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Berlin: (hib/HAU) Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist noch zu keiner abschließenden Einschätzung gelangt, ob die strafrechtliche Verfolgung von dopenden Sportlern mittels eines Anti-Doping-Gesetzes zielführend ist. Während einer öffentlichen Sitzung des Sportausschusses am Montag sagte Friedrich: „Ich bin bereit, mir alle Argumente anzuhören.“ Wenn Ermittler sagen würden, „wir brauchen im Anti-Doping-Kampf neue Vorschriften, müssen wir das aufnehmen“, sagte der Minister, der dafür plädierte, alle eventuellen Auswirkungen neuer Regelungen zuvor genau zu prüfen.
Zugleich verwies er jedoch auch auf das Spannungsfeld zwischen Sportgerichtsbarkeit und Strafgerichtsbarkeit. Es bestehe die Gefahr, dass die Sportgerichtsbarkeit ausgehebelt werde, wenn man auf das Urteil eines Strafgerichtsprozesses warten müsste. Diese Befürchtung teilt auch die Unionsfraktion und lehnt daher ein Anti-Doping-Gesetz ab. „Wir legen großen Wert auf die Autonomie des Sports“, sagte der CDU-Sportexperte Klaus Riegert. Zugleich forderte er die Bundesländer auf, weitere Schwerpunktstaatsanwaltschaften zu schaffen. Nach Ansicht von Viola von Cramon (Bündnis 90/Die Grünen) ist die Sportgerichtsbarkeit mit dem Anti-Doping-Kampf aber überfordert. „Ohne ein Anti-Doping-Gesetz kann nicht gegen dopende Spitzensportler ermittelt werden“, befand sie und kritisierte die zögerliche Haltung der Bundesregierung. „Wie viele Experten wollen Sie denn noch befragen, bevor sie endlich handeln?“, fragte von Cramon den Innenminister.
Friedrich hielt dem entgegen, dass durch das novellierte Arzneimittelgesetz (AMG) umfangreiche Regelungen für den Anti-Doping-Kampf geschaffen worden seien. „Das können Sie doch nicht ignorieren“, sagte er an die Grünenabgeordnete gewandt. Riegert warf von Cramon vor, Spitzensportler kriminalisieren zu wollen und lobte das Bundesinnenministerium (BMI) für das „Vorgehen mit AugenmaÓ.
Zu dem von Wissenschaftlern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie der Humboldt-Universität Berlin vorgelegten Endbericht zur Studie „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ sagte Innenminister Friedrich, dass seitens des BMI darin „nichts geschwärzt oder gestrichen wurde“. Auf die Frage des SPD-Abgeordneten Martin Gerster, ob Berichte über eine Löschung einiger für die Forscher relevanter Akten zutreffend seien, verwies der Minister auf ein ordnungsgemäßes Löschverfahren im Jahr 2006. „Von späteren Löschungen weiß ich nichts“, sagte Friedrich. Ein Aktenlöschungs-Moratorium, wie es der Linken-Abgeordnete Jens Petermann angeregt hatte, sei daher unnötig.
Was den Inhalt der Studie angeht, so wiederholte der Berliner Forscher Professor Giselher Spitzer seine Einschätzung, dass es seit 1950 in der Bundesrepublik „systemische Dopingforschung“ gegeben habe. Dies sei ab 1970 durch die Gründung des Bundesinstituts für Sportwissenschaften (BISp) „ergänzt“ worden. Spitzer sah sich in der Folge heftiger Kritik an seiner Forschungsarbeit ausgesetzt. So sprach Lutz Knopek (FDP) von „unglaublichen Vorwürfen“, die nicht ausreichend belegt seien. Die Vorstandsvorsitzende der Nationalen-Anti-Doping-Agentur (Nada) Andrea Gotzmann verwies darauf, dass die Nada den Forschern sehr wohl Angebote zur Akteneinsicht gemacht habe, die vom Berliner Team jedoch nicht wahrgenommen worden seien. „Den Vorwurf, wir hätten Akten nicht zur Verfügung gestellt, weise ich zurück“, sagte sie. Klaus-Michael Braumann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) und wissenschaftlicher Beirat der Doping-Studie warf den Berliner Forschern vor, „nicht ergebnisoffen“ geforscht zu haben. So sei beispielsweise die Testosteron-Forschung seinerzeit nicht unüblich gewesen. Der von den Berliner Forschern hergestellte Zusammenhang mit der Dopingforschung sei daher nicht zwingend.
Der Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, kündigte an, Konsequenzen aus der Studie ziehen zu wollen. Aus diesem Grunde habe man eine siebenköpfige Expertenkommission unter der Leitung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Steiner einberufen, die Empfehlungen für den Umgang mit der Doping-Vergangenheit und für daraus zu ziehende Konsequenzen im Anti-Doping-Kampf geben soll, sagte Vesper.
Skeptisch gegenüber den Selbstreinigungskräften des Sports zeigte sich der Sportpädagoge und Dopingexperte Gerhard Treutlein. „Der Sport hat dabei jahrzehntelang versagt“, urteilte er. Zugleich forderte Treutlein - solange es kein Anti-Doping-Gesetz gibt - die derzeit gültigen Regelungen des AMG besser als bislang umzusetzen.
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