bedenken gegen Babyklappen, weil die meisten dort anonym abgegebenen Kindern nie erfahren, wer ihre Eltern sind. Der Deutsche Ethikrat hat deshalb 2009 empfohlen, eine Möglichkeit der vertraulichen Geburt gesetzlich zu regeln. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/13062), der diese Empfehlung umsetzt, war nun Gegenstand einer Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Eine Schwangere hat nach diesem Gesetzentwurf die Möglichkeit, ein Kind im Krankenhaus oder mithilfe einer Hebamme zur Welt zu bringen und in Obhut zugeben, ohne dass ihre Identität unmittelbar bekannt wird. Vielmehr werden die Angaben zu ihrer Person in einem verschlossenen Umschlag verwahrt, bis das Kind 16 Jahre alt ist. Auch nach geltendem Adoptionsrecht hat ein Kind erst in diesem Alter einen Anspruch zu erfahren, wer seine leiblichen Eltern sind.
Alle elf geladenen Sachverständigen bezeichneten den Gesetzentwurf auf eine Frage der FDP-Abgeordneten Miriam Gruß hin als deutliche Verbesserung gegenüber der jetzigen Situation. Ein Teil der Experten kritisierte allerdings, dass es neben der vertraulichen Geburt auch weiterhin Babyklappen sowie die Möglichkeit der völlig anonymen Geburt geben soll. Dies würde, wie Dr. Bernd Wacker von „terre des hommes Deutschland“ und der Frauenarzt Dr. Joachim Neuerburg vom St. Anna Hospital in Herne einhellig formulierten, den Gesetzentwurf entwerten. Einigkeit herrschte gleichwohl, dass es zumindest für eine Übergangszeit weiter Babyklappen und die anonyme Geburt geben müsse, bis das neue Angebot bei den Frauen, an die es sich richtet, hinreichend bekannt ist. Es wird nun in den weiteren Ausschussberatungen zu klären sein, ob es hier eine Befristung geben soll oder man die ohnehin im Gesetz vorgesehene Evaluation nach drei Jahren abwarten will. Dr. Heinz Kindler von Deutschen Jugendinstitut, das mit einer Studie eine wichtige Grundlage für den Gesetzentwurf gelegt hatte, bezeichnete es als eine ganz wesentliche Voraussetzung für den Erfolg, dass die Hilfen für Schwangere in Not besser bekannt gemacht werden.
Von Ingrid Fischbach (CDU) nach Verbesserungsvorschlägen gefragt, wünschte sich Birgit Mock vom Katholischen Deutschen Frauenbund eine „Beratung über Wege zum Kind“ für Frauen, die sich zur vertraulichen Geburt melden. Einrichtungen, die eine vertrauliche Geburt anbieten, sollten gesetzlich verpflichtet werden, mit den Schwangeren über Möglichkeiten zu sprechen, ihr Kind doch noch anzunehmen. Der Passauer Jura-Professor Werner Beulke, den Fischbach um eine verfassungsrechtliche Beurteilung des Gesetzentwurfes gebeten hatte, sah die Rechte des Vaters „sehr kurz gehalten“. Aber er „glaube, es geht nicht anders“, da die Frage nach dem Vater viele Schwangere davon abhalten könnte, das Angebot anzunehmen. Beulke nannte den Gesetzentwurf einen „guten Kompromiss“ zwischen den Rechten von Mutter und Kind, der wohl auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben würde.
Dr. Gudrun Lies-Benachib vom Deutschen Juristinnenbund wies in der Antwort auf eine Frage der SPD-Abgeordneten Caren Marks darauf hin, dass das Grundgesetz (Art.6 Abs.4) Mütter unter den besonderen Schutz des Staates stelle. Dem werde der Gesetzentwurf gerecht. Lies-Benachib regte aber an, die Regelungen des Gesetzentwurfes über die Nachbetreuung von vertraulich geborenen Kindern auch auf Kinder auszuweiten, die in Babyklappen abgelegt wurden.
Yvonne Ploetz (Die Linke) fragte Katharina Jeschke vom deutschen Hebammenverband nach den Erfahrungen ihrer Berufsgruppe mit der anonymen Hausgeburt. Jeschke begrüßte daraufhin ausdrücklich, dass diese weiter möglich sein soll. Sie sei beispielsweise wichtig für Zwangsprostituierte ohne Aufenthaltserlaubnis. Diese wollten oft ihr Kind behalten, aber auf keinen Fall ihre Identität preisgeben.
Monika Lazar (Bündnis 90/Die Grünen) bezweifelte, ob die Regelung im Gesetzentwurf sinnvoll ist, dass sofort nach einer vertraulichen Geburt das Sorgerecht der Mutter ausgesetzt werden soll. Dies nannte der Jurist Werner Beulke einen „Webfehler des Gesetzes“. Es müsse zumindest in den ersten Wochen leicht für die Mutter sein, sich umzuentscheiden und einen Weg zum Kind zu finden.
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