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Die Praxistauglichkeit des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (17/8799) ist am Mittwoch, 25. April 2012, Thema einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses unter Vorsitz von Siegfried Kauder (CDU/CSU) gewesen. Acht Experten äußerten sich zum Gesetzentwurf und seiner Anwendbarkeit.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll das aktuelle Gesetz beibehalten werden. Das zumindest ist das Ziel ihres Gesetzentwurfs. Ende Oktober würde das aktuell geltende Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz außer Kraft treten, da es befristet ist. Allerdings hat laut Bundesregierung eine Evaluation ergeben, dass das Musterfeststellungsverfahren "ein taugliches Instrument" zur Bewältigung von Massenklagen im Bereich des Kapitalmarktrechts ist. Das Gesetz stelle insgesamt "ein funktionsfähiges Modell der kollektiven Rechtsdurchsetzung" dar und sei somit eine Verbesserung gegenüber dem früheren Rechtszustand.
Das Gesetz ist aus Sicht der Regierung "ein erster Schritt in die richtige Richtung", um die Situation geschädigter Anleger zu verbessern und ihre Rechtsschutzmöglichkeiten effektiver zu gestalten. Die positive Einschätzung des Gesetzes werde von fast allen Befragten bestätigt. Der Evaluationsbericht empfehle daher, die Befristung des Gesetzes aufzuheben. Gleichzeitig schlägt die Regierung vor, den Anwendungsbereich des Gesetzes auf sonstige zivilrechtliche Ansprüche auszuweiten.
Die Experten waren in der Anhörung geteilter Meinung. Die meisten sahen Nachbesserungsbedarf. Positiv äußerte sich Prof. Dr. Volkert Vorwerk, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, der den Entwurf als "relativ gelungen" bezeichnete. Zu begrüßen sei das Ziel des Gesetzgebers, am Musterverfahren festzuhalten.
Die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Berlin, Dagmar Junck, analysierte das Gesetz aus dem Blickwinkel der richterlichen Praxis. Aus diesem sei "eine zuverlässige abschließende Bewertung derzeit noch nicht möglich". Denn dafür, argumentierte Junck, bedürfe es des rechtskräftigen Abschlusses wenigstens einiger Musterverfahren. Deshalb erachte sie die weitere Befristung für "unverzichtbar".
Rechtsanwalt Andreas W. Tilp aus dem württembergischen Kirchentellinsfurt betonte, dass das Gesetz keinesfalls nur für Kleinanleger gelten dürfe, sondern vor allem "auch für institutionelle Anleger" gelten müsse. Er schlug vor, das Gesetz auslaufen zu lassen und an seiner Stelle einen "effizienten Rechtsschutz im Bereich von Massenschäden bei Kapitalanlegern zu schaffen".
Klaus Rotter, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrechtaus Grünwald, hielt das Gesetz generell für "widersprüchlich". Er forderte, dass der Bundesgerichtshof immer als Kontrollinstanz zur Verfügung stehen müsse, da es "immer um das Vertrauen des gesamten Kapitalmarktes" gehe.
"Der Gesetzgeber soll die Unternehmen unter die Lupe nehmen" und dürfe "den Schutz durch Verjährung nicht gewähren", forderte in diesem Zusammenhang Lars Labryga, Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger aus Berlin.
Dieser Meinung schloss sich auch Katja Fohrer, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht aus München an: "Man braucht das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz für einen kollektiven Rechtsschutz", sagte sie. Allerdings nur, fügte Fohrer hinzu, wenn es die Prozesse beschleunige. Zuvor hatte sie berichtet, dass sie seit 2006 einen Prozess mit großem Aufwand mit einem Anleger führe; 21 Zeugen seien insgesamt geladen gewesen, allerdings habe sich "der Aufwand aus Anlegersicht nicht gelohnt".
Der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Wolf H. von Bernuth befand, das Ziel der Verfahrensbeschleunigung werde – wenn das Prozessgericht falsch entscheidet – nur vordergründig erreicht. Folglich müsse dann der Streitpunkt "wenig effizient in diverseren Einzelverfahren geklärt werden". Das koste Zeit, so von Bernuth weiter, und schließe das "Risiko uneinheitlicher Entscheidungen ein".
"Ein verbessertes Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ist besser als gar kein Rechtsschutz", resümierte Prof. Dr. Axel Halfmeier, LL.M., vom Institut für Wirtschaftsrecht der Leuphana Universität Lüneburg gegen Ende der Anhörung. Zur Befristung des Gesetzes sagte er: "Es gibt Erfahrungen, die eine Entfristung begründen würden", und bezog persönlich Stellung: "Ich selbst bin kein Freund von Befristungen", sagte Halfmeier und fügte erläuternd hinzu, dass der Gesetzgeber ja auch zu einem späteren Zeitpunkt, wenn nötig, Verbesserungen an einem Gesetz vornehmen könne. (ver)