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Mit einer vollständigen Aufhebung des Kooperationsverbots von Bund und Ländern bei der Bildung, wie es die Linksfraktion in einem Antrag (18/588) fordert, ist in naher Zukunft nicht zu rechnen. Das wurde im Verlauf einer Debatte am Donnerstag, 3. April 2014, deutlich. Das als Ergebnis der Föderalismusreform I im Jahr 2006 entstandene Kooperationsverbot verbietet jegliche schulpolitischen Initiativen des Bundes, wie etwa die Unterstützung für Ganztagsschulprogramme.
Aus Sicht der Linksfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen, aber auch nach Meinung der SPD-Fraktion sollte das Kooperationsverbot im gesamten Bildungsbereich aufgehoben werden. Das Verbot "schadet mehr als es nutzt", sagte Dr. Rosemarie Hein (Die Linke). Die Probleme im Bildungsbereich ließen sich mit einem Kooperationsverbot nicht lösen, da die Länder nicht wüssten, wie sie die Bildungsaufgabe finanzieren sollen, urteilte Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen).
Die SPD habe sich mit ihrer Forderung nach einer Verfassungsänderung hin zu einer Abschaffung des Verbotes für den gesamten Bildungsbereich bedauerlicherweise nicht gegen den Koalitionspartner durchsetzen können, räumte Swen Schulz (SPD) ein. Für die Unionsfraktion machte Tankred Schipanski (CDU/CSU) deutlich, dass man sich für eine Verfassungsänderung mit dem Ziel der Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bereich der Hochschulen einsetzen wolle. Was den Schulbereich angeht, so sehe man derzeit "keine Möglichkeit für einen Konsens mit den Ländern", fügte er hinzu.
Die Bundesregierung lehne eine von der Linksfraktion in ihrem Antrag geforderte Erhöhung der Länderanteile an den Mehrwertsteuereinnahmen ab, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Stefan Müller (CSU). "Wer sagt, dass die Länder das Geld für Bildung und Forschung nutzen?", fragte er.
Müller wandte sich gegen den im Antrag der Linksfraktion vermittelten Eindruck, das Grundgesetz würde die Zusammenarbeit zwischen Bund und Länder verbieten. "Das Gegenteil ist richtig", sagte der Staatssekretär. So viel Kooperation wie heute habe es in der Geschichte Deutschlands noch nie gegeben.
Als Beispiele zählte der CSU-Politiker neben dem Hochschulpakt, die Exzellenzinitiative, den Pakt für Forschung und Innovation und den Pakt für Lehrerbildung auf. Zugleich plädierte er für eine Grundgesetzänderung, um eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen erreichen zu können.
Die Linksfraktion stellte hingegen die Probleme der Schulbildung in den Mittelpunkt. Es gehe um mehr soziale Gerechtigkeit, eine höhere Bildungsqualität und eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern, machte Rosemarie Hein (Die Linke) deutlich. Die Schulsysteme in den Ländern seien durch "mehr als ein Dutzend unterschiedliche Schulformen in den Klassen fünf bis zehn, unterschiedliche lange Pflichtschulzeiten und unterschiedliche Abschlüsse gekennzeichnet", sagte sie.
Dies sei nur ein Teil des Irrgartens, durch den sich Familien quälen müssten, wenn sie das Bundesland wechseln. Pro Jahr seien davon immerhin 200.000 Kinder und Jugendliche betroffen, sagte Hein und bedauerte zugleich, dass sich im Koalitionsvertrag von Union und SPD "kein Wort zu Ganztagsschulen findet".
Es fehle überhaupt jedes Wort zum Kooperationsverbot, kritisierte Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen). Dies sei umso unverständlicher, als dass die SPD noch in der vergangenen Legislaturperiode das von ihr 2006 mitbeschlossene Kooperationsverbot als Fehler bezeichnet habe. "Fehler kann man korrigieren", so Gehring an die Sozialdemokraten gewandt.
Es sei schließlich im Interesse der gesamten Gesellschaft, die Qualität und Leistungsfähigkeit von Bildung und Wissenschaft zu steigern. "Die Leute haben die Nase voll von fehlenden Kitaplätzen, maroden Schulen und überfüllten Hörsälen", sagte Gehring. "Das Land der Dichter und Denker verträgt keine Kleinstaaterei, wenn es um die Zukunft unserer Kinder und Erfinder geht."
Die Große Koalition sei in der Frage des Kooperationsverbotes noch auf der Suche, räumte Dr. Ernst-Dieter Rossmann (SPD) ein. Der Vorwurf, seine Partei wisse nicht, was sie will, sei aber falsch. "Wir wollen, dass über den Bund Bildung gefördert werden kann", machte er deutlich. Nicht nur seine Partei, sondern auch die Grünen seien jedoch derzeit auf der Suche, müsse man konstatieren, fuhr Rossmann fort.
Zuletzt habe auch der von den Grünen gestellte baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann einer Verfassungsänderung eine Absage erteilt. Rossmann forderte, künftig nach der besten möglichen Lösung zu suchen, statt sich gegenseitig Fehler vorzuhalten.
Union und SPD seien sich einig, dass die Universitäten, "das Herzstück des deutschen Wissenschaftssystems", Unterstützung erhalten sollten, sagte Tankred Schipanski (CDU/CSU). Dies könne man auch im Koalitionsvertrag nachlesen, in dem es im die Grundfinanzierung der Hochschulen gehe. "Eine Verfassungsänderung ist ein Weg zu diesem Ziel", so Schipanski.
Ein weiterer Weg könne die Weiterentwicklung der bisherigen umfangreichen Kooperationen zwischen Bund und Ländern sein. Was den Schulbereich angeht, so hätten die Länder schon Schwierigkeiten, dem Bund lediglich eine koordinierende Rolle zuzubilligen. Eine Rolle, die dem Bund aus Schipanskis Sicht schon jetzt verfassungsmäßig zusteht.
Angesichts der Haltung der Länder übte der CDU-Politiker heftige Kritik an der Kulturministerkonferenz (KMK). Seit 14 Jahren arbeite das Gremium an gemeinsamen Bildungsstandards und komme nur langsam voran, so Schipanski. Die derzeitigen Diskussionen um ein acht- oder neunjähriges Gymnasium zeigten: "Die KMK ist nicht in der Lage, nationale Verantwortung richtig wahrzunehmen." (hau/03.04.2014)