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Berlin: (hib/HLE) Das geplante europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) kann positive Effekte für die deutsche Wirtschaft haben. Die Regelungen zum Schutz von Investitionen und das geplante Investor-Staat-Schiedsverfahren in dem Abkommen wurden in einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Montag von einigen Sachverständigen als verbesserungswürdig eingestuft beziehungsweise ganz abgelehnt. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) stellte in seiner schriftlichen Stellungnahme für die Anhörung fest, zwischen Ländern mit entwickelten Rechtssystemen sei Investitionsschutz „nicht zwingend“.
Von den wirtschaftlichen Effekten des Freihandelsabkommens dürfte Deutschland jedoch erheblich profitieren. Der DIHK wies darauf hin, dass CETA 99 Prozent aller Zölle zwischen der EU und Kanada abbaue. Unter Hinweis auf Berechnungen der EU-Kommission schrieb die Organisation, den Unternehmen würden Zusatzkosten von 500 Millionen Euro erspart. Professor Gabriel Felbermayr erklärte, die deutschen Exporte nach Kanada könnten sich langfristig von elf auf 33 Milliarden Euro verdreifachen. Besonders profitieren werde der Fahrzeugbau. Auch Rupert Schlegelmilch (EU-Kommission) erklärte, das heutige Handelsvolumen könne sich um ein Viertel erhöhen. Europa sei für Kanada nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Auf Fragen nach der Beteiligung des Deutschen Bundestages sagte Professor Franz Mayer (Universität Bielefeld), das Abkommen könne nur in Kraft treten, wenn alle Parteien, also Kanada und sämtliche 28 EU-Mitgliedstaaten, ratifizieren würden.
Die geplante Regelung zum Investor-Staat-Schiedsverfahren nannte Felbermayr nicht perfekt. Sie stehe auch einer echten Lösung der Problematik durch die Schaffung eines unabhängigen internationalen Gerichtshofes zur Klärung von Investitionsstreitigkeiten entgegen. Die Probleme seien aber nicht gravierend genug, um eine Ablehnung des gesamten CETA-Pakets zurechtfertigen. Stephan Schill (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht) sagte, kanadischen Investoren werde durch CETA ein Status eingeräumt, der dem Schutz inländischer Investoren aus den Grundrechten oder dem Schutz von EU-Investoren aus den unionsrechtlichen Grundfreiheiten und Grundrechten bei Marktzugang und Bestandsschutz entspricht. Das CETA-Schiedsverfahren werde dem deutschen Verfassungsrecht und dem Unionsrecht gerecht.
Professorin Ursula Kriebaum (Universität Wien) erklärte, es gebe weltweit rund 3.500 bilaterale Investitionsschutzverträge (BIT). Deutschland habe besonders viele dieser Verträge. CETA verbinde ein klassisches Freihandelsabkommen mit dem typischen Inhalt eines BITs. Zu der Kritik an den Investitionsschutzverträgen sagte sie, es sei schwer vorstellbar, dass all diese Staaten ein halbes Jahrhundert lang unter einem wirtschaftspolitischen Irrtum gehandelt hätten oder im Interesse von mächtigen Multis vorgegangen seien. Der Anteil von EU-Investoren unter den Klägern vor Schiedsgerichten sei übrigens besonders hoch.
Dagegen stellte Professor Steffen Hindelang (Freie Universität Berlin) fest, das CETA-Abkommen binde nationale Gerichtssysteme nicht nur unzureichend ein, sondern „schwächt funktionierende nationale Gerichtsbarkeit“. Die Besorgnis, die Schiedsgerichte könnten zu Gunsten von Investoren voreingenommen sein, werde nicht zerstreut. Nils Meyer-Ohlendorf (Ecologic Institut) nannte den Investitionsschutz einen „Notbehelf“ für den Fall, dass ein Gaststaat einem Investor keinen hinreichenden Schutz seiner Investition bieten könne. Entsprechend gebe es keinen Investitionsschutz zwischen kapitalexportierenden Ländern. Vor diesem Hintergrund bedürfe es auch keines Investitionsschutzes in Freihandelsabkommen, „wenn die beteiligten Vertragsparteien über funktionierende Rechtssysteme verfügen, wie dies in der EU und in Kanada der Fall ist.“ Weder in Kanada noch in der EU gebe es ein systemisches Rechtsschutzproblem für Investitionen. Pia Eberhardt (Corporate Europe Observatory) erwartet investorenfreundliche Urteile durch die Schiedsgerichte und befürchtet unkalkulierbare Risiken. In diese Richtung argumentierte auch Meyer-Ohlendorf. Kein Richter in Deutschland dürfe gleichzeitig als Anwalt tätig sein oder Aktien von am Prozess beteiligten Unternehmen halten. Bei den Schiedsverfahren würden diese Beschränkungen nicht gelten. Das seien „Interessenkonflikte, die nicht aufzulösen sind“. Investitionsschutzabkommen hätten noch nie mehr Investitionen ausgelöst und seien „eine Krücke“.
Auch Maritta Strasser (Campact) erklärte in ihrer Stellungnahme, es gebe keine empirischen Belege, dass Investitionsschutzmechanismen mehr Direktinvestitionen zur Folge hätten. Dagegen betonte Rupert Schlegelmilch (EU-Kommission) in seiner Stellungnahme, der Investitionsschutz sei ein Instrument, „mit dem Staaten weltweit ausländische Direktinvestitionen anziehen und bei sich im Land halten, um ihre Wirtschaft zu stärken“. Auch Reinhard Quick vom Verband der chemischen Industrie erklärte, durch CETA werde dafür gesorgt, dass deutsche Investoren in Kanada nicht schlechter gestellt würden als kanadische oder US-Investoren.
Thomas Fritz (PowerShift) kritisierte Ausnahmebestimmungen im CETA-Vertrag. So könne ein Dienstleister im Bereich der Abfallwirtschaft, der in Deutschland einmal einen Marktzugang erhalten habe, die CETA-Regeln zur Inländerbehandlung in Anspruch nehmen, wenn er sich diskriminiert fühle. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DBG) und die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie und Energie bezeichneten CETA als nicht zustimmungsfähig, weil öffentliche Dienstleistungen nicht ausreichend geschützt würden.
Grundlage der öffentlichen Anhörung waren zwei Oppositionsanträge. So fordert die Fraktion Die Linke in einem Antrag (18/2604), dass die Bundesregierung soll das CETA-Abkommen, dessen Text bereits ausformuliert ist, vor der Paraphierung sowohl in den EU-Gremien als auch öffentlich als nicht annehmbar zurückweisen. Genauso wie die Linksfraktion wendet sich auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag (18/2620) gegen Klageprivilegien für Konzerne durch die Einrichtung internationaler Schiedsgerichte und verlangt eine Ablehnung des Vertragsentwurfs.
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