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Berlin: (hib/JOH) Die Abgeordneten des Bundestages fühlen sich im Hinblick auf die derzeitigen Verhandlungen über ein Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) unzureichend informiert. In einem öffentlichen Expertengespräch am Mittwochmittag im Umweltausschuss kritisierten Abgeordnete aller Fraktionen die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit als intransparent. Die EU-Mitgliedstaaten wie auch deren nationale Parlamente würden bisher kaum in den Entscheidungsprozess einbezogen.
Matthias Miersch (SPD) äußerte Zweifel, ob die EU-Kommission mit ihrem Vorgehen wichtige Verfassungsgrundsätze in Deutschland, etwa Beteiligungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der EU, ausreichend berücksichtige. Der Abbau von Handelshemmnissen, der als Ziel des TTIP genannt werde, sei ein dehnbarer Begriff. Die Abgeordneten könnten das geplante Abkommen konkret nur bewerten, wenn sie wüssten, „was Schwarz auf Weiß verhandelt wird“.
Oliver Grundmann (CDU) warnte zwar davor, die Öffentlichkeit durch „bedrohliche Szenarien“ und allzu emotional geführte Diskussionen zu verunsichern. Es sei wichtig, vor allem die Chancen des Freihandelsabkommens herauszustellen. Doch forderte auch er die EU-Kommission auf, die EU-Mitgliedstaaten besser über den Stand der Verhandlungen zu informieren.
Ralph Lenkert (Die Linke) kritisierte, dass es im Vorfeld der TTIP-Verhandlungen insgesamt 130 Gesprächsrunden gegeben habe, 119 davon mit Industrievertretern und 11 mit der Zivilgesellschaft. Alle seien „geheim und intransparent“ vonstatten gegangen. Er forderte die Veröffentlichung von Dokumenten und Informationen nicht nur in Bezug auf TTIP, sondern auch hinsichtlich des geplanten Deutsch-Kanadischen Handelsabkommens (CETA).
Peter Meiwald (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte neben der mangelnden Transparenz auch, dass mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen ein exklusiver Vertrag zwischen der EU und den USA geschlossen werden solle, anstatt im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) die Verankerung sozialer und ökologischer Standards voranzutreiben.
Knut Brünjes vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie betonte, dass die Verhandlungen zwischen der EU und den USA erst jetzt in eine konkrete Phase übergingen. Er sicherte den Abgeordneten zu, dass die nationalen Parlamente informiert und „intensiv beteiligt“ würden, sobald konkrete Dokumente und Entscheidungen vorlägen. Zur Sorge der Parlamentarier, TTIP könnte zu Aufweichung europäischer Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz führen, und etwa die umstrittene Gasfördermethode Fracking oder den Import Hormonfleisch nach Europa erlauben, sagte Brunjes: Es werde auf „keinen Fall“ dazu kommen, dass bestehende Regelungen in Deutschland oder Europa durch ein TTIP ausgehebelt werden. „In Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten bestehende Regulierungssysteme wie REACH werden durch TTIP nicht verändert werden“, stellte er klar. Brunjes verwies zudem auf die Entscheidung der EU-Kommission, zum besonders umstrittenen Bereich des Investitionsschutzes, der im TTIP verankert werden soll, eine dreimonatige öffentliche Konsultation zur Klärung offener Fragen zu beginnen.
Der Verfassungs- und Europarechtler Professor Peter-Tobias Stoll betonte im Ausschuss ebenfalls, dass es bei Freihandelsabkommen wie dem TTIP um den Abbau von Handelshemmnissen gehe, nicht aber um eine Vollharmonisierung. Konkrete Regelungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten, etwa in den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit, müssten infolge einer Ratifizierung des TTIP nicht geändert werden, da hier das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung Anwendung finde. Um besonders umstrittene Fragen besser klären zu können, etwa Hormonmast, Chlorbehandlung von Hühnerfleisch oder Gentechnik, wies Stoll auf die Möglichkeit hin, einen so genannten Regulierungsdialog im Abkommen zu verankern. In einigen anderen bilateralen Investitionsschutzabkommen sei dies bereits geschehen. Der Regulierungsdialog ermögliche es, auf Regierungsebene frühzeitig über unterschiedliche Regulierungen und Möglichkeiten der Zusammenführung zu reden.
Peter Fuchs vom Verein PowerShift warf der EU-Kommission vor, Dokumente bewusst unter Verschluss zu halten. Sie habe
offenbar kein Interesse daran, mit den Bürgern, den Parlamenten und der Wissenschaft über die Details des geplanten Abkommens zu sprechen. Besonders kritisch wertete Fuchs die im TTIP vorgesehenen Schiedsgerichtsverfahren. Sie zielten auf eine „materielle und prozedurale Besserstellung von ausländischen Investoren“ ab. Wenn das Abkommen wie geplant in Kraft trete, würden künftig anstelle von nationalen Gerichten Investitionsschiedsgerichte über Regulierungen, administratives Handeln und die Frage, ob Schutzstandards von Unternehmen eingehalten wurden oder nicht, entscheiden. Sollte die EU das Freihandelsabkommen unterzeichnen, bedeute dies eine „gefährliche Blanko-Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit“, warnte Fuchs die Abgeordneten. Die Schiedsgerichtsbarkeit zu kritisieren, sei keine „emotionale Panikmache“, sondern es gehe darum, die ordentliche Gerichtsbarkeit gegenüber intransparenten Schiedsverfahren zu verteidigen, erklärte Fuchs.
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